Literarische Vielfalt im Museumshof
08.07.06 (Reilingen)
Initiative „Dichten, Schreiben, Lesen“ zu Gast bei den „Freunden Reilinger Geschichte“ / Acht Autorinnen und Autoren entführen in die Welt der Phantasie, Dichtung und schriftstellerischer Freiheit / Regen lässt Besucher zusammenrücken
Wie vielfältig literarische Arbeiten von so genannten Freizeitautoren sein können, wurde anlässlich einer Veranstaltung der inzwischen in der ganzen Region beliebten Autorenserie „LeseZeit“ wieder einmal deutlich. Die Initiative „Dichten, Schreiben, Lesen“ im Rhein-Neckar-Kreis hatte gemeinsam mit den „Freunden Reilinger Geschichte“ anlässlich deren 25-jährigen Bestehens zu einer „LeseZeit im Museum“ eingeladen. Trotz einer langsam aufziehenden Gewitterfront waren über 100 interessierte Zuhörer aus Reilingen und Umgebung zum historischen „Löwen“ gekommen, um im idyllischen Museumshof und angrenzenden Löwengarten einen ganz besonderen Sommerabend zu erleben.
Die von den acht Autorinnen und Autoren ausgesuchten Stücke, Gedichte und Romanausschnitte waren vielschichtig und abwechslungsreich. Meist waren es Geschichten, die das Leben so schreibt: amüsant, kurios, nachdenklich, spannend oder auch wissenswert. Bereits in ihrer Begrüßung hatten die Sprecher der Initiative, die Reilingerin Sabine Petzold und Dr. Rolf Thum aus Hockenheim verdeutlicht, dass es das Ziel der Autorengruppe sei, mit eigenen Werke in die Welt der Phantasie, Dichtung und schriftstellerischer Freiheit zu entführen. Die vorgestellten Kurzgeschichten, Auszüge aus Romanen, Mundartgedichte oder ganz persönliche Empfindungen boten zudem die Gelegenheit, sich mit den unterschiedlichsten literarischen Arbeiten zu beschäftigen. Die ausgesuchten Stücke konnten zwar nicht immer alle Zuhörer gleichermaßen begeistern, machten in ihrer Gesamtheit aber dennoch deutlich, welches Potenzial und welche inhaltliche Qualitäten die „LeseZeit“-Autoren inzwischen bieten. Ob nun Zufall oder eine bewusste Entscheidung der Programmplaner, der Auftakt der Veranstaltung geriet für eine stimmungsvolle Sommernacht vielleicht zu düster, schwermütig oder gar besinnlich. Corinna Leyhs (Bruchsal) nachdenklich stimmende Geschichte „Denn wer vorm Tode Angst hast…“ war keine leicht verdauliche Kost, ebenso wenig wie die bewegenden Erinnerungen von Karin Ludwig (Hockenheim) an ihren an Krebs verstorbenen Vater. Zum ersten Mal mit dabei bei einer „LeseZeit“ die ebenfalls aus der Rennstadt stammende Andrea Ballreich. Sie hatte sich auf den langen Weg aufgemacht, die Heimat ihres ebenfalls verstorbenen Vaters für sich zu entdecken. Ihre „Spurensuche in der Batschka“ bot ein echtes Stück Zeitgeschichte, für das man sich aber auch Zeit nehmen musste, um die menschlichen Begegnungen nachzuvollziehen.
Der Auszug aus dem noch nicht veröffentlichten Kriminalroman „Das Grunzen der Schweine“ machte die Anwesenden neugierig auf das Erstlingswerk der Hockenheimerin Agnes Schindelar-Böhm, über das in der Pause dann auch ausgiebig diskutiert wurde.
Obwohl sich das Gewitter bereits über Reilingen befand und ein leichter Sommerregen einsetzte, wurde die „LeseZeit“ im Freien, jetzt mit leichten und beschwingten Texten fortgesetzt. Mit Toni Feller aus Weingarten erfuhr die Autorengruppe eine echte Verstärkung. Erstmals bei den badischen Kurpfälzern zu Gast erwies sich der Kriminalkommissar als ein echter „Profi“ für Gereimtes und andere Ungereimtheiten. Seine Gedichte in badischer Mundart wurden vom Publikum begeistert aufgenommen – ebenso wie die „Glocken von Speyer“, die der Heimatautor Otmar A. Geiger seiner typischen Art lebendig erklingen ließ.
Eine ganz besondere Geschichte aus dem örtlichen Gemeinderat hatte Sabine Petzold mitgebracht. Die Kurzgeschichte „Der Überzieher“ hatte bereits im Vorfeld der Veranstaltung für Neugierde gesorgt. Als sich dann am Ende ihres mit Spannung erwarteten Vortrags der Überzieher als der Mundschutz ihres Mikrofons am Ratstisch entpuppte, war das Gelächter groß und die Reilinger wieder einmal mit sich und der Welt zufrieden.
Für einen rundum gelungenen Abschluss der „LeseZeit“ im Reilinger Museumshof sorgte schließlich Edith Brünnler. Trotz des inzwischen richtig festen Landregens machte sich noch niemand auf den Weg nach Hause, denn jeder wollte dichtgedrängt unter den schützenden Sonnenschirmen stehend das Ende ihrer Satire „Gehet hin in Frieden!“ hören. Wieder einmal war der Ludwigshafenerin die literarische Gratwanderung zwischen Realsatire und Mundartgeschichte gelungen, der Beifall des Publikums war ihr am Ende der Veranstaltung so ebenso gewiss wie auch allen anderen Autorinnen und Autoren.
Während Otmar A. Geiger noch einmal mit barocken Gassenhauern von Mozart und Haydn seine Drehorgel zum Erklingen brachte, dankte Philipp Bickle als Vorsitzender der „Freunde Reilinger Geschichte“ der Initiative „Dichten, Schreiben, Lesen“ für einen ansprechenden Sommerabend, der nicht nur richtig zu den Jubiläumsfeierlichkeiten passte, sondern den Museumshof als Ort für kleinere Kulturveranstaltungen auch einen stimmungsvollen Einstand feiern ließ.