Kurpfalz Regional Archiv

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* Kurz vor St. Leon brach in Reutling die Deichsel

02.11.07 (Reilingen)

Wie die alten Reilinger vom Markt in St. Leon profitierten / Seit 525 Jahren findet am Sonntag nach Allerseelen der Sauerkrautmarkt statt / Ein Blick in die Geschichte
Der Herbst war ins Land gezogen, die Ernte eingebracht. Im kleinen Dörfchen unweit von Schloss Wersau ging es um diese Jahreszeit beschaulich zu. Der würzige Duft trocknender Kräuter zog durch das Dorf, oft gemischt mit dem Aroma dörrender Äpfel, Birnen oder Zwetschgen. Aus der Schmiede nahe dem Wirtshaus zum Löwen klangen dumpf die Schläge auf den Amboss. Irgendwie war es aber kein Tag wie jeder andere in Reutling, wie Reilingen zu dieser Zeit noch genannt wurde. Damals, wir schreiben das Jahr 1657, führte mit der Kaiserstraße Prag-Nürnberg-Speyer eine wichtige Verkehrsverbindung durch den Ort, wo auch die nicht minder bedeutende Straße von Heidelberg her kommend einmündete. In den Herbst- und Wintermonaten eher ruhig, herrschte aber um den Allerheiligentag auf der Straße, aber auch im Ort plötzlich wieder reges Treiben. Ganze Kaufmanns- und Handelszüge kamen daher, die Wagen schwer beladen. Dazwischen immer wieder Viehhändler, die Kühe, Schweine oder Schafe durch Reutling trieben. Vor der Schmiede standen am Allerseelentag nicht nur mehrere Planwagen, sondern auch drei Kaufmannszüge. Sie alle hatten hier ihre Reise unterbrechen müssen, denn einige Rosse hatten ihre Eisen, Räder ihren eisernen Spannreifen verloren, auch Deichseln waren gebrochen. Dass diese gerade jetzt ersetzt werden mussten, passte den Händlern überhaupt nicht. Sie waren nämlich unterwegs nach St. Leon, um am dortigen Markt teilzunehmen, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine über 200-jährige Tradition zurückblicken konnte. Und da dieser Markt nicht nur bekannt und beliebt, sondern auch der größte Markt um diese Jahreszeit in der weiten Region war, kamen die Händler, Kaufleute und Kraxenträger selbst von weither, um „uf dem Marckt zu Sant Lene“ ihren Stand aufzuschlagen und die Waren feil zu bieten. Und wer nicht zeitig genug auf dem abgesteckten Feld, kurz vor dem Dörfchen zwischen Reilingen und St. Leon gelegen, eintraf, der musste mit einem schlechten Standplatz Vorlieb nehmen. Deswegen wurde der Reilinger Schmied auch immer wieder angetrieben, sich doch zu tummeln, schließlich wolle man noch vor der Nacht auch das Lager in einem der dortigen Wirtshäuser beziehen. In einer Archivnotiz kann heute noch nachgelesen werden, dass dies dann aber doch nicht geklappt haben muss, denn „ad sanct Lenum all die Betten vun des Ambts wegen gar beleget seyen“ und auch sonst keine Unterkunft im Ort mehr zu finden war. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, wieder einmal in Reutling Quartier zu beziehen.
Der Keller (kurfürstlich-pfälzischer Verwalter) von Schloss Wersau rieb sich wie der Reilinger Schultheiß und die Wirtsleute die Hände, denn einmal mehr war es ihnen gelungen, genügend Reisende so lange aufzuhalten, bis es im fürstbischöflich-speyerischen St. Leon keine Logierplätze mehr zu vergeben gab. Und dass es zumeist auch noch die wohlhabenden „Pfeffersäcke“ waren, stieß den St. Leonern als auch dem Bischof von Speyer ganz besonders auf. „Viel zu viel Gulden verbleiben gar in der churpfältzisch Schatull“. Das störte im alten Reilinger aber niemand, denn auch in den folgenden mehr als 200 Jahren sollten immer wieder vor dem Dörfchen an der Kraich wundersamerweise Deichseln brechen oder Hufeisen verloren gehen. Somit kein Wunder, dass es zwischen den Burschen beider Ortschaften nicht nur zur Kerwe immer wieder „funkte“ …  (og)
Stichwort: St. Leoner Sauerkrautmarkt
Seit 525 Jahren findet in St. Leon alljährlich am Sonntag nach Allerseelen der Sauerkrautmarkt statt. Ursprünglich als Hanf- und Kramermarkt durchgeführt, wurde er im 19. Jahrhundert mit der örtlichen Kirchweih zusammengelegt. Auch heute noch finden die angebotenen Waren und Dienstleistungen Abnehmer unter den Besuchern aus nah und fern. Der Name Sauerkrautmarkt rührt daher, dass er alljährlich zur der Zeit veranstaltet wird, in der das erste frische Sauerkraut neuer Ernte auf den Tisch kommt – doch als Handelsprodukt auf dem Markt nie von besonderer Bedeutung war.

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