* Schrecksekunde beim Bau des Wassertunnels
17.06.07 (Hockenheim, Reilingen)
Die Bohrarbeiten zur Unterquerung von Bahntrasse und B 36 haben begonnen / Ringwasserleitung nach fast fünf Jahren Bau- und Wartezeit vor der Vollendung / Stahlplatte sorgt für Aufregung / Tunnelbauspezialisten am Werk
Die Mienen der Männer rund um die Baugrube im Hockenheimer Gartenschaupark sind angespannt. Direkt an der Lärmschutzwand zur Rheintalstrecke der Deutschen Bahn, nur weniger Meter neben der Fußgänger- und Radfahrerbrücke hinüber zum Altwingertweg soll in wenigen Augenblicken mit den Bohrarbeiten für einen rund 150 Meter langen und 1,1 Meter breiten Kanaltunnel begonnen werden. Vor fast fünf Jahren war man hier bereits schon einmal gestanden, um dann aber mitzuerleben, wie nach wenigen Metern der Bohrvorgang zum Stocken kam und die Arbeiten für die neue Ringleitung der Hockenheimer Wasserversorgung abgebrochen werden mussten. Der Bohrkopf blieb damals stecken und seitdem wurde die Baustelle zu einer schier unendlichen Geschichte für den Wasserzweckverband Südkreis Mannheim mit Sitz in Reilingen. Kein Wunder also, dass unter den angestrengt blickenden Männern an diesem Vormittag auch der Verbandsvorsitzende, Reilingens Bürgermeister Walter Klein, und der Verbandswassermeister Wolfgang Schweikert sind.
Im mit modernster Technik ausgestatteten Leitstand beobachtet Bauleiter Christian Trittenbach wie Maschinenführer H. Glase die Tunnelvortriebsmaschine anfährt. Ein leises Brummen ist aus sieben Meter Tiefe zu vernehmen, der Bohrkopf frisst sich in die ersten Zentimeter Erdreich. Es geht langsam voran, denn noch müssen etwa 20 Zentimetern Betonwand durchfräst werden. Dann vorbei an der letzten Spundwand, die zuvor die Baugrube vor dem hoch stehenden Grundwasser sicherte (wir berichteten), sich dann aber, warum auch immer, nicht mehr herausziehen ließ. Es ist genau dieses Hindernis, was den Ingenieuren und Bautechnikern sorgen bereitet. Alle hoffen, dass der Bohrkopf, wenn auch nur wenige Millimeter, an diesem wuchtigen Stahlstück vorbeifährt. „Jetzt läuft’s“, atmet Walter Klein auf, seine Miene entspannt sich zusehends. Und in der Tat: das gewaltige Ungetüm von Bohrmaschine verschwindet Zentimeter für Zentimeter in Richtung Bahntrasse und B 36, der Bohrvorgang hat begonnen. Die Umstehenden, aber auch einige neugierige Zuschauer auf der Brücke, warten jetzt darauf, dass das erste Tunnelelement an den Bohrkopf angeschlossen werden kann. Es sind etwa 20 Zentimeter gebohrt, als plötzlich eine Erschütterung durch die Maschine geht, ein Knirschen aus der Tiefe zu vernehmen ist. Der Klang macht selbst einem Laien deutlich, dass da etwas nicht stimmen kann. Das Gesicht des verantwortlichen Projektplaners Georg Veltens spricht Bände, es wirkt versteinert. Aufgeregt laufen die Bauspezialisten zur noch tief im Erdreich steckenden Spundwand, fühlen an ihr eine deutliche Vipration. „Sch…!“ Die Einschätzung ist klar und deutlich mit diesem einen Wort zusammengefasst. Der Bohrkopf hängt an der Stahlplatte, kommt nicht mehr weiter. Erinnerungen an den ersten Bohrversuch werden wach, Bürgermeister Walter Klein und sein Wassermeister ringen nach Fassung.
Dicht gedrängt umstehen die Anwesenden inzwischen die Auswurfstelle des mit Wasser aus dem Boden herausgeförderten Materials. Sauber getrennt häufen sich hier Sand und Kies – und mittendrin immer wieder silbrig glänzende Metallstücke, Teile der Spundwand. „Wenn wir sie nur am Rand streifen, dann haben wir Glück“, gibt sich Fachingenieur Martin Brand optimistisch. Und sie haben an diesem Tag das Glück der schier Hoffnungslosen auf ihrer Seite. Nach schier unendlich langen zwei Stunden macht ein Knirschen deutlich, was sich alle erhofft haben. „Wir sind durch“, ruft ein freudenstrahlender Projektleiter. Dennoch ist der Jubel mehr als verhalten, denn keiner der Anwesenden weiß, was sich auf den letzten 150 Metern noch so alles vor dem Bohrkopf auftürmen kann. „Eigentlich dürfte jetzt nichts mehr im Weg liegen, die Voruntersuchen lassen jedenfalls kein besonderes Hindernis befürchten.“ Selbst riesige Steine oder gar eiszeitliche Findlinge sollten für den Spezialbohrer der Tunnelvortriebsmaschine kein Hindernis mehr werden können. Selbst nach möglichen Fliegerbomben oder ähnlichen Überresten aus dem zweiten Weltkrieg hatte man zuvor das Gelände sondiert.
Zentimeter für Zentimeter frisst sich inzwischen die neue Wasserleitung unter der Bahntrasse hindurch. Zwei Experten eines DB-Überwachungstrupps beobachten die Bohrarbeiten mit Argusaugen. Sollten sich die Schienen der Rheintalbahn, schlimmer noch der ICE-Strecke auch nur um wenige Millimeter absenken oder verschieben, muss nämlich sofort gehandelt werden. Dieser „schlimmste Fall“ wird zwar nicht erwartet, aber dennoch steht jetzt rund um die Uhr ein Gleisbautrupp der Deutschen Bahn auf Abruf bereit.
Da Tag und Nacht gearbeitet werden kann, hoffen die Tunnelbauexperten, dass der computer- und lasergesteuerte Bohrkopf mit einer Toleranz von zwei Zentimetern spätestens am kommenden Freitag auf die Zielbaugrube am Ende des Altwingertweges direkt an der Lärmschutzwand zur B 36 treffen wird.
Dass sich aber auch Experten täuschen können. ist dieses Mal positiv zu vermerken. Viel schneller als zunächst erwartet sind inzwischen fast zwei Drittel des Tunnelbaus fertig, die Bahntrasse längst unterquert. „Damit haben wir den schwierigsten Abschnitt hinter uns“, zeigte sich Bürgermeister Walter Klein gestern im Gespräch mit unserer Zeitung zuversichtlich und sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Bohrarbeiten. Jetzt bleibt es nur noch spannend, ob auch der Tunnel, wie berechnet, genau in die Zielbaugrube ankommen wird. Am heutigen Mittwoch soll jedenfalls der Moment sein, dass der Bohrkopf die Grubenwand durchstoßen wird. Die Baugrube am Ende des Altwingertweges wird sich dann sofort mit Grundwasser füllen, so dass Arbeitstaucher den Bohrkopf bergen müssen. Walter Klein: „Was dann kommt, ist nur noch das Verlegen des Wasserrohres und das Befüllen des Hohlraumes mit einer Betonmasse. Dann ist auch das letzte Stück der zweiten Wasserversorgung nach Hockenheim fertiggestellt, der Bau der Ringleitung nach fast fünf Jahren beendet.“ (og)