Reform der Feier- und Festtagsordnung
17.03.96 (Glaube & Religion, Kirchen & Klöster)
Bischof Franz Christoph von Hutten sorgt im Jahr 1770 mit seiner Entscheidung für „Unruhe“ im Bistum Speyer
Die Reformfreudigkeit deutscher Fürsten in der Zeit vor der Französischen Revolution ist in erster Linie auf die Bewegung der Aufklärung zurückzuführen. Diese Aufgeschlossenheit ist nicht nur bei weltlichen, sondern auch bei geistlichen Territorien in ganz Europa wahrzunehmen. Sie wollten die „brüchig gewordenen Werte der Vergangenheit in ihrem Wahrheitsgehalt analysieren“ und neue Maßstäbe setzen. Die Reformfreudigkeit ist auch bei dem Speyerer Bischof Franz Christoph von Hutten festzustellen. Während seiner Regierungszeit von 1743 bis 1770 hat er eine Vielzahl von Reformgesetzen im weltlichen und kirchlichen Bereich erlassen. Allein über 400 Verordnungen für den kirchlichen Bereich sind überliefert.
Manche von ihnen wirkten sich auch im säkularen Sektor aus. Mit seiner kirchlichen Amtsbefugnis griffen natürlich solche Verordnungen auch in das staatliche Gefüge der Nachbarterritorien über und mussten daher mit diesen abgestimmt werden. Eine dieser Verordnungen betraf die „Verminderung und Verlegung der Feyertage mit den Patrimoniums Festen, Vigilfasten und Ablässen“ im Jahr 1770. Im Generallandesarchiv in Karlsruhe befinden sich eine Reihe von Akten und gedruckten Verlautbarungen, die uns ein anschauliches Bild der Reformfreudigkeit bieten.
In einem ausführlichen Protokoll erfahren wir, dass „in dem Bißthum Speyer schon vor vielen Jahren … die von der Kirche eingesetzten Feyertäge bey weitem nicht mehr in jenem Eifer, wie bey der ersten Christenheit gefeyert, sondern diese Täge großenteils mit bloßem Müßiggang, eiteln Besuchungen, auch öfters in Fraß und Föllerey hingebracht, somit mehr entheiligt als gefeyert“ würden. Da bisherige Verordnungen von Bischof Franz Christoph keine Besserung gebracht hätten und dem mehr und mehr einreißenden Übel nicht zu steuern war, sah sich der Bischof zu einem neuen Schritt veranlasst, zudem „Ihre Päbstliche Heiligkeit, das Oberhaupt der Kirche, aus eben diesen Bewegursachen solche Minderung der Festtägen bereits einigemal gutgeheißen und empholen haben.“
Um eine möglichst durchgreifende Reform und „Gleichförmigkeit“ zu erreichen, hatte man mit den benachbarten Erz- und Bistümer „freundschaftliche Communication“ versucht und diese insbesonders mit Kur-Mainz auch erreicht. Da das Bistum Speyer sich weitgehend in die Lande „weltlicher Potentaten“ erstreckte, hatte man auch mit ihnen Verbindung aufgenommen. „Seine Kurfürstliche Durchlaucht in der Pfalz haben bey dieser Gelegenheit wegen besserer Feyerung der Sonn-und beibehaltenen Feyertägen für Ihre Kurpfälzische Landen eine Polizeyverordnung in Druck befördern lassen und noch vor Ostern des Jahres 1770 in der ganzen speyerischen Dioceß verkündet.“
So erließ Kurfürst Carl Theodor in Verbindung mit dem Kurfürsten von Mainz am 24. Januar 1770 „wegen Minderung der überflüssigen Festen und hingegen desto eifriger Feyerung deren Gott geheiligten Sonn- auch übrigen nicht verlegter Feyertägen“ eine Verordnung mit dreizehn Punkten. In ihr untersagte er, an Sonn- und Feiertagen jeden „Handel und Wandel, knechtliche Arbeit, Handthierungen und sonst dergleichen Werke, das Mehlmahlen und Brodbacken auch sonstige Notharbeiten alleinig ausgenommen, bey schwerer Straf“. Er verbot alle öffentliche Lustbarkeiten, also Schauspiele, Bälle, Schlittenfahrten, Tanzen und Musik, bis der nachmittägliche Gottesdienst in den Pfarrkirchen vorüber war. Ebenso waren „alle Brandenwein-, Wein- und Bierschänken sowie die Cafféehäuser“ zu schließen. Auch die Zusammenkünfte in den Zunftstuben waren nicht gestattet. Kein Laden durfte geöffnet werden, „nicht einmal das Brod zum Verkauf ausgestellt noch einige Boutiquen mit allerley Waren aufgeschlagen“ werden.
Weiterhin waren das „Verbringen von Früchten zur Mühle“ und der Transport von Wein verboten. Fremde ausländische Fuhrleute mussten ihre Fahrten während des Gottesdienstes unterbrechen. Eine besondere Auflage wurde den Juden gewidmet, ihnen wurde der „Enthalt von dem Betrieb allen Handels und Wandels auf diese Täge eingeschärft, auch war keinem das Herumstreichen auf offenen Straßen vor Ende des nachmittäglichen Gottesdienstes erlaubt“. Der letzte Punkt betraf das Scheibenschießen, das „nicht ehender als erst nach dem nachmittäglichen Gottesdienst vorgenommen“ werden durfte.
