Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Das Maß war voll bis oben hin

19.08.98 (Handel & Handwerk, Speisen & Getränke)

Zu einem Biergarten in der Kurpfalz gehören sie einfach dazu: knackige Brezel und schäumendes Bier. Während die Brezel erst spät hier heimisch wurde, galt die Region zwischen Rhein und Neckar schon immer als typisches Bierland. Urkundlich gesichert sind die ersten Biersieder in Speyer bereits im Jahre 1438, als sich ein Mann aus Bamberg in der Reichsstadt niederließ.
Dieser war vom Stadtrat angeworben worden, weil nach mehreren schlechten Ernten der Wein knapp und teuer geworden war. Vor allem die einfache Bevölkerung konnte sich den Wein, der zu dieser Zeit neben Wasser und Milch zu den Grundgetränken gehörte, nicht mehr leisten. Deshalb sollte den Menschen der billigere Gerstensaft angeboten werden. In den weiteren Jahren stiegen die Preise für fast alle Güter und Leistungen weiter an. Die Löhne aber wurden nicht erhöht. Die Folge war, daß immer weniger Brot und Wein fürs gleiche Geld gekauft werden konnte. Bier war zwar auch teurer geworden, blieb aber noch immer erschwinglich.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts luden in Speyer sieben Wirtshäuser mit eigenem Bierausschank zum Verweilen ein. Die Kaufkraft der Verbraucher wurde immer geringer, so daß vor allem die billigen Biersorten, darunter das Rotbier, reißenden Absatz fanden. Bier wurde zudem häufig als Nahrungsgrundlage genutzt.
Die Brauer lieferten sich einen erbitterten Wettbewerb, wurden dabei aber nicht reicht. Höhere Rohstoffpreise und steigende Fixkosten durch die Aufwendungen für Brauerlaubnisse, -geräte und -häuser schmälerten den Gewinn, meist aber brachten sie nur noch Verlust ein. Und die wachsende Konkurrenz von dörflichen Brauhäusern trug nicht zur Bereinigung der Situation bei.
Erst 1658 wurde in Speyer eine Biersiederordnung erlassen. Das bis zur Stadtzerstörung während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1689) gültige Regelwerk bestimmte die Anzahl der zugelassenen Brauereien, regelte, wer überhaupt Bier brauen durfte, und legte sogar fest, wie lange es dem Knecht erlaubt war, nächtlichem Freizeitvergnügen nachzugehen.
Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die Biersieder der Bäcker und Müllerzunft zugeteilt. Die Sorgen rissen trotzdem nicht ab. Vor allem die ständig steigende Einfuhr von auswärtigem Bier bereitete den Brauhäusern Sorgen. Es waren vor allem die Gast und Schildwirte  in den größeren Städten, die die Brauer ärgerten. Diese mußten auf das eingeführte Bier keine Steuern zahlen, ließen sich einen gewissen Vorrat in die Keller legen und fingen sogar an, den Gerstensaft in Kannen und Krügen offen über die Straße zu verkaufen.
Einen leichten Stand hatten die Brauer tatsächlich nicht. Außerdem wollten sie sich von der ungeliebten Zunft trennen. Neun Speyerer Biersieder taten sich 1736 zusammen und regten beim Rat der Freien Reichsstadt an, eine Handwerksordnung speziell für die Bierbrauer zu erlassen. Nach vierjähriger Beratung wurde sie endlich 1740 erlassen. Wer sich jetzt in Speyer als Bierbrauermeister niederlassen wollte, mußte sich zunächst beim Rat der Stadt anmelden. Den ortsansässigen Handwerksmeistern mußte anschließend der Lehrbrief vorgelegt werden. Hatten sie keine Einwände vorzubringen, durfte der Bewerber seinen Beruf ausüben – vorausgesetzt, er hatte das Braurecht erworben.
Für die Meisterschaft waren zwei Jahre vorgesehen. Ein Meisterstück aber, wie in vielen anderen Berufen vorgeschrieben, mußte nicht abgeliefert werden. Strenge Vorschriften auch bei den Lehrjungen: Nur wer ein „autentisches“ Zeugnis seiner „ehrlichen Geburt“ vorweisen konnte, durfte den Beruf erlernen.
Die Bierproduktion hatte in den Jahren in der Kurpfalz ständig zugenommen. Aus alten Unterlagen ist zu entnehmen, daß um 1780 rund 450 Liter pro Kopf im Jahr getrunken wurden. „Das Maß war also ständig voll bis oben hin“, stellte ein Amtsschreiber 1774 fest, der den Bierverbrauch der „churfürstlichen Unterthanen in Schwezingen zur Sommerszeit“ untersucht hatte.
In einem Schreiben der KöniglichBayerischen Kreisdirektion wurde 1817 darauf hingewiesen, daß auf einen angemessenen, nicht wesentlich erhöhten Bierpreis bei gleichbleibender Qualität in „Pfalzbaiern“ zu achten sei. Demnach wurde dem Brauer ein Profit von maximal einem Viertel seiner Gesamtkosten zugestanden. Bereits 1846 aber hatte sich der Preis für den Liter Sommerbier auf sechs Kreuzer verdoppelt. (og)

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