Kurpfalz Regional Archiv

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Das Kriegsende in Mannheim aus amerikanischer Sicht

29.03.98 (Städte & Gemeinden)

Die Übergabe Mannheims an die US-Streitkräfte wurde von einem Regimentsschreiber minutiös festgehalten. Dieses Zeugnis der Geschichte, das die Erinnerungen des Mannheimers Nikolaus Quintus ergänzt, wurde 1996 im US Militärarchiv in Washington nach intensiven Recherchen des Mannheimer Stadtarchivs wiederentdeckt.
„Am 28. März 1945 bezog das Bataillon auf Befehl der zur 44. Infanterie Division gehörigen Artillerie, der es als Verstärkung
angegliedert war, seine neue Stellung in der Nähe der Wasserwerke 2 der Stadt Mannheim. Die Kommandozentrale wurde im Hauptgebäude der Wasserwerke eingerichtet, der Feuerleitstand im Hauptbüro des Gebäudes.
Kurz nach der Ankunft läutete eines der zivilen Telefone im Feuerleitstand. Ein ziviler Angestellter der Wasserwerke, der das
Telefon abheben wollte, wurde zunächst von einem deutsch sprechenden Soldaten des Bataillons befragt. Der Angestellte namens Friedmann erklärte, das Telefon sei eine Direktleitung zum Verwaltungsgebäude der Strom , Gas  und Wasserwerke von Mannheim. Man ließ das Gespräch annehmen, wobei der deutschsprachige Soldat aus Sicherheitsgründen mithörte. Dies geschah um 11.30 Uhr.
Die Unterredung hatte folgenden Inhalt: Der Leiter der Elektrizitätswerke Mannheim, Paul Quintus, gab zu verstehen, er wisse,
daß die Amerikaner die Wasserwerke besetzt und die Stadt praktisch umzingelt hätten. Er zeigte sich besorgt über die ständigen Einschläge amerikanischer Granaten in der Oststadt und wies Friedmann an, den Amerikanern mitzuteilen, daß dort keine deutschen Streitkräfte lagerten und daß die Oststadt sofort eingenommen werden könne. Diese Information wurde an den Kommandeur der Artillerie Einheit weitergegeben.
Gegen 12.30 Uhr erging Weisung vom kommandierenden General der 44. Division, Friedmann solle Quintus in Mannheim anrufen und ihm ausrichten, wenn die Mannheimer Bevölkerung die Stadtteile westlich des Neckars und nordöstlich der Bahnlinie übergeben und den sicheren Einzug amerikanischer Truppen in die Stadt garantieren wolle, dann solle sie einen Unterhändler mit einer weißen Flagge zur Friedrichsbrücke schicken. Diese Bedingungen wurden von Friedmann an Quintus durchgegeben.
Um 16.45 rief Quintus an und teilte mit, daß nach seinen Erkenntnissen keine deutschen Soldaten mehr in der Stadt seien. Er bat um Einstellung des Artilleriefeuers, damit er Kundschafter ausschicken könne, die diese Angaben überprüfen. Wenn dann wirklich keine deutschen Soldaten mehr in der Stadt sein sollten, würde er selbst um 18 Uhr mit einer weißen Flagge zur Friedrichsbrücke kommen, um die Stadt zu übergeben.
Gegen 17.30 Uhr läutete das Teelfon erneut. Quintus ließ wissen, daß sich noch etwa 100 deutsche Soldaten unter dem Kommando eines Hauptmannes in der Stadt befänden. Er gab die Position des deutschen Kommandopostens durch und erklärte, daß er zu diesem Zeitpunkt nicht für den sicheren Einzug amerikanischer Truppen in die Stadt garantieren könne. Er wolle jedoch einen Abgesandten zu dem deutschen Hauptmann schicken und ihn bitten, seine Einheit aus der Stadt abzuziehen. Quintus versprach wieder anzurufen, sobald er das Ergebnis dieser Unterredung wisse.
Um 18 Uhr meldete sich Quintus zurück und teilte mit, daß sich der deutsche Offizier weigere, an den Kapitulationsverhandlungen teilzunehmen. Unter diesen Umständen sei es für einen Zivilisten zu gefährlich, sich mit einer weißen Flagge der Friedrichsbrücke zu nähern. Die Verhandlungen ruhten, und die Artillerie Einheit wurde über den Stand der Dinge informiert. Daraufhin wurde beschlossen, die Stadt erneut mit Sperrfeuer zu belegen.
Um 20.30 Uhr meldete sich Gretje Ahlrichs aus der Mannheimer Fernsprechzentrale. Sie berichtete von der verheerenden Wirkung des Sparrfeuers und bat, ihren Posten verlassen und den Rest der Nacht in einem Luftschutzbunker verbringen zu dürfen. Sie wurde jedoch angewiesen, ihren Posten unter keinen Umständen aufzugeben, um sich die Möglichkeit weiterer Verhandlungen offenzuhalten. Falls sie sich diesem Befehl widersetze, würde man sie später verhaften.
Am 29. März um 7.15 Uhr rief Quintus an und sagte, daß angeblich alle deutschen Streitkräfte einschließlich der Polizeitruppen über Nacht die Stadt verlassen hätten. Er wolle diese Angaben überprüfen, wenn die Amerikaner eine Feuerpause einlegen würden. Außerdem sei er bereit, die Verhandlungen über eine Kapitulation fortzusetzen. Gegen 7.30 Uhr wies der Kommandeur der Artillerie-Einheit den Bataillons-Einsatzleiter an, Quintus anzurufen und ihm die Entscheidung anheimzustellen, ob die Stadt
um 8.30 Uhr einen Parlamentär mit weißer Flagge zur Friedrichsbrücke schicke, um die Kapitulation bekanntzugeben. Andernfalls werde man die Stadt stürmen. Um 8 Uhr rief Quintus zurück und teilte mit, daß nur noch wenige deutsche Soldaten in der Stadt seien. Sie hätten MG-Posten auf beiden Seiten der Friedrichsbrücke bezogen und sich in einer Schule neben der Brücke verschanzt. Er habe allerdings einige tausend Menschen in Luftschutzbunkern befragt, die ihn als Unterhändler bei
Kapitulationsverhandlungen wünschten, wenn sich die deutschen Soldaten aus der Stadt vertreiben ließen. Diese Information wurde an den Einsatzleiter der Artillerie-Einheit weitergegeben.
Gegen 9 Uhr gab der Einsatzleiter der Artillerie die Weisung, Quintus oder sein Stellvertreter möge zur Friedrichsbrücke kommen, ein Boot nehmen und mit weißer Flagge über den Fluß fahren. Dieser Unterhändler würde am Ufer abgeholt und zum Feuerwehrhaus gebracht werden, um dort mit einem Stellvertreter des Generals zusammenzutreffen. Um 9.20 Uhr rief Quintus an und erklärte sich mit den Bedingungen einverstanden.
Um 10 Uhr ließ Quintus den Bataillons Einsatzleiter wissen, daß das Artilleriefeuer aufgehört habe und daß die Bevölkerung aus den Bunkern gekommen sei. Er habe die Bevölkerung angewiesen, jeden deutschen Soldaten gefangenzunehmen, um so den sicheren Einzug amerikanischer Truppen zu gewährleisten. Er drängte die Amerikaner, ihre Truppen sofort in die Stadt vorrücken zu lassen, bevor deutsche Verstärkung eintreffen und die Kapitulation verhindern könne. Wenige Minuten später sagte er, die Amerikaner hätten übergesetzt und seien von der Bevölkerung mit Blumen und ohne jeglichen Widerstand empfangen worden. (…)
Die Verhandlung lag in den Händen des Bataillons Einsatzleiters Major Don S. Mathews. Seine Instruktionen wurden von Franz S. Steinitz, Bataillonsarzt im Range eines Hauptmanns, gedolmetscht und von dem deutschen Zivilisten Friedmann in deutscher Sprache an seine Kollegen weitergegeben.“

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