Gottesdienstebesuche als weihnachtlicher Höhepunkt
25.12.05 (Speyer)
Viele Gläubige drängten sich in Dom und Gedächtniskirche / Festliche Musik und inhaltsreiche Predigten / Kirchenpräsident Eberhard Cherdron fordert mehr Vertrauen für und in der Politik
Festliche Musik, inhaltsreiche Predigten und eine seit vielen Jahren nicht mehr so hohe Besucherzahl prägten an den Weihnachtsfeiertagen die Gottesdienste in den Speyerer Kirchen. Besonders eng ging es dabei in den beiden Hauptkirchen der Stadt zu: dem Marien- und Kaiserdom sowie der evangelischen Gedächtniskirche. Allein zur Christmesse drängten sich am Heiligen Abend mehrere Tausend Menschen in die festlich beleuchtete romanische Kathedrale, wo bereits vor dem eigentlichen Gottesdienst der Domchor und die Dombläser unter der Leitung von Domkapellmeister Professor Leo Krämer mit weihnachtlichen Weisen auf das Pontifikalamt mit Bischof Dr. Anton Schlembach einstimmten. Der Andrang zur Christmette war dabei so groß, dass sogar das Chorgestühl in der Apsis und der gesamte Chorraum der Kathedrale freigegeben wurden, um den vielen Besuchern, darunter auch Alt-Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Platz zu bieten. Dennoch mussten sich noch viele Gläubige aus nah und fern mit Stehplätzen begnügen.
Bischof Dr. Anton Schlembach ging in seiner Predigt vor allem auf das beliebte Weihnachtsslied “Es ist ein Ros entsprungen” ein, das zum ersten Mal im ältesten Speyerer Diözesangesangbuch aus dem Jahr 1599 gedruckt wurde. “Das Kind von Bethlehem, das Kind Marias, ist wirklich eine Rose in der winterlichen Nacht des Lebens und der Welt”, erklärte der Bischof. Seit 2000 Jahren blühe und dufte sie.
Wer an ihr achtlos vorübergehe und so tue, als gäbe es sie nicht, würde sein Leben lang im Winter, in der Winterkälte und in der Winternacht bleiben. „Im Kind von Bethlehem findet sich alles, was auch heute die Mensch und die Welt zutiefst ersehnten: Licht, Rettung, Erlösung und Auferstehung.“
Als am Ende des nächtlichen Gottesdienstes zu „Stille Nacht“, dem wohl traditionellsten und beliebtesten Weihnachtslied weltweit, der gewaltige Kirchenraum verdunkelt wurde, kam beim Blick auf den erhellten Bischofschor eine ganz besondere Stimmung auf, die in diesem Moment keinen Besucher des Gottesdienstes unberührt ließ.
Das Pontifikalamt mit Weihbischof Otto Georgens nahm am ersten Feiertag diese besondere Stimmung auf und gab sie an die Gottesdienstbesucher im erneut überfüllten Kaiserdom weiter. In seiner Predigt über die Weihnachtsbotschaft des Johannesevangeliums stellte er fest, dass der Satz “Das Wort ist
Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt” zur wichtigsten Nachricht für die ganze Menschheit geworden sei. Sie beschreibe nicht nur den Sinn des menschlichen Lebens sondern begründe auch alle menschliche Hoffnung. “Gott wurde mit allem Mensch, was auch wir an uns tragen, womit wir ringen, was uns belastet und bedrängt”, machte Georgens deutlich. Auf diese Weise lasse er uns Gott erkennen, den niemand je
gesehen habe. „Das ist wirklich Evangelium, frohe Botschaft, Grund zur Freude”, so der Weihbischof.
Zum besonderen Erlebnis trug aber auch die für das Hochfest ausgewählte Kirchenmusik bei. Gemeinsam mit dem Festivalorchester „Dom zu Speyer“ sowie den Solisten Anne-Katrin Fetik (Sopran), Gabi May (Alt), Andreas Wagner, (Tenor) und Vinzenz Haab (Bass) brachte der Domchor die „Missa brevis in D“ von Wolfgang Amadeus Mozart zu Gehör. Bereits während der Christmette hatte der Domchor, begleitet von den Dombläsern und Elke Völker an der Orgel unter der Leitung von Domkapellmeister Professor Leo Krämer die „Missa V voci in honorem S. Michaelis Archangeli“ von Michael Haller für 5-stimmigen gemischten Chor aufgeführt.
Weitaus politischer und der Stimmung der wirtschaftlichen und politischen Lage entsprechend dagegen die Predigt des Präsidenten der Evangelischen Kirche der Pfalz, Eberhard Cherdron. Vor den dicht gedrängt sitzenden und stehenden Gottesdienstbesuchern in der Gedächtniskirche betonte er die zentrale Rolle des gegenseitigen Vertrauens für Politik und Glaube. „Vertrauen ist ein Geschenk. Niemand kann es einfordern oder vorschreiben.“ Ohne Vertrauen sei kein Rechtsstaat zu machen, hob Cherdron hervor. Im Blick auf die neue Große Koalition sei zu bedenken, dass „auch die Parteipolitiker der beiden Koalitionsparteien sich ganz neu auf Vertrauen einlassen“ müssten. „Ohne solches Vertrauen auch in den politischen Gegner gibt es kein politisches Zusammenspiel.“ Die Großen Koalition stehe vor der Aufgabe, das verloren gegangene Vertrauen der Bürger in die Politik wieder zu erlangen.
Der demokratische Staat lebe auch davon, dass seine Bürger das politische Geschehen sorgfältig beobachten und prüfen würden, welche Politik das Wohl des Landes und seiner Bewohner am ehesten fördere. „Als Bürger sind wir dazu aufgerufen, niemals blind zu vertrauen. Politiker müssen sich immer wieder neu Vertrauen verdienen, in dem sie sich als kompetent, mutig und ehrlich erweisen“, stellte der Kirchenpräsident unmissverständlich klar.
In der Politik gründe das Vertrauen auf Erfahrung und Fakten, im christlichen Glauben auf der Liebe Gottes. In der Menschwerdung Jesu Christi sei Gott bedingungslos eine „Koalition“ mit den Menschen eingegangen. „Er hat sich uns gleichgestellt. Sein Vertrauen zu uns wartet nur darauf, dass wir auch ihm vertrauen mit aller Kraft unseres Herzens und unserer Gedanken“, sagte Cherdron.
Menschen, die auf Gott vertrauen, könnten immer wieder einen Neuanfang wagen. Das gelte für das Zusammenleben in einem Staat wie für das private Zusammenleben. Weihnachten stelle mit der Heiligen Familie ein Bild des Vertrauens vor. Dabei gehe es aber nicht um ein gemütliches oder idealistisches Familienbild. Das Vertrauen aus Gott heraus kenne auch all die Anfechtungen, in denen Menschen stehen. „Gerade darum ist es gut, auf Gott zu schauen, der bedingungslos an uns Menschen festhält. Unser Vertrauen in ihn findet Halt in seinem Vertrauen zu uns“, so Eberhard Cherdron abschließend.