Ein alter Brunnen gibt seine Geschichte preis
15.06.10 (Hockenheim)
Fund keine historische Sensation, wohl aber ein echtes Stück Hockenheimer Stadtgeschichte / Brunnen zeigt die frühere Wasserversorgung auf / „Entdecker“ Christian Göbelt Spross einer der ältesten Familien in der Rennstadt
Eigentlich wollte Christian Göbelt in seinem Garten hinter dem Haus nur einen Rhododendron umsetzten. Als beim Ausheben des Pflanzloches der Spaten immer wieder auf roten Buntsandstein stieß, wurde der seit Jahren begeisterte Heimatforscher stutzig. Vorsichtig hob er in einem größeren Durchmesser die Gartenerde ab – und ein Ring aus groben Buntsandsteinen kam ans Licht. „In diesem Moment habe ich sofort an einen Brunnen gedacht, aber es zunächst gar nicht glauben wollen“, so Christian Göbelts erster Eindruck. Langsam grub er sich in die Tiefe und immer mehr zeichnete sich ein gemauerter Schacht ab. Je länger er grub, um so tiefer wurde der Brunnen. „Es war schon ein komisches Gefühl, in einer nur ein bisschen mehr als einen Meter breiten Röhre zu arbeiten“, erinnert sich Göbelt noch mit einem gewissen Schauer an die ersten Tage seines Grabens. Um sich selbst zu schützen, untersuchte er immer wieder die vermauerten Steine auf ihren festen Sitz hin. Als in einer Tiefe von knapp vier Meter plötzlich Klinkersteine den Sandstein ersetzten, sei er schon etwas verwundert gewesen. Da es aber keinen Grund gegeben habe, die Arbeiten einzustellen, habe er sich schließlich bis auf die Brunnensohle hinunter gegraben. Diese sei an den ausgelegten Sandsteinplatten deutlich zu erkennen gewesen. Da der Brunnen bis in diese Tiefe von knapp sieben Meter noch immer kein Wasser führte, wertete der Heimatforscher dies als deutliches Zeichen dafür, dass das Grundwasser im Bereich der Oberen Hauptstraße früher deutlich höher gestanden haben muss. Erst nach einem weiteren Meter habe dann das Grundwasser in den Brunnen gedrückt. „Aber gerade mal zehn Zentimeter hoch.“
Dank der beim Graben im Brunnen gefundenen Gegenstände – zumeist zerbrochene Flaschen, Tassen oder anderes Geschirr – kann zumindest relativ genau der Zeitabschnitt des Zuschüttens datiert werden. Gemeinsam mit dem auf die regionale Geschichte spezialisierten Historiographen Otmar Geiger ging Christian Göbelt jetzt daran, die Vergangenheit des Brunnens wieder lebendig werden zu lassen. Wann nun genau der Brunnen geschlagen wurde, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Da er auf dem damals letzten bebauten Hockenheimer Grundstück in Richtung Reilingen liegt, kann es zwar möglich sein, dass es auf der bereits aus dem 17. Jahrhundert überlieferten Weidefläche einen Brunnen gegeben haben kann. Die vorhandenen Spuren weisen aber deutlich darauf hin, dass der Brunnen beim Bau des Wohnhauses gleich mit gebaut, möglicherweise auch umgebaut wurde. So haben die Vorfahren von Christian Göbelt, der aus einer der ältesten Hockenheimer Familie stammt, wohl die Baugrube genutzt, um einen Brunnenschacht mit Klinker auszumauern. „Dies war damals keine Seltenheit, denn Hockenheim hatte bis 1910 noch keine Wasserversorgung“, erinnert Otmar Geiger an die Zeiten, als es noch viele öffentliche Brunnen im Stadtgebiet gab, die die meisten Familien mit frischem Wasser versorgten. Nur wer es sich leisten konnte, baute auf seinem Grundstück einen eigenen Brunnen. Und so machte es auch der stolze Besitzer dieses im Vergleich zu den benachbarten Tagelöhnerhäuschen geräumigen Haus. Nachdem der Brunnenschacht im Wasser führenden Bereich mit den Klinkersteinen ausgemauert war, wurde in der erweiterten Baugrube einfach mit gröberen Sandsteinen das Brunnenrund vom heutigen Kellerniveau auf Straßenhöhe aufgemauert. Als dann nach 1910 so nach und nach alle Hockenheimer Haushalte an das städtische Wassernetz angeschlossen waren, verloren die Brunnen ihre Bedeutung und zum größten Teil zugeschüttet. Beim Göbelt’schen Brunnen muss dies nach 1913 gewesen sein. Dafür sprechen jedenfalls die Fundstücke, die es erst seit dieser Zeit gibt: Eine Steinguttasse aus elsässischer Produktion, der Keramikverschluss einer Sprudelflasche oder andere Scherbenfunde. Die beiden Heimatforscher waren sich am Ende der Bewertung des Fundes einig, dass er zwar keine historische Sensation darstelle, wohl aber ein echtes Stück Hockenheimer Stadtgeschichte darstelle. (ara)