Kurpfalz Regional Archiv

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Eine königliche Rundreise durch die Pfalz

18.06.16 (Geschichte allg., Landschaft & Orte, Städte & Gemeinden)

maxDie Inbesitznahme der Pfalz als neuer bayerischer Kreis durch König Max I. Joseph im Jahr 1816
Im Vertrag von München von 1816 gelang es den beiden einstigen Kriegsgegnern Bayern und Österreich, ihr gespanntes Verhältnis wieder zu normalisieren und sich auf einen verbindlichen Verlauf der gemeinsamen Landesgrenzen zu verständigen. Als Entschädigung für größere Gebietsabtretungen (z. B. Salzburg) an das Habsburger-Reich erhielt das Königreich Bayern die linksrheinische Pfalz.
Am 30. April 1816 hatte König Max I. Joseph das „Besitzergreifungspatent für die Landesteile auf dem Überrhein“ erlassen. Zugleich wurden an vielen „Staats-Gebäuden“ Tafeln mit dem bayerischen Staats-Wappen (zum Teil auf Blech gemalt) angebracht. Die Pfälzer, gewohnt in wechselnden politischen Verhältnissen zu leben, waren gewillt, auch als „Neubayern“ sich einem „pfälzischen“ König aus dem Hause Zweibrücken anzuvertrauen – wenn er ihnen nur ihre bisherigen Freiheiten beließ. Insbesondere war die Frage entscheidend, ob die französischen Gesetze und „Institutionen“ übernommen werden sollten. Hinzu kam die strategisch schwierige Lage der Pfalz als bayerische Exklave.
Ab 1. Mai 1816 bildete der „Baierische Rheinkreis“ mit 6.000 km² und 430.000 Einwohnern (= zwölf Prozent der bayerischen Bevölkerung) den achten Regierungsbezirk Bayerns – und die Pfalz blieb bis 1946 bayerisch. Den Pfälzern wurde der Bestand der wichtigsten „Institutionen“ garantiert. Diese Errungenschaften aus der Franzosenzeit waren u. a. das französische Gesetzbuch, der „Code civil Napoleon“ (Geltung bis 1900), die Führung der Standesämter durch die Bürgermeister (im übrigen Bayern erst 1873 eingeführt), die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und die Trennung von Verwaltung und Justiz (im übrigen Bayern erst 1872 eingeführt) sowie die Beibehaltung der französischen Gerichtsverfassung (Schwurgerichte).
Tatsächlich war in Bayern die Idee eines freien und gleichen Staatsbürgers gesetzlich nicht so stark verankert wie in der Pfalz. Die bayerische Verfassung von 1808 kannte weder das Recht der freien Berufsausübung noch das Niederlassungsrecht oder die Freiheit der zivilen Eheschließung. Justiz und Verwaltung waren auf der unteren Ebene noch nicht getrennt. Diese Unterschiede weckten in der Pfalz Ängste anlässlich der Übernahme durch Bayern.
Noch wussten die Pfälzer nicht, was sie nach der „iberalen“ Franzosenzeit von Bayern zu erwarten hatten. Bayern war hingegen an einer Inbesitznahme der weitab gelegenen Region links des Rheines unter Aufgabe eines geschlossenen Territoriums nicht sonderlich interessiert. Die dynastische Tradition und die Tatsache, dass das Haus Wittelsbach fast 600 Jahre am Rhein präsent gewesen war, spielte in den politischen Überlegungen der Entscheidungsträger damals nur eine nebensächliche Rolle. Daher waren die freudigen Reaktionen in der Pfalz bereits auf die Unterzeichnung des Patentes, mit dem Max I. Joseph von der Pfalz Besitz ergriff, umso erstaunlicher.
Schon einige Wochen später machte der König vom 22. bis 29. Juni 1816 eine Rundreise durch den neuen Kreis. Sie führte ihn u.a. nach Germersheim. Landau, Bergzabern, Annweiler, Pirmasens, Zweibrücken, Homburg, Landstuhl, Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Frankenthal, Neustadt an der Weinstraße und in die Kreishauptstadt Speyer. Insgesamt schien die Reise die Pfälzer überrascht zu haben. Langfristige Vorbereitungen konnten nicht getroffen werden. Ankündigungen in der Presse fehlten fast völlig. Die Pfalzreise des Königs war zudem eine logistische Herausforderung. In einem Land, das durch zahlreiche Kriegsereignisse in den 20 Jahren zuvor nicht zur Ruhe gekommen war und in dem sich die Straßen in einem maroden Zustand befanden, waren „königliche“ Verhältnisse nicht zu erwarten.
