Hockenheimer Perspektiven – oder doch nur Abgesang? (13)
24.10.06 ("Hoggemer Perspektiven", Hockenheim)
Zwischen Hochachtung und Niedergang
Tja, was soll man nun dazu sagen? Oder gibt es überhaupt noch was zu sagen? Oder wurde nicht schon alles gesagt? Gesprochen wurde auf jedenfalls viel während der Informationsveranstaltung der Initiative „Pro Hockenheimring“ im Pumpwerk – und auch viele, zum Teil auch offene Fragen beantwortet. Da ich selbst wegen einer beruflichen Verpflichtung andererseits nicht an diesem „Treffen der Giganten“ teilnehmen konnte, muss ich mich fairerweise mit Kommentaren und Bewertungen zurückhalten.
Nimmt man die Reaktionen der anwesenden Hockenheimer als Maßstab, dann reichten die Aussagen von „Endlich klare Worte!“ über „Da hast du gar nichts verpasst!“ bis hin zu „Die Sache war stinkelangweilig!“. Übereinstimmend war aber zu vernehmen, dass sich Oberbürgermeister Dieter Gummer, sowie die beiden Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH, Georg Seiler und Dr. Karl-Josef Schmidt „sehr gut verkauft“ hätten und dabei selbstsicher aufgetreten seien. Außerdem könne der neue Finanzgeschäftsführer, der am 1. Oktober seinen Dienst im Motodrom angetreten hat, so „richtig gut reden“.
Seine Aussage, dass das „Unternehmen kerngesund“ ist, wurde von den Anwesenden ebenso registriert wie die lobenden Worte von Dr. Schmidt über das „tolle Team“, die „tolle Mannschaft“. Dies hatte ja in der Vergangenheit ja auch niemand bezweifelt, wohl aber die Informationspolitik kritisiert. Und wie mir berichtet wurde, habe es dazu dann auch einige klare und klarstellende Antworten auf kritische Fragen aus dem Publikum gegeben. Frage: „Wieviel hat der Raubritter (Anmerkung der Redaktion: Bernie Ecclestone) für 2008 verlangt?“ Ho-Ring-Geschäftsführer Seiler: „Es geht ohne Kostenerhöhung!“ – Beifall – Seiler: „Da sehen Sie, wie gut wir verhandelt haben!“
Na Prima, es geht doch, mag sich nun so mancher denken! Aber warum haben sie (also die vom Hockenheimring bzw. von der Stadt Hockenheim) dies nicht viel früher gesagt? Wenn man so gut verhandelt hat, hätte man dies ja ruhig auch den Hockenheimern mitteilen können. Dennoch bleibt bei all der Freude über „die stabile Lage am Ring“ ein fader Geschmack, denn der Vertrag mit dem Formel 1-Chef Ecclestone bekam niemand länger „als ein paar Minuten“ (so ein Stadtrat kritisierend im Hintergrund) zu sehen. Es wäre doch jetzt wohl nur konsequent und richtig, auch die „gut verhandelten“ Vertragsbedingungen offen zu legen! Die Hockenheimer dürfen jedenfalls gespannt darauf sein, wie es mit dem Hockenheimring weitergeht. Sicher ist jedenfalls nur, dass der Hockenheimring im kommenden Jahr sein Jubiläum feiern wird, es kein Formel 1-Rennen, wohl aber einen Seniorennachmittag geben wird. Wenn das mal keine positive Aussichten sind …
Nach so viel gegenseitigem Lobgehudel, doch noch ein kurzer Abstecher in die Alltäglichkeit der Rennstadt. Die Schreckensbotschaften aus der örtlichen Geschäftswelt nehmen einfach kein Ende, denn jetzt wird erneut ein alteingesessenes Familienunternehmen seinen Laden (für immer?) schließen. „Hosch schun ghert, de Eichhorn macht zu!“ ist in diesen Tagen immer wieder zu hören. Und tatsächlich: die Schaufenster sind verhangen, Anzeigen weisen auf den Rausverkauf hin. Warum es soweit kommen konnte, dass nun so ein Traditionsunternehmen schließen muss, wäre doch einmal interessant zu erfahren.
Keine Frage, dass die wirtschaftliche Lage mit ein Auslöser für diese Entscheidung war – aber wohl nicht allein. Von „überzogenen Forderungen“ bei Pacht oder Miete ist die Rede, von „hohen Rentenzahlungen“ an den vormaligen Inhaber wird gemunkelt. Auch wenn die Ursachen „hausgemacht“ scheinen, darf eine ganz gewichtige Ursache für das Schließen von innerstädtischen Fachgeschäften nicht verschwiegen und angesprochen werden: das sich seit Jahren verändernde Kaufverhalten der Hockenheimer und der Kunden aus dem Umland. Anstatt die einheimische Geschäftswelt durch Einkäufe zu unterstützen, macht man um diese einen echt großen Bogen, um das Geld in den großen Märkten auf der grünen Wiese auszugeben. Und sind wir doch mal ehrlich: nicht selten ist das dort gekaufte Produkt nicht viel billiger, wohl aber die Fahrkosten. Und wenn es dann noch eine Reklamation geben sollte, dann hat sich die ganze Fahrerei nicht gelohnt.
Die Perspektiven für Hockenheim sind, derzeit betrachtet, eher trostlos. Die Vision „Hoggene 2020“ sogar frustrierend: In der Karlsruher Straße stehen alle Läden leer, nur noch zwei oder drei Bäcker, eine Apotheke und ein Kiosk harren aus. Die Metzgerei Hauser ist längst nach Schwetzingen umgezogen, auch die einst vielen Friseure haben längst aufgegeben. „Et cetera“ – die letzte verbliebene innerörtliche Beiz – meldet Insolvenz an. Aber alles hat auch seine „gute“ Seite, denn die Karlsruher Straße ist wieder mit 50 km/h befahrbar – in beide Richtungen. Ach ja, die Post ist auch nicht mehr da. Die hat sich draußen beim Aldi eingerichtet, denn „dort hot’s mehr Parkplätz“. Und der Gemeinderat diskutiert zum x-ten darüber, ob es denn nicht sinnvoller sei, die Innenstadt Hockenheims platt zu machen und in Parkplätze umzuwandeln … – für ein mögliches Formel 1-Rennen, das erste nach mehr als zehn Jahren. Gerüchteweiser sollen nämlich „bald“ wieder solche Rennen auch in Europa durchgeführt werden. Wie früher, zur guten, alten Zeit, als Hoggene noch Hockenheim hieß und als Rennstadt weltweit in aller Munde war …
Aber wie konnte es soweit kommen? Zurück also ins Jahr 2006, als es doch sicher so manchen Bürger der dörflichen Großen Kreisstadt überraschte, wie schlecht es wirklich um die städtischen Finanzen steht. So war aus den gewöhnlich „gut informierten Kreisen“ (also von einem Stadtrat, der nicht öffentlich genannt werden möchte) zu hören, dass alle Fraktionen vom OB und seinem Finanzbürgermeister Werner Zimmermann aufgefordert worden seien, mit ihren Wünschen für den kommenden Haushalt 2007 „deutlich“ zurückzuhalten. Es gehe nämlich nichts mehr, inzwischen müsse jede noch so kleine Ausgabe auf ihre Notwendigkeit hin abgeklärt werden. Außerdem „beobachte“ das Regierungspräsidium als zuständige Aufsichtsbehörde über die Große Kreisstadt Hockenheim die städtischen Finanzgebaren „kritisch und sehr genau“. Wenn es so weiter gehe, so der langjährige Stadtrat weiter, drohe Hockenheim die „Zwangsverwaltung“ in Sachen Finanzen. Was sind das für Perspektiven für eine Stadt, die noch vor wenigen Jahren als so vorbildlich weithin gepriesen wurde? … und es tatsächlich auch war. Das jedenfalls meint der Beobachter …