Spaziergang durch eine wechselvolle Vergangenheit
15.09.10 (Reilingen)
„Freunde Reilinger Geschichte“ hatten aus Anlass des „Tages des offenen Denkmals“ zu einem Rundgang durch das Reilinger Unterdorf eingeladen / Philipp und Hildegard Bickle, Otmar Geiger und Wolfgang Müller als kenntnisreiche Begleiter
Zu einem abwechslungsreichen Spaziergang durch die wechselvolle Vergangenheit des Reilinger Unterdorfes hatten die „Freunde Reilinger Geschichte“ aus Anlass des „Tags des offenen Denkmals“. Wie groß derzeit das Interesse an heimatkundlichen Themen in der Spargelgemeinde ist, machten die vielen Zuhörer auf dem Parkplatz neben dem historischen Wirtshaus „Zum Löwen“ deutlich. Dicht gedrängt stand man hier zunächst im früheren Bachbett des ehemaligen Mühlbaches, der einst direkt am heutigen Heimatmuseum vorbei floß. Bürgermeister Walter Klein zeigte sich in einer kurzen Ansprache erfreut über das große Interesse an der Reilinger Dorfgeschichte, und dankte zugleich den „Freunden Reilinger Geschichte“ für deren langjähriges ehrenamtliches Engagement und die Verdienste um die Heimatgeschichte.
Auf der für sie typischen Art führten zunächst Philipp und Hildegard Bickle in die geschichtlichen Hintergründe des alten, 1286 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes „villa Reutling“ ein. Gewandet wie ein spätmittelalterliches Bauernpaar zeigten sie anhand von alten Fotos, Skizzen und Plänen die Entwicklung der kleinen Siedlung im Schatten der bedeutenden Burg Wersau auf. Diese Informationen griff dann Otmar Geiger auf, um die Bedeutung von Reilingen in der alten Zeit aufzuzeigen. An einer in allen Jahrhunderten wichtigen Wegstrecke liