Kurpfalz Regional Archiv

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Die amtlichen Bekanntmachungen früher und heute

18.10.98 (Allgemein)

Auch in Reilingen informierte der Rats- oder Polizeidiener die Bevölkerung
Über viele, viele Jahrzehnte hinweg wurden die notwendigen Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung an die Einwohnerschaft durch das Ausschellen und durch das Anschlagen der entsprechenden Schriftstücke an die Verkündungs- oder Anschlagtafel vorgenommen. Ob diese beiden sich ergänzenden Bekanntmachungsarten zeitgleich oder zu verschiedenen Zeiten hier praktiziert wurden, ist nicht mehr auszumachen und auch nicht von Bedeutung.

Beide Möglichkeiten konnten aber erst angewendet werden, als Schreiben und Lesen Allgemeinbildung waren. Für das Studium der an der gemeindlichen Anschlagtafel hängenden Schriftstücke war das Lesenkönnen erforderlich; auch der Rats- oder Polizeidiener musste seine Bekanntmachungen ablesen können und die Bekanntmachungen durch die „Schelle“ sowie Tag und Tageszeit des Anschlagens und Abnehmens der Schriftstücke an der Gemeindetafel mussten zeitlich genau und unterschriftlich vermerkt werden.
Das Ausschellen selbst war durchaus keine leichte Sache, und der Gang durch die Ortsstraßen selten ein Spaziergang, denn dieser Informationsgang musste bei jedem Wetter – ob Hitze, Kälte, Sturm, Regen, Schnee oder Glatteis – durchgeführt werden. Dazu kam die täglich wiederkehrende mentale Einstimmung auf diesen Dienstgang – war es doch für den Ausschellenden unerlässlich, bei dieser Dienstausübung die örtliche Obrigkeit würdig und Bürgernähe demonstrierend zu vertreten.
Und das bedeutete für den Rats-/Polizeidiener: Gemessenen Schrittes (wenn mit Fahrrad: verhaltenes Pedaltreten), in korrekter Kleidung und Haltung wie auch mit amtlich distanzierter Miene die festgelegte Geh- oder Fahrroute zu durchmessen. Die Ausrufstellen waren ebenfalls immer dieselben. An einer solchen Stelle angekommen schwang der Gemeindediener zunächst einige Male die Handschelle (die die klassische Form einer Glocke hatte), um die Anwohner auf die unmittelbar folgenden Bekanntmachungen aufmerksam zu machen.
Mit lauter Stimme und deutlicher Aussprache begann er dann mit: „Bekanntmachung“ oder „Es wird bekannt gemacht“ oder auch „Das Bürgermeisteramt gibt bekannt“ (ein bißchen Auswahlmöglichkeit musste schon sein). Und da ein Rats- oder Polizeidiener ja auch ein Mensch war und gelegentlichen Gemütsschwankungen unterlag, so klang bei einem „Tief“ die Handglocke vernehmlich zornig oder gar drohend. Es soll geübte Zuhörerinnen gegeben haben, die am Klang der geschwungenen Handglocke im voraus erkennen konnten, ob es wichtige, sehr wichtige oder unbedeutende Bekanntmachungen sein würden.
Die fortschreitende Technik mit ihren vielfältigen Möglichkeiten brachte – nun schon in der Gegenwart – umwälzende Neuerung mit eindeutiger Verbesserung der Einwohnerinformation.
Ortsrufanlage war in den fünfziger Jahren das Zauberwort. Im Mai 1955 wurde durch die Installation einer Sendeanlage im Rathaus und die Anbringung von Lautsprechern an ausgewählten Wohnhäusern des Ortes die Sendeanlage in Betrieb genommen.
Man konnte sich anfänglich dem Zauber des Sendevorganges nicht entziehen; ein kaum zu hörender Knacks in den Lautsprechern des gesamten Sendegebietes – und während die durchdringende Eröffnungsmelodie zur Aufmerksamkeit mahnte, in den Höfen oder an den geöffneten Fenstern die besten Hörerstellen eingenommen wurden, begann eine zumeist angenehme Stimme mit dem Verlesen der Mittags- oder Abendnachrichten. An erster Stelle kamen natürlich die amtlichen Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung zur Vorlesung, denen dann die Veranstaltungshinweise der Vereine und Verbände jeglicher Art, der Kirchengemeinden und der politischen Ortsvereine folgten. Aber auch von privater Seite wurde die Rufanlage gerne und vielfältig genutzt. Glückwünsche und Dankadressen zu allen möglichen Anlässen, an Einzelpersonen, Paare und Gruppen – oftmals noch garniert mit einem passenden Lied oder einer schmissigen Marschmusik – konnten den Beglückwünschten übermittelt werden.
Obwohl gerade in jenen Jahren Reilingen rasch an Ausdehnung zunahm, konnte man den Eindruck haben, dass durch diese Rufanlage die Einwohnerschaft näher zusammengerückt sei. Und nicht zu vergessen die Nachrichtensprecher, die sich redlich mühten, ihre ohnehin schon vorhandenen Sprecherqualitäten immer noch zu steigern. Man kann es sich gut vorstellen, dass es für den jeweiligen Sprecher ein erhebendes Gefühl gewesen sein musste, beim Einschalten der Sendeanlage zu wissen: Jetzt wird es für einige Minuten im gesamten Sendegebiet still sein und die Reilinger lauschen nachrichtenbegierig nur meiner Stimme!
Diese sympathische Mitteilungsart – Verbindungsglied von Verwaltung zur Einwohnerschaft, der Kirchen zu ihren Gläubigen, der Vereine zu ihren Mitgliedern und der Parteien zu ihren Anhängern – dauerte dennoch nicht viel länger als 18 Jahre. Unser immer größer werdender Ort und die damit verbundene Vermehrung der Lautsprecher wie auch der in einigen Straßen herrschende und stetig zunehmend Verkehrslärm brachten Übertragungs- und Hörprobleme.
Mit der Ausgabe vom 04. Oktober 1973 trat das Gemeindemitteilungsblatt – Reilinger Nachrichten – die Nachfolge der Ortsrufanlage an. Mit der Erstausgabe eines 10-seitigen Heftchens und einem einzigen darin enthaltenen 4-Mann-Photo ging die neue, wiederum verbesserte Einwohnerinformation an den Start. Zwar kann es in diesem Wochenblatt keine sofortige Bekanntmachung mehr geben, wie dies im Ortsruf möglich war, doch sind die gewonnenen Vorteile zahlreich und wesentlich. Nicht nur, dass nunmehr alle örtlichen Institutionen und Vereine auf ihre Veranstaltungen hinweisen und einladen können – es besteht zusätzlich die Möglichkeit, mit Berichten und Photos den Ablauf der stattgefundenen Veranstaltungen zu beschreiben und (wenn nötig) auch ein wenig „zu schönen“.
Berichte von Gemeinderats- und Ausschuss-Sitzungen, der Abdruck einzelner Verordnungen und Erlasse, vielfältige Bürgerinformationen, Verbraucherberatung und nicht zuletzt die Werbung machen die Reilinger Nachrichten umfassend und umfangreich. Es hieße „Wasser zum Kraichbach tragen“, wollte man im einzelnen aufzählen, welche Vorzüge dieses amtliche Mitteilungsblatt gegenüber allen vorherigen Bekanntmachungsarten hat, ohne die eine oder andere weitere Verbesserung des Blattes selbst auszuschließen.
Friedrich Kief

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