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Von der Rennstadt zur Geisterstadt

28.08.06 ("Hoggemer Perspektiven", * Lokalreporter-Archiv)

Hoggemer Perspektiven (5)

Nein! Nein! Nein! Was war doch früher in Hockenheim an den Rennwochenenden so alles los! Erinnern Sie sich noch? Es gab mal in der Rennstadt eine Zeit mit fünf, ja sechs Wochenenden, wo es draußen im Motodrom die damals sogenannten „großen Rennen“ gab. Alles begann mit dem legendären Jim-Clark-Rennen im April und endete meist im Oktober mit einem Sportwagen- oder Motorradrennen. Zu allen Rennen strömten die Besucher aus nah und fern, vor allem die Schweizer waren gern gesehene Gäste.
Sie brachten Geld in die Stadt, denn sie waren meist wohlhabende Rennsportfans, die nicht draußen im Wald campierten, sondern in den örtlichen Hotels und Pensionen. Und an den Abenden waren Hockenheims Gastwirtschaften gefüllt, meist sogar überfüllt. Die Hockenheimer blieben an diesen Abenden zu Hause, denn die Wirte hatten für diese Tage spezielle „Renn-Speisekarten“ mit höheren Preise als sonst. Alle Hände voll zu tun hatten aber auch die Bäcker, Metzger und Getränkehändler, denn viele Rennfans kamen bereits am frühen Morgen in die Stadt, um für den Tag, vor allem aber für die Nacht vor dem Rennen einzukaufen. Viele hatten ihre Stammgeschäfte, oft kannte man sich seit vielen Jahren. Hockenheim und die Rennsportfans bildeten also über viele Jahre hinweg eine Einheit: Das Motodrom bot Motorsport, die Stadt und ihre Bürger verdienten mit ihren Dienstleistungen gutes Geld.
Dies alles änderte sich, als erstmals Kritik an der Rennsportanlage laut wurde. Es waren vor allem neu zugezogene Bürger, die mit dem traditionellen Treiben eigentlich nichts anfangen konnten, sich in ihrem Leben durch die Rennbesucher und deren umtriebiges Lagerleben teilweise massiv gestört fühlten. Die Proteste wurden immer lauter, im Hockenheimer Rathaus begann man zu reagieren. Die ersten Zäune wurden im Gemeindewald rund um die gewohnten Lagerplätze gezogen, Torwachen kontrollierten das Rein- und Rausfahren der Camper.
Zeitgleich war in der Gastronomie eine eigentlich unverständliche Entwicklung zu beobachten: immer mehr Wirte schlossen gerade an den Rennwochenenden ihre Lokale. Der Aufwand und der Ärger sei immer größer geworden, so ein früherer Hockenheimer Gastronom. Die Folge: Die Rennbesucher standen plötzlich vor geschlossenen Wirtshäusern.
Mit immer neuen Überlegungen zur innerstädtischen Verkehrsberuhigungen überraschten die Kommunalpolitiker die Rennstädter – und damit vor allem all die Wählerstimmen, die sich kritisch zum Motodrom äußerten. Die Tendenz war schnell zu erkennen und wurde damals von Politik und Bürgerschaft begrüßt: Raus mit den störenden Rennfans aus der Stadt, was braucht eine Rennstadt auch so unnötiges Volk, das nur Arbeit und Ungemach mit sich bringt!
Endlich wieder Ruhe in der Stadt, vorbei die Zeit, als an Renn-Samstagen in Hockenheim ein wildes Durcheinander von Autoverkehr und einkaufenden Rennfans herrschte. Weithin schien man die Rennstädter aufatmen zu hören, man war mit der örtlichen Politik zufrieden.
Nicht so die Rennfans! Zunächst überrascht von dem Wandel in der Stadt blieb man immer öfter unter sich, das Leben fand jetzt draußen auf den Campingplätzen im Wald statt. Und da man wandlungsfähig war und wusste, dass das Einkaufen in Hockenheim immer schwieriger werden würde, sorgte man vor: die ersten Rennbesucher brachten in ihren Kühltaschen Steaks und Bratwürste mit, Brot und Brötchen sowieso und auch für ein paar Kisten Bier gab es im Auto für die Fahrt zum Rennen noch Platz. Warum sollte man auch die überteuerten Getränke und Speisen rund um das Motodrom kaufen? Während also draußen im Wald und auf den Campingplätzen die Rennfans ein großes Fest feierten, war Hockenheims Innenstadt auf dem Weg zur Geisterstadt. Schon tagsüber recht wenig los, hätten an den Rennwochenenden jetzt beinahe die Gehwege hochgeklappt und die Zebrastreifen eingerollt werden können. Hockenheim hatte sich ins rennbesucherliche Abseits bugsiert. Ein Witz aus der damaligen Zeit machte die Situation mehr als deutlich: „Wo ist noch weniger los als auf dem Friedhof von New York?“ – „In Hoggene, wenn Rennen sind …“ Otmar A. Geiger
Aber dies sollte noch nicht alles ein: In der nächsten Ausgabe der HOCKENHEIMER WOCHE lesen Sie, wie es mit der innerstädtischen Entwicklung der Rennstadt zur Schattenstadt weiterging, wie so manche Geschäftsidee örtlicher Vereine und von Anwohnern durch die Ring GmbH vermiest, und im Gemeinderat weiter am „Raus-Konzept“ gearbeitet wurde …

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