Grandios, gigantisch und erhaben
09.09.05 (Speyer)
Festkonzert 25 Jahre Internationale Musiktage „Dom zu Speyer“ im Historischen Museum / Beethoven: 7. Sinfonie und Messe in C-Dur / Orchester, Chöre und Solisten auf hohem Niveau
Ludwig van Beethoven, dessen 9. Sinfonie und Chorfantasie bereits die letzte Festspielsaison entscheidend mitprägte, war auch das Festkonzert aus Anlass der 25. Internationalen Musiktage gewidmet, das ausgerechnet nicht im Dom zu Speyer, sondern im überdachten Innenhof des Historischen Museums stattfand. Warum für das Jubiläumskonzert ausgerechnet dieser für seine teils stumpfe, andererseits oft klirrende Akustik bekannte Raum mit seinen gerade Mal etwas mehr als 300 Sitzplätze ausgewählt wurde, war anfangs für viele Zuhörer nicht ganz verständlich.Auf dem Programm stand zwar nicht die „Missa solemnis“, jenes große und berühmte Spätwerk des Bonner Komponisten, sondern die so genannte kleine Beethovenmesse in C-Dur und die 7. Sinfonie. Beide Kompositionen entstanden im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts und haben so gar nichts mit der üblichen musica sacra des römischen Glaubens zu tun. Ganz ungeachtet der Qualität des Konzertes muss man Domkapellmeister Professor Leo Krämer als künstlerischen Leiter der Musiktage loben, auch Werke der musikalischen Weltliteratur anzugehen, die nur sehr selten erklingen. Das alleine ist unzweifelhaft schon ein besonderer Verdienst und sollte auch einmal erwähnt werden.
Trotz der nicht ganz einfachen Raumverhältnisse – zur Akustikproblematik gesellte sich vor allem in den Pianostellen eine brummende Lüftung die trotz des lauen Sommerabends die Besucher frösteln ließ – zeigte die Aufführung, wie sehr sich Krämer in die Tonsprache Beethovens vertieft hatte. Das zu Grunde liegende, sich von allem bisher da gewesenen lösende Prinzip, dem er sich ganz und gar unterwarf, lautete: Dynamik, Dramatik, Farbe und Kontrast.
Mit der 7. Sinfonie hatte das Festkonzert einen wahrhaft gelungen Auftakt. Das Publikum war bereits nach wenigen Takten von der Leistung Leo Krämers und seinem Orchester restlos eingenommen, vor allem beim berühmten zweiten Satz war die Begeisterung im Konzertsaal fast greifbar.
In Beethovens 7. Sinfonie war der Reiz der historisch informierten Spielweise deutlich wahrnehmbar – der Gesamtklang hatte eine deutliche Tiefenschärfe, der Charme des naturbelassenen Klangs von Hörnern und Trompeten konnte sich richtig durchsetzen. Im Kontrast zwischen erfühltem Trauermarsch und der gar nicht ausgelassenen, sondern verbissenen Tanzwut des Schlusssatzes entfalteten Leo Krämer und die St. Petersburger eine Ausdruckswelt, für die sich das Publikum mit lang anhaltendem Beifall bedankte.
Während viele andere Messkompositionen im Gottesdienst die Geschehnisse am Altar meditativ begleiten sollen, entwickelt die C-Dur Messe ein dramatisches, den Zuhörer fesselndes Eigenleben.
Sowohl der Domchor Speyer und der Chor der Saarländischen Bachgesellschaft, als auch das an diesem Abend einmal über sich hinauswachsende Kammerorchester der St. Petersburger Philharmoniker ließen sich willig auf die Krämer’schen Klangvorstellungen ein und zeichneten ein Bild, das aus dem religiösen Mysterium eine sinfonische Dichtung machte. Angefangen von einer fast schon dramatischen Vergebungsbitte im „Kyrie“ über ein überzeugend deklamiertes „Gloria“ und textreiches „Credo“ bis hin zur innigen, ja flehendlichen Friedensbitte im „Agnus Die“ bot sich dem Publikum eine runde Vorstellung vom Verständnis, das Beethoven vom Messtext hatte.
Im Klangdesign einer klassischen Messkomposition waren die Sängerinnen und Sänger der Chöre von ihren weit auseinandergezogenen, die volle Breite des Raum nutzenden Plätzen bestens zu hören: unangegriffen und schwindelfrei wurden die strahlenden Höhenlinien bewältigt, waren die fundamentierenden Männerstimmen klar und fest gefügt.
Nahtlos fügten sich in diese Interpretation die Sopranistin Ann-Kathrin Fetik, die Altistin Gabriele May, Kammersänger Rudolf Schasching (Tenor) und der Bassist Siegmund Nimsgern ein. Technisch gesehen konnten alle Vier ohne Einschränkung überzeugen, stimmlich bildeten sie ein einheitliches Quartett, dem es blendend gelang, mit den Raumbedingungen zurechtzukommen.
Fazit: Eine in jeder Hinsicht äußerst gelungene Veranstaltung, in der alle Beteiligten auf hohem Niveau nicht nur einem großen Künstler die Ehre erwiesen, sonder grandios, gigantisch und erhaben auch den Internationalen Musiktage im Schatten des nahen Domes auf besondere Art und Weise zum 25. Jubiläum gratulierten.