Lebensfrohes Konzert vor toten Kaisern
07.09.05 (Speyer)
Faszinierendes Barockkonzert in der Krypta des Kaiserdoms / St. Petersburger Philharmoniker konzertieren im Rahmen der 25. Internationalen Musiktage „Dom zu Speyer“
Barockmusik in einer romanischen Krypta? Für viele selbst ernannte Kunst- und Kulturfreunde schier undenkbar, ja geradezu ein Sakrileg – sowohl an der Romanik als auch am Barock. Und in der altehrwürdigen ehemaligen Freien Reichsstadt Speyer geradezu eine Respektlosigkeit vor den toten Kaisern und Königen in ihrer Grablege in der wuchtigen Basilika über dem Rhein.Aber Domkapellmeister Professor Leo Krämer wischte einmal mehr alle Bedenken am Aufführungsort beiseite und platzierte seine Musiker aus dem russischen St. Petersburg direkt vor dem Eingang der Kaisergräber. Kein Affront, sondern geradezu eine Respektbezeugung vor diesen ehemaligen deutschen Herrschern – und der Musik.
Für die barocken Meisterwerke von Vivaldi, Bach und Händel hätte kein besserer Ort für dieses Konzert im Rahmen der 25. Internationalen Musiktage „Dom zu Speyer“ gefunden werden können. Dank der ausgezeichneten Akustik umschmeichelte Barockmusik in ihrer ganzen Lebensfreude und Reinheit das Ohr der mehreren Hundert Zuhörer.
Zu verdanken war dieses seltene Musikerlebnis dem Kammerorchester der St. Petersburger Philharmoniker und natürlich den Instrumentalsolisten, deren brillantes Können ganz klar diesen Spätsommerabend auf ganz besondere Weise prägte. Allen voran die Flötistin Ingrid Paul, die vor allem beim Allegro molto in Vivaldis Konzert in C-Dur für Blockflöte und Orchester mit ihren schier unglaublichen Fingerfertigkeit für begeisterte Verwunderung beim Publikum sorgte: all diese Töne sollen aus dieser kleinen Blockflöte stammen? Nicht minder begnadet auch die beiden Horn-Solisten Andrej Glukin und Igor Karzow, beide zugleich auch Professoren am weltberühmten Konservatorium von St. Petersburg, deren teuflische Zungenschläge sowie ein exzellenter Ansatz die Hornpipe-Partien in Georg Friedrich Händels „Wassermusik“ zu einem besonderen Erlebnis werden ließen. Als vorzüglicher Virtuosen stellten sich bei Johann Sebastian Bachs Konzert für Violine, Oboe und Orchester der Konzertmeister der St. Petersburger Philharmoniker, Alexander Zolotarev, und der 1. Oboist Ruslan Khokholkov vor. Und mit der am Dom tätigen Kirchenmusikerin Elke Völker hatte das außergewöhnliche Orchester an diesem Abend am Cembalo eine Gastmusikerin in ihren Reihen, die sich ob ihres Können problemlos in den Klangkörper einbringen konnte.
Als die Künstler und der Dirigent Leo Krämer am Ende eines wunderbar beschwingten Abends vom stehend applaudierenden Publikum gefeiert wurden, waren sich alle Anwesenden sicher, dass diese Musik voller Lebensfreude und höfischem Vergnügen mit Sicherheit auch den Kaisern und Königen gut gefallen hätte. So durften halt nur die begeisterten Zuhörer diesen Eindruck mit auf den Heimweg in eine ungewöhnlich laue Spätsommernacht nehmen. Und das taten sie gern.