Die Stadtbibliothek wurde zum Wohnzimmer
26.10.06 (Hockenheim)
Erste „Lange Nacht der Bibliothek“ / Autorengruppe „LeseZeit“ zu Gast / Besucher fühlten sich wohl
Was Museen können, sollte doch auch bei Bibliotheken möglich sein, dachte sich Dieter Reif und lud am Dienstagabend zur ersten „Hockenheimer Nacht der Bibliothek“ ein. Die bis Mitternacht verlängerte Öffnungszeit bot dann auch vielen interessierten Besuchern, Bücher- und Literaturfreunden die Möglichkeit, sich einmal ohne Hektik mit dem vielseitigen Angebot der Stadtbibliothek zu beschäftigen. Und in der Tat war es dann auch ein Vergnügen, in Romanen zu schmökern, in Gedanken mit prächtigen Bildbänden auf ferne Reisen zu gehen, oder in einem schon lange gesuchten Fachbuch zu blättern. Gerne genutzt wurde aber auch das vielfältige Angebot von digitalen Medien, mehr noch aber luden die vielen aktuellen Zeitungen, Illustrierten, Zeitschriften und Magazine zum lesen ein.
Die Besucher fühlten sich ob der besonderen abendlichen Atmosphäre fast wie zu Hause in ihrem Wohnzimmer. Es fehlte nämlich an nichts, denn das Team der Stadtbibliothek hatte sich gut auf den Abend und die lange Nacht vorbereitet. Frischer Kaffee, ein gutes Glas Rotwein oder auch eine kühlende Erfrischung wurden ebenso angeboten wie verschiedene Kuchen oder auch frisch gebackene Brezel. Und da es an gemütlichen Sitzgelegenheiten nicht mangelte, ging es an diesem Abend im Hockenheimer Literaturtempel leger und fröhlich zu. Während die einen sich lieber in eine ruhige Ecke zurückzogen oder auch das intensive Gespräch gerade über aktuelle Bücher suchten, nutzen andere wiederum das Angebot der inzwischen überregional bekannten Autorengruppe „LeseZeit“, sich mit verschiedenen Texten auseinanderzusetzen.
Zunächst las Karin Ludwig (Hockenheim) Passagen aus ihrem Debüt-Roman „Tschüss derweil“ – ein sensibler Beitrag für all diejenigen, die in ihrer Trauer und ihrem Schmerz verstanden werden möchten.
Einen Blick in die unbekannte Welt der Jenische, einem in Deutschland lebenden Volksstamm, dessen Angehörige teilweise noch immer wie vor Jahrhunderten ein nomadisierendes Leben führen, bot Tanja Bodenstein aus dem pfälzischen Landau. Und eben an dieses reisende Volk erinnerte auch die Neulußheimerin Helga Röder. Sie schilderte die erste Begegnung mit den „weißen Zigeunern“ auf einem Bauernhof im alten Hockenheim, eine interessante Geschichte, die neugierig auf das Volk der Jenischen machte.
Mit dabei an diesem Abend auch der Hockenheimer Rolf Thum, der einen Ausschnitt aus seinem absurden Science Fiction-Roman „Eine verrückte Weltraumreise“ zum Vergnügen der Zuhörer zum Besten gab. Köstlich und humorvoll die Erlebnisse der von Aliens entführten Hockenheimer Metzgerswitwe Frau Knippersbisch beim Backen von Springerle irgendwo in den fernen Weiten des Weltalls.
Viel Vergnügen hatte man aber auch an der wirren Geschichte des Psychiaters Dr. Hilfreich der Hockenheimer Autorin Marlene Klaus, der von Kobolden und Wichtel in seinem Wartezimmer belästigt wurde – was die dort sitzenden Patienten nur noch mehr verwirrte. Und was so alles passieren kann, wenn eine Frau auf Männersuche ist und dabei auf das „Phänomen Glück“ stößt, brachte Agnes Schindelar-Böhm (Hockenheim) in der Stadtbibliothek erstmals zum Vortrag.
Der als „Reilinger Urgestein“ angekündigte Heimatautor Otmar A. Geiger sorgte einmal mehr mit seinen „Nachtwächtereien“ für Schmunzeln und entlockte zum musikalischen Zwischenspiel seiner Bauchorgel selten gehörte barocke Töne.
Alles in allem erlebten die Bücher- und Literaturfreunde einen abwechslungsreichen Abend, der zugleich Dieter Reif, dem Leiter der Stadtbibliothek, Mut gemacht haben dürfte, bald wieder einmal eine „Nacht der Bibliothek“ anzubieten.