Kurpfalz Regional Archiv

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Stadtarchiv und Ratskanzlei in der reichsstädtischen Zeit

07.01.14 (Museen & Archive)

Aus den Anfängen des Stadtarchivs Speyer / Die Speyerer Ratsverordnung vom 15. Dezember 1332
Wir sind über die Verwahrung der für die Reichsstadt Speyer wichtigen Urkunden vergleichsweise gut unterrichtet. Bereits in der Ratsverordnung vom Dezember 1332 wird berichtet, dass drei Ratsherren einen Schlüssel zu den in einer Truhe liegenden Privilegienurkunden und zum großen Stadtsiegel besaßen. Es wurde festgelegt, dass nach der Entnahme von Urkunden diese innerhalb von zwei Tagen wieder in die Lade zurückgelegt werden sollten. Im 14. Jahrhundert, also zur Zeit der genannten Ratsverordnung, umfasste das Archiv der Stadt neben einer ganzen Reihe von Urkunden auch bereits erste Verwaltungsbücher (Amtsbücher), denen wenige Jahrzehnte später geschlossene Reihen von Amtsbüchern und Akten folgten. Für die Stadt hatte eine geordnete Schriftgutverwaltung und Archivierung auch eine erhebliche rechtlich-politische Bedeutung.
Die Verwahrung der städtischen Privilegien und Archivalien erfolgte in einem mehrfach imMittelalter erwähnten „Gewelbe“ des Rathauses. Für die wertvollsten Stücke war eine „Rote Lade“ reserviert, zu deren Obhut im Jahr 1487 eine eigene Ratskommission eingesetzt wurde. Von einer Neuordnung der städtischen Urkunden in Laden wird schließlich im Jahr 1452 gesprochen. Bereits viele Jahrzehnte früher (1349) war das Urkundenarchiv der Speyerer Münzer und Hausgenossen nach deren „Entmachtung“ an den von den Zünften beherrschten Rat abgegeben worden. Über die Unterbringung dieses patrizischen Sonderarchivs berichtet auch eine undatierte Notiz im städtischen Ratsbuch (seit 1347). Danach wurden die Urkunden in eine Truhe im Gewölbe des Ratshofes transportiert. Diese war mit sechs Schlössern versehen, konnte also nur bei Anwesenheit von sechs Ratsherren geöffnet werden.
Das älteste, sehr voluminöse Verzeichnis (Repertorium) des Archivs aus dem Jahr 1579 zeigt, dass der Urkundenbestand in „Laden“ unterteilt war, die jeweils fortlaufend mit Buchstaben untergliedert waren (A bis Z und AA bis RR). Jede dieser Laden umfasste bestimmte Sachgruppen. Mit Archiv und Registratur dürften in derRegel die städtischen Ratskonsulenten und Stadtschreiber sowie deren Gehilfen betrautgewesen sein. Die enge Verzahnung des Archivs mit der Ratskanzlei wird vielfach in den im heutigen Stadtarchiv verwahrten Akten und Amtsbüchern deutlich.
Zu den wichtigsten internen Hilfsmitteln der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kanzlei zählten die Formel- oder Formularbücher (später auch als Titulaturbücher bezeichnet). Es handelt sich um Textsammlungen für verschiedene Schreibzwecke und Urkunden. Als Vorlage dienten eigene oder empfangene Schreiben, während im Fall der Titulaturbücher spezielle Textelemente im Vordergrund standen: insbesondere die Wahl der richtigen Anrede/Titulaturen konnte von politischer Tragweite sein und galt als Wissenschaftfür sich! Vorhanden ist ein noch im späten Mittelalter begonnenes Formelbuch der Speyerer Ratskanzlei und ein Speyerer Titulaturbuch aus dem 18. Jahrhundert. Aufgeschlagen sind beim Formelbuch Schreiben bzw. Anreden für kleine Städte und „Flecken“ bzw. Dörfer und Schreiben an Zöllner (in Udenheim). Im Fall des Titulaturbuchs wird die für das Reichsoberhaupt (den Kaiser) zu gebrauchende Titulatur gezeigt. Sie beginnt mit: „Dem allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten und unüberwindlichsten fürsten und herrn …“.
