Messen und Märkte in Speyer
26.10.94 (Handel & Handwerk, Städte & Gemeinden)
Seit dem frühen Mittelalter, vor allem aber seit dem 11. und 12.
Jahrhundert , wurden anläßlich kirchlicher Festtage an wichtigen
Verkehrsknotenpunkten nach dem Gottesdienst Märkte abgehalten.
Speyer war schon sehr früh ein bedeutendes Handelszentrum,
bestimmt seit dem frühen 7. Jahrhundert, wird doch bereits 614
ein Bischof urkundlich genannt. Zudem existierte vor dem
bischöflichen Bezirk spätestens in der Karolingerzeit ein Markt
und Handelsplatz, dessen ehemalige Lage mit dem östlichen Bereich
der heutigen Maximilianstraße, der Speyerer Hauptstraße,
identisch war. Daß Speyer sehr früh mit einem Marktrecht bedacht
werden mußte, läßt sich daraus schließen, daß der Bischofssitz
eine nicht unwesentliche Menge an Versorgungsgütern für das
tägliche Leben und Wirken benötigte.
Die Messebeschicker standen unter dem Schutz des Königs und der
Kirche. Den Marktplätzen, beziehungsweise den Messeorten, wurden
Messeprivilegien verliehen. Die urkundlich früheste gesicherte
Messe war die dem Warenaustausch dienende Handelsmesse von Saint
Denis (629). Allmählich blühten in ganz Europa die Märkte und die
Messen auf. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhielt
1240 als erste Stadt Frankfurt am Main ein Messeprivileg. Leipzig
folgte 1268 und bekam ein solches Privileg zur Abhaltung einer
Herbstmesse ausgestellt.
Zurück zu Speyer: Es ist heute nicht sicher, ob die Herbstmesse
tatsächlich die älteste von allen Messen in der Domstadt ist. Die
Frühjahrsmesse wird zwar erst im 16. Jahrhundert genannt, aber
die Historiker gehen davon aus, daß diese Messe viel älter sein
dürfte.
Die Einführung der Herbstmesse im Jahre 1245 war für die
Wirtschaftskraft von Speyer von großer Bedeutung. Abgehalten
wurde sie alljährlich am Fest der Apostel Simon und Judas (28.
Oktober) und dauerte 15 Tage. Der Stadtrat der Reichsstadt Speyer
informierte im August 1245 alle Städte im ganzen Reich über diese
neue Messe und erließ den Kaufleuten, die zur Herbstmesse kamen,
den „halben Zoll“. Den Kaufleuten in Utrecht, Trier, Köln und
Worms versprach der Rat noch weitergehendere finanzielle Vorteile
als zusätzlichen Anreiz, damit auch sie an der ersten Herbstmesse
teilnehmen würden. Der Rat konnte somit ein größeres
Einzugsgebiet in seine Planungen einkalkulieren.
Am 20. Mai 1330 stellte Kaiser Ludwig der Bayer, als er in Speyer
weilte, dem Rat eine Urkunde aus, in der die Herbstmesse um fast
zwei Monate in den Sommer hinein verlegt wurde. Außerdem
wurde die Messe auf drei Wochen verlängert. Da aber zur gleichen
Zeit in der Region Messen abgehalten wurden, verlegte man den
Handelsmarkt mit Genehmigung Kaiser Friedrichs III. erneut. Nun
begann sie an Michaelis (29. September) und wurde daher
„MichaelisMesse“ genannt. Später, weil diese Regelung sich
wiederum nicht bewährt hatte, verkürzte der Rat die Messe auf
zwei Wochen und legte 1569 den Termin vom 6. bis 20. Oktober
eines Jahres fest.
Diese Zeit deutet bereits auf den Niedergang der wirtschaftlichen
und politischen Bedeutung vieler Städte hin. Auch die Freie
Reichsstadt am Rhein verlor immer mehr an Bedeutung, verlagerte
sich doch die Macht und Wirtschaftsszene immer mehr an die
Küstenregionen Europas. Ausschlaggebend waren für diese
Entwicklungsprozesse auch die Entdeckungsreisen in die „Neue
Welt“. Bezeichnend für den Niedergang Speyers war auch die
Tatsache, daß der letzte Reichstag hier 1570 stattfand.
Nun kamen wie überliefert ist Händler zunehmend erst nach der
Messeeröffnung, einige Kaufleute brachen ihre Stände früher als
vorgesehen ab, angemeldete Beschicker fuhren erst gar nicht in
die Domstadt. Wenig begeistert waren hierüber nicht nur die
Käufer, sondern auch der Rat der Stadt. Also beschloß man wieder
eine Verkürzung und eine Verlegung des Geschehens. Die Messe
sollte künftig von Montag vor Allerheiligen bis zum Samstag
danach dauern. Damit fand die Herbstmesse aber zeitgleich mit der
AllerheiligenMesse im benachbarten Worms und dem
SauerkrautMarkt im kurpfälzischen St. Leon statt.
Der Pfälzische Erbfolgekrieg hatte im besonderen der Pfalz den
Garaus gemacht. Die Bürger von Speyer und Worms gingen ab 1700
wieder daran, ihre völlig zerstörten Städte aufzubauen. 1706
einigten sie sich darauf, daß die beiden Herbstmessen
nacheinander abgehalten werden sollen. Somit konnten Wormser und
Speyerer Kaufleute an beiden Messen teilnehmen.
Das Jahr 1811 Speyer war damals französisch brachte einen
erneuten Einschnitt in die Tradition der Herbstmesse. Gemeinsam
mit der Frühjahrsmesse wurde das HerbstPendant auf drei Tage
verkürzt und in einen Jahrmarkt umgewandelt. Die Tradition der
Waren und Handelsmesse fand damit ein Ende.
Im 19. Jahrhundert wurde die Herbstmesse als Jahrmarkt wieder
ausgebaut, sie wurde wieder zunehmend umfangreicher beschickt,
was zur Folge hatte, daß Schieß, Kunstbuden oder Karussells auf
dem Königsplatz aufgebaut werden mußten, die Verkaufsbuden aber
vorbehaltlich in der Hauptstraße aufgeschlagen wurden. Obwohl die
Geschäftsleute gegen eine erneute Verlängerung der Herbstmesse
eingestellt waren, blieb der Rat der Stadt bei seiner
entsprechenden Entscheidung.
Auch ein Antrag der Protestantischen Kirchen, die Messe schon
wieder zu verlegen, da sie an den herbstlichen Feiertagen die
„Leut von den Gottesdiensten abhalte“ und den Jugendlichen
„Versuchungen böte“, wurde vom Rat verworfen.
Trotz aller Terminverschiebungen, trotz zahlreicher Regengüsse,
kalter Tage, Einsprüchen, Bedenken oder Konkurrenzmessen hat die
Speyerer Herbstmesse nun über 750 Jahre lang durchgestanden und
ist zu einem Bestandteil des Lebens links und rechts des Rheines
geworden.
Aus: Kurpfälzer Anzeiger, 26.10.1994, og