Die bischöflich-speyerische Verordnung wurde am 28. März 1770 – ein Monat vor dem Tode Franz Christoph von Hutten – im Druck veröffentlicht. Er betont, dass er in seiner „doppelten Eigenschaft eines Bischofs und Landesherren … mit schmerzvoller Empfindung“ wahrgenommen habe, dass die ganze „Feyertagsbeschäftigung in eine kaum halbstündige Meßanhörung eingeschränkt … und somit unsere heilige Religion eben dadurch tiefer heruntergesetzt worden sey.“ Er weist darauf hin, dass er „geleitet von behutsamer Sorgfalt, die Ehre der Heiligen nicht anzugreifen, aber entzündet von Eifer, ihre Verehrungstäge wegen schädlichen Mißbräuchen abzuändern“, zu diesem Schritt genötigt worden sei. Auch seien bereits in mehr als zweihundert Bistümern in Frankreich, Ungarn, Böhmen und in anderen österreichischen Erbländern neue Feiertagsregeln erlassen worden. Bischof Franz Christoph machte in diesem Einblattdruck bekannt, welche Feiertage im Jahr 1770 gefeiert werden durften.
Mit Ausnahme des Festes von Peter und Paul entfielen sämtliche Feiertage der Apostel; die meisten allerdings wurden entweder dem vorhergehenden oder dem nachfolgenden Sonntag zugeordnet. Weihnachten, Ostern und Pfingsten durften nur noch an zwei Tagen gefeiert werden. Von den Marientagen entfiel nur Maria Heimsuchung, das auf den nächsten Sonntag verlegt wurde.
Als eigene für das Bistum Speyer hatte Kardinalbischof von Hutten schon zu Jahresbeginn folgende Tage bestimmt:
1. den Kirchweihtag
2. den Patronatstag
3. das Fest der Himmelfahrt der allerheiligsten Jungfrau Mariae, als das allgemeine Schutz- und Patronatsfest des ganzen speyerischen Bistums.
In einem eigenen „Hirtenschreiben an sämtliche Seelsorger und Prediger des Bistum Speyer, die jüngstverordnete Abänderung der Feyertage betreffend“‚ wendet sich der Kardinal-Priester Bischof Franz Christoph am 5. April 1770 ausführlich an seine Geistlichen und bittet sie, ihn in seiner Entscheidung zu unterstützen, dass diese „von vielen zum Gegenstand des Tadels genommen werden“ möchte. Er weist darauf hin, „der Nothstand des mühsam sich ernährenden Landmanns, die Bedürfniß sämtlicher mit Handarbeit sich beschäftigende Unterthanen und der in der Folge auf ganze Gemeinde hinfallende Mangel“ habe ihn dazu bewogen. Der Bischof Franz Christoph fordert daher seine Priester auf, den „anvertrauten Pfarrkindern und Zuhörern sowohl in Predigten als katechetischen Unterweisungen“ die Reform des Feiertagkalenders zu erklären und zu begründen, damit „dargegen keines Orts … werde gehandelt werde“.
Trotz dieser Ermahnung scheint es mancherorts zu gewissen Schwierigkeiten gekommen zu sein, wie das Protokoll des „Hochfürstlichen Speyerischen Cabinetts“ vom 16. Juli 1770 berichtet, denn in manchen Orten wollte man nicht auf die lokalen Feiertage verzichten. Die Beschlüsse des Kabinetts unter dem Nachfolgebischof Damian August Philipp Carl von Limburg Styrum jedoch lauteten, dass man solche lokale Feiertage auf den vorhergehenden oder nachfolgenden Sonntag verlegen sollte.
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Verordnung des Bischofs, die „Abstellung der verkleideten Personen auf dem Weidenberg bej der Charfreitags-Prozession in der Stadt Speyer anno 1770“ interessant. Bisher gab es am Karfreitag einen figurierten Aufzug, bei dem verkleidete Personen zum Weidenberg zogen, wo ein Passionsspiel abgehalten wurde. Franz Christoph von Hutten sah dabei die „gebührende Andacht, Eingezogenheit und Ordnung mehr gestört als befördert“. Dadurch werde das Volk vom eigentlichen Sinn der Prozession abgehalten, da man mehr „das Aug und Gemüth, nur auf den Aufputz der verkleideten Personen und die Fertigkeit der Akteure wirfft“.
Bischof Hutten ordnete daher an, dass bei der Prozession keine verkleidete Personen mehr teilnehmen dürften, auch sollte kein Spiel mehr auf dem Weidenberg abgehalten werden. Die Prozession sollte nachmittags um ein Uhr „mit wahrer äußerlicher Auferbauung“ von der Jesuitenkirche durch die gewohnten Gassen geführt werden. Auf dem Weidenberg sollte allerdings „zur Beibehaltung des alten Rechts eine kleine Bühne aufgerichtet“ werden, wo man ein „angemessenes Gebet oder Gesang“ verrichten sollte.
Bei der Prozession selbst sollte eine Reihe von Figuren mitgeführt werden. Es waren dies: Christus am Ölberg, die Geißelung Christi, die Dornenkrönung, die Kreuzschleifung, Christus am Kreuz, Christus im Grab und die Mater dolorosa. Als Träger dieser Figuren sollten 30 Männer aus dem Amt Marientraut genommen werden. Sie erhielten jeder 12 Kreuzer, die aus dem „Sigill-Amt“ bezahlt wurden. Waren weitere Männer zum Tragen nötig, dann sollten sie von den Stellen entlohnt werden, die sie bestellt hatten. Die Geistlichen und „Chorpersonen in der Hohen Domkirche“ waren aufgefordert, die Prozession zu begleiten. Die Studenten und Schulkinder sollten, wie gewohnt ebenfalls mitgehen.
Rudolf Fendler