Des Nachtwächters neue Kleider
20.01.06 (Reilingen)
Die Reilinger Hopf GmbH fertig den neuen Umhang des Hockenheimer und Speyerer Nachtwächters nach historischem Schnittmuster
Seit über zwei Jahren ist der regionale Heimatforscher Otmar A. Geiger in der historischen Figur des Churfürstlich Privilegierten Burg- und Nachtwächter zu Wersawe vor allem in Hockenaw (Hockenheim) und zu Reutling (Reilingen) unterwegs. In dieser Zeit nahm das Interesse an den Ausflügen in die Zeit vor 250 Jahren ständig zu. Allein in den letzten zehn Wochen hatten sich 17 Gruppen von bis zu 30 Personen gemeldet. Überaus positiv, so Geiger im Gespräch mit unserer Zeitung, auch die Entwicklung bei den Rundgängen als Alt-Speyerer Nachtwächter. Die bisherigen öffentlichen Führungen waren stets gut besucht, die Nachfrage von Gruppen und Firmen nimmt immer weiter zu. „Wenn eine Gruppe mit dem Rundgang zufrieden war, spricht sich dies herum“, sieht er sein Konzept der Begegnung mit der Heimatgeschichte bestätigt.
Sorge bereitete dem studierten Wirtschaftshistoriker in den letzten Wochen aber die passende Kostümierung als Nachtwächter der einstmals Freien Reichsstadt Speyer. Nach den intensiven Archiv-Rechercheren wusste er zwar, wie sich seine „Kollegen“ früher kleideten, aber die passenden Utensilien zu finden, war dann doch nicht so ganz einfach. „Bei meiner Statur auch nicht verwunderlich“, schmunzelt Geiger, der im Internet zwar immer wieder auf Anbieter historischer Kleidung stieß, die dann aber so gut wie nie in seiner Größe zu bekommen war. „Und was Historienschneider für ihre Produkte verlangen, ist fast unbezahlbar“, erinnert sich der Freizeit-Nachtwächter, der die Erlöse und Spenden für seine Rundgänge immer dem Projekt Kindernotarztwagen Speyer-Hockenheim oder für die Schüler- und Jugendarbeit der Geschichtswerkstatt Hockenheim & Umgebung zur Verfügung stellt. „Ich will mit meinen Rundgängen als Nachtwächter nichts verdienen“, betont Otmar A. Geiger, dem es vor allem darum geht, das Interesse an der Heimatgeschichte durch eine lebendige Begegnung mit der Vergangenheit zu bereichern.
Um als Nachtwächter von Speyer – und auch als churpfälzischer Straßencommissär für die kommenden Rundgänge in Hockenheim – auch passend zur Zeit auftreten zu können, musste letztendlich nur noch der wallende Umgang gefunden werden. Geiger wollte schon kapitulieren als ihm der Zufall zu Hilfe kam. Bei einem Gespräch mit seinem langjährigen Freund Dieter Hopf, der in dritter Generation in Reilingen ein Familienunternehmen für Pietätsartikel führt, wurde die Ähnlichkeit der Mäntel von Friedhofsbediensteten und Nachtwächtern in der Zeit des Barock deutlich. Eigentlich kein Wunder, erfüllten beide Berufsgruppen doch wichtige Funktionen in den Städten und Dörfern – und griffen oft aus Sparsamkeit auf die gleiche Dienstkleidung zurück. Und tatsächlich: ein Besuch in der Näherei der Hopf GmbH überzeugte den Heimatforscher. „Da die Bekleidung für Personal auf Friedhöfen, Kirchen und Kapellen sehr traditionell ist, hat sich in den letzten 250 Jahren in Form und Material nur wenig geändert.“
Für Dieter Hopf keine Frage, dem Nachtwächter von Wersawe (Wersau) zu Reutling bei seinem Kleiderproblem zu helfen. Für die Frauen in der Schneiderei wurden die Anproben zu einem abwechslungsreichen Erlebnis in ihrem Berufsalltag. Vor allem als die zierliche, aus Vietnam stammende und inzwischen seit vielen Jahren bei der Hopf GmbH arbeitende Schneiderin Lan Phuong Braune bei diesem für sie exotischen Kunden Maß nahm, war überall im Raum ein Kichern zu hören.
Als jetzt Dieter Hopf den fertigen Umhang mit Pellerine und ein paar anderen Extras dem Nachtwächter für seine Rundgänge überreichte, war Otmar A. Geiger mehr als begeistert: „Dieser Umhang entspricht nahezu dem Original, wie es auf alten Darstellungen zu sehen war“, lobte der Heimatforscher die Arbeit der Hopf-Schneiderin, die für die Sonderanfertigung eigens ein schweres Wolltuch mit verfilztem Gewebe verwendete. Auch Dieter Hopf zeigte sich mit der Arbeit seiner Mitarbeiterin sehr zufrieden. „Wenn jetzt der Nachtwächter in seinen Kollegenkreises entsprechend Werbung macht, kann unserer Unternehmen vielleicht einen neuen Kundenkreis gewinnen“, schmunzelte der Firmenchef …