Für die wertvollsten Urkunden im Stadtarchiv war eine „Rote Lade“ reserviert, die bereits im späten Mittelalter erwähnt wird. Für die „Rote Lade“ wurde im Jahr 1487 eigens eine Ratskommission eingesetzt. In dieser Lade wurden die für die Reichsstadt grundlegenden Privilegien der deutschen Kaiser und Könige verwahrt. Die Lade kann mit Fug und Recht als Prachtstück der Speyerer Handwerkskunst (um 1720) beurteilt werden. Besonders hervorzuheben ist der ausgefeilte Schließmechanismus.
Die Besetzung der Stadt Speyer im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch französische Truppen und der verheerende Stadtbrand des Jahres 1689 bildeten eine Zäsur in der Geschichte der Stadt. Die Ereignisse gingen auch am städtischen Archiv nicht spurlos vorüber: Auf Befehl der Franzosen wurden erhebliche Teile des Stadtarchivs beschlagnahmt und nach Straßburg transportiert. Diese Fortführung des Archivs in französischen Gewahrsam war zugleich seine Rettung, denn die in Speyer verbliebenen Reste des Archivs wurden (weitgehend?) ein Opfer des Stadtbrands. Der Umfang dieser Verluste ist schwer abzuschätzen; sie scheinen allerdings nicht sehr umfangreich gewesen zu sein. Die Rückkehr des Stadtarchivs nach Speyer – insgesamt waren es 142 Kästen – erfolgte im Jahr 1698. Der Speyerer Stadtrat übertrug die Aufgabe der Abholung dem Stadtschreiber Johann Wachlatz. Die schriftliche Vollmacht spricht von „unser[em] gesamte[m] stattarchiv, protocolla und andere[n] schriftliche[n] documenten“.
Im 1726 eingeweihten neuen Rathaus fand auch das Archiv der Stadt eine neue Bleibe. Die Archivalien wurden im Erdgeschoss in einem eigenen Archivraum untergebracht. Die Aufbewahrung erfolgte in Wandschränken in transportablen (und damit „flüchtbaren“) Archivladen. Der historische Archivraum dient heute der Stadt Speyer als Trausaal. Die bis heute erhaltene Einrichtung gibt einen sehr guten Eindruck davon, wie man sich eine reichsstädtische Archiveinrichtung im 18. Jahrhundert vorzustellen hat. Der historische Archivraum wurde (mit längeren Unterbrechungen) bis in die 1990er Jahre vom Stadtarchiv Speyer als Lesesaal genutzt.
Mit dem Ende der Napoleonischen Zeit fielen größere linksrheinische Gebietsteile (weitgehend identisch mit der heutigen Pfalz) an Bayern. Speyer wurde in der Folge Sitz der Regierung des bayerischen Rheinkreises und gleichsam Hauptstadt der Rheinpfalz. Die Geschichte des Stadtarchivs war seitdem eng verbunden mit dem neu errichteten Kreisarchiv, dem späteren Staatsarchiv (seit 1921) und heutigen Landesarchiv Speyer. Die zumeist nur nebenamtliche Betreuung des Archivs brachte nicht nur Vorteile, sondern schränkte auch das eigenständige Wachstum dieser städtischen Einrichtung ein. Bereits der Kreisarchivar Peter Gayer sorgte um 1833/1834 für eine (aus heutiger Sicht aber unzureichende) Verzeichnung der reichsstädtischen Archivalien und ließ die Archivalien wieder aus dem Speicher des Rathauses in den Archivraum bringen.
Peter Gayer (1793-1836) amtierte von 1820 bis 1836 als Vorstand des Speyerer Kreisarchivs. Gayer, im Kreisarchiv wegweisend durch die Erarbeitung zahlreicher grundlegender Findmittel, hatte auch als Künstler bzw. Zeichner historischer Gebäude und Örtlichkeiten einiges Talent. Seine Zeichnungen befinden sich heute im Historischen Museum der Pfalz in Speyer.
Seit dem Jahr 1892 wurde das Stadtarchiv durchgehend von Beamten des bayerischen Kreisarchivs Speyer betreut. Diese waren in der Regel nur nebenamtlich tätig, entfalteten aber teils erhebliche Aktivitäten für das Stadtarchiv. Eine beachtliche berufliche Karriere beschritt beispielsweise Otto Riedner. Der aus Unterfranken stammende Riedner kam 1906 direkt nach der in München absolvierten Archivprüfung nach Speyer, wo er auch das Stadtarchiv mitbetreute und für etliche interne Verbesserungen sorgte. Riedner, der schon 1908 nach München zurückkehrte, wurde 1923 Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns. Mit Albert Pfeiffer wurde ein gebürtiger Südpfälzer sein Nachfolger. Pfeiffer, der einer politisch wie kulturell stark engagierten Familie entstammte, leitete das Archiv der Stadt Speyer im Nebenamt bis zu seinem Tod Ende 1948. Auf Pfeiffer folgte (bis 1963) als letzter nebenamtlicher Stadtarchivar Ludwig Anton Doll (1919-2009).
Albert Pfeiffer sorgte mit seinem gedruckten Tätigkeitsbericht „Das Archiv der Stadt Speyer“ für eine umfangreichere Darstellung der Geschichte des Archivs. Neben der Archivgeschichte thematisierte Pfeiffer besonders die jüngste Vergangenheit und unmittelbare Gegenwart. Dies macht die Schrift Pfeiffers zu einem wichtigen Zeitdokument. Das Archiv konnte unter der Ägide Pfeiffers 1909 in neue Räumlichkeiten rechts vom Rathauseingang umziehen. Pfeiffer erinnerte in seinem Tätigkeitsbericht auch an das Salierjahr 1911 (als „Gedenktag von höchster Wichtigkeit“). Doch zeigt sich rückblickend, dass die Stadt damals trotz einiger mahnender Stimmen dem Jubiläum wenig abgewinnen konnte.
Als im Verlauf des Zweiten Weltkriegs die Luftangriffe auf deutsche Städte zunahmen, wurden die Urkunden und andere Bestände des Stadtarchivs ausgelagert. Als Depot wurde die Seyssel-Kaserne im nahen Germersheim gewählt, die als bombensicher galt. Dorthin gelangten auch die Bestände anderer pfälzischer Museen, Bibliotheken und Archive. Sie überstanden dort den Krieg unbeschadet, doch kam es bei Kriegsende vor allem bei den eingelagerten Sammlungsstücken des Historischen Museums der Pfalz durch Plünderungen zu größeren Verlusten. Auch das Stadtarchiv Speyer hatte bei seinem Urkundenbestand „gewisse“ Verluste zu beklagen.
Bis Mitte der 1990er Jahre war das Stadtarchiv im Rathaus untergebracht. Die räumlichen Verhältnisse waren alles in allem beengt und für ein modernes Archiv auf Dauer ungeeignet. Als Benutzerraum diente der historische Archivraum. Zu Beginn der 1990er Jahre war auch die Kapazität der Magazinräume erschöpft. Aufgrund der räumlichen Verhältnisse war Mitte der 1990er Jahre ein Umzug desStadtarchivs unumgänglich. Als geeignet erwies sich das ehemalige Gebäude der Pfälzischen Landesbibliothek in der Johannesstraße 22a (zuvor Tabakfabrik Wellensiek & Schalk). Der Gebäudekomplex wurde teilweise für das Archiv umgebaut. Neben einem großen öffentlichen Bereich (Lesesaal) erhielt das Archiv auch zwei große Magazine sowie Büroräume.

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