* Wachsendes Interesse am grünen Spargel
14.05.09 (Reilingen)
Grüner Spargel wird nun auch in Reilingen angebaut / Feinschmecker freuen sich über die Vielfalt heimischer Ernte / Karl Riedel legt als erster einen Grün-Spargel-Acker an
Lange Zeit galt der grüne Spargel als schier ungenießbar, zumindest in der Kurpfalz und entlang der Badischen Spargelstraße konnte sich so gut wie niemand so richtig vorstellen, dieses Gemüse in der Spargelzeit als regionale Spezialität zu servieren. Ganz nach dem Motto „Was der Bauer nicht kennt, das isst er auch nicht“ wurden diese Stangen entweder untergepflügt oder dem Vieh als Futterzusatz mit in den Trog geworfen. Grüner Spargel galt zudem über Jahrzehnte hinweg als deutlicher Hinweis auf einen faulen Spargelbauer, der seiner morgend- und abendlichen Ernte, also dem Spargelstechen, nicht nachkam.
Wie so vieles hat sich in den letzten Jahren auch der Feinschmeckergeschmack gewandelt. Ob der vielen Kochsendungen und Küchenshows in Rundfunk und Fernsehen, aber auch vieler Artikel in Lifestyle-Magazinen und Illustrierten wurde scheinbar über Nacht auch an Rhein und Neckar der grüne Spargel zu einer lukullischen Delikatesse. Obwohl dank der Globalisierung diese Spargelart längst im Handel angeboten wurde, nahm die Nachfrage nach grünem Spargel aus heimischer Ernte ständig zu.
Als erster Erzeuger der Region hat der Reilinger Spargelbauer Karl Riedel auf diese Entwicklung reagiert und vor zwei Jahren einen Acker mit grünem Spargel angelegt. Im Gegensatz zum weißen oder violetten Bleichspargel wächst der Grünspargel über der Erde, ist also bei der Ernte nicht mit Boden bedeckt. Daher genießt er das Sonnenlicht und wird schließlich dank des in ihm enthaltenen Chlorophyll grün.
„Der wesentliche Unterschied zwischen grünem und weißem Spargel ist tatsächlich die Anbaumethode“, macht auch Peter Geng, der Vorsitzende des Förderkreises Spargelbau im Rhein-Neckar-Kreis, im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich. Ohne die angehäufelten Dämme könnte zwar auch weißer Spargel als Grünspargel geerntet werden. „Allerdings sind die Stangen dann vor dem Kochen teilweise violett gefärbt – und damit im Sinne der Nachfrage durch die Verbraucher nicht handelbar.“ Um diese natürliche Verfärbung zu vermeiden, würden für Grünspargel zunehmend andere Züchtungen, Sorten ohne Anthocyan, angebaut, so der Reilinger Diplom-Agraringenieur, der aus einer alten Landwirtsfamilie stammt und seit vielen Jahren in seiner Heimatgemeinde den Seehof bewirtschaftet.
Dass das wachsende Interesse am grünen Spargel auch in der Gastronomie zu spüren ist, bestätigt Andrea Evans vom „Löwen“. Die Küchenchefin des historischen Landgasthauses am Ortsrand der Spargelgemeinde hat inzwischen wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen auf diesen Trend der Zeit reagiert und bietet auf der saisonalen Speisekarte verschiedene Gerichte mit den unterschiedlichen Spargelarten. Und dass ein leckerer Spargelsalat à la Europa auch ein Beweis für den Partnerschaftsgedanken der Gemeinde Reilingen sein könnte, wird dem Genießer bewusst, wenn er auf dem Teller neben dem einheimischen weißen und grünen Spargel auch den rosa Spargel aus der italienischen Partnergemeinde Mezzago oder die violette Version aus dem französischen Jargeau entdeckt.
Wie vielfältig der Spargel genutzt werden kann, beweist seit einigen Jahren der Reilinger Bäckermeister Jürgen Schieck. Auf Anregung von Heimatforscher Otmar Geiger, der bei seinen Archivarbeiten auf ein längst vergessenes Rezept für ein Spargelbrot gestoßen war, gibt es beim Kreuzbäcker seitdem das Original Reilinger Spargelbrot: Eine herzhafte Delikatesse, die selbst ohne irgend ein Belag allein mit einem Glas Wein dem Feinschmecker ganz hervorragend mundet.
Für den Spargelerzeuger Karl Riedel hat sich das Wagnis gelohnt, im Reilinger Sand auf einen Acker von rund 10 Ar den grünen Spargel anzubauen. Im dritten Jahr des Anbaus ist die Erntemenge zwar noch nicht so groß, aber sie deckt die Nachfrage gerade so ab. Ab dem vierten Jahr, wenn der Spargelacker quasi „erwachsen“ ist, wird es für die Gourmets in der Kurpfalz dann genügend einheimischen grünen Spargel geben. Und wie verschieden die Geschmäcker sind, wird beim Besuch im Hofladen deutlich: Während Iris Riedel einer vom grünen Spargel begeisterten Kundin die frisch geernteten Stangen auf die Waage legt, schüttelt eine andere den Kopf: „Grüner Spargel? Nie wieder!“ Es gehe halt nichts über ein „Schbargelgmies mit broade Nudeln!“. Diese Spezialität der alteingesessenen Reilinger kann die andere wiederum nicht nachvollziehen und rät zu einem gebratenen grünen Spargel – oder ein Spargelrisotto. Karl Riedel hört lächelnd zu, kann er doch inzwischen für beide Geschmäcker das passende Grundprodukt aus heimischer Ernte liefern: Den trendigen grünen Spargel und die klassische Version des weißen Spargels.
* Von den Inhaltsstoffen her übertrifft der grüne den weißen Spargel. Durch das Chlorophyll enthält er nämlich mehr Vitamin C und Karotin.
* Grünspargel hat einen etwas anderen Geschmack (etwas herzhafter) und muss fast nicht geschält werden (nur das untere Drittel).
* Die Kochzeit ist beim grünen Spargel deutlich kürzer. Grünspargel eignet sich für fast alle Gerichte, die auch für weißen Spargel gelten.
* Der grüne Spargel ist erzeugerfreundlich, denn die Pflanzen müssen nur alle zwei Tage geerntet werden.
* Weitere Informationen zum Spargelanbau rund um Reilingen unter www.kurpfalz-spargel.de