Bereits die genaue Reiseplanung hatte in der kurzen Zeit, zwischen dem 1. Mai 1816, der offiziellen Übernahme der Pfalz, und dem 20. Juni 1816, dem Reiseantritt, in München zu erfolgen. Der 60-jährige König absolvierte eine „Tournee“ von über 300 Kilometern. Bei günstigen Wegeverhältnissen war dabei eine Reisegeschwindigkeit von 4 bis 5 km/h zu erreichen. Fast alle „Kantone“ des Rheinkreises wurden besucht. 75 Städte, Ortschaften und Weiler lagen an der Wegstrecke. Wie strapaziös die Reise gewesen sein muss, verdeutlicht eine Bemerkung des Kronprinzen Ludwig, der in Baden mit seinem Vater zusammentraf, und anschließend Fürst Hohenzollern, seinem Flügeladjutant, der ihn begleitete, berichtete:
„Mein Vater habe binnen vierundzwanzig Stunden neun Essen gehalten, die Ehrenweine nicht mitgezählt.“
Es war in der Pfalz eine Zeit des Umbruches und der Unsicherheiten, bayerische Beamte und Funktionsträger kamen ins Land. Die öffentlichen Verwaltungen änderten ihren staatlichen Träger. „Napoleonische“ Pfälzer als Amtsträger wurden durch „bayernfreundliche“ Landsleute abgelöst. Noch gab es keine stabile politische Verwaltungsstruktur. Es war eine Zeit der allgemeinen Veränderung.
Der Zeitpunkt der Pfalzreise des Königs war mit Unwägbarkeiten verbunden: logistisch, psychologisch und politisch. Mit seinem richtigen Gespür für den Umgang mit Menschen hat Max I. Joseph die Pfälzer gewonnen. Auf dieser Reise war der König sichtbar und für viele erreichbar: ein Herrscher zum Anfassen. Das offene Ohr schien nur ein Charakterzug gewesen zu sein. Für die Pfälzer ergaben sich, insbesondere in den Dörfern, während des Pferdewechselns, die Möglichkeit einer kurzen Annäherung an den König. Hier konnten Bittgesuche übergeben und ein Gespräch mit dem Monarchen gesucht werden. Die Pfälzer sahen in ihm den Hort ihrer Rechte, die Verkörperung ihrer Sicherheit, Ruhe und friedlichen Zukunft. Nur so versteht man die unbeschreibliche Freude, die dem Herrscher überall entgegengebracht wurde.
Max I. Joseph trug also als Mensch und König mit seiner Reise dazu bei, die etwaigen Befürchtungen der Pfälzer ins Positive zu wenden. Für ihn selbst war die Reise eine persönliche Genugtuung. „Er war vom Volk auf eine Art empfangen worden, wie vielleicht noch kein Souverän; er war öfters bis zu Thränen gerührt. Alle Straßen waren mit Bäumen und Blumen geziert; die vor acht Tagen unbefahrbaren Feldwege sind durch freiwilliges Arbeiten der Gemeinden wie Dreschtennen. Der König ist im besten Wohlsein, munter und fröhlich; er widersteht allen Strapazen der Reise, der Besichtigung von Fortifikationen und der Bälle … .“ – „Der Monarch war auf seiner ganzen Reise in diesem Land, in jedem Städtchen und Dörfchen, wo sie sich aufgehalten haben, über den Empfang und die zutraulichen Bitten oder Äußerungen der Einwohner sehr vergnügt und zufrieden“, schrieb Hofkommissar von Zwackh am 24. Juni 1816 an seinen Bruder Philipp.
13 Jahre später reiste der junge König Ludwig I. auf der fast gleichen Reiseroute vom 7. bis 14. Juni 1829 durch den „Rheinkreis“ – und wieder wurde es eine Jubelreise.
Die historisch-kulturgeschichtliche Dokumentation der vergessenen Reise Max I. Josephs wurde nun vom Verfasser publiziert – auch als Beitrag zum Verständnis des ersten bayerischen Königs:
Wolfgang Kunz: Eines Königs Reise, Brosch. 96 S., 55 Farbabb., 12,99 Euro, Knecht Verlag, Landau 2016. ISBN 978-3-939427-31-5.
Wolfgang Kunz, Professor a. D. der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften (Speyer) lebt in Maxdorf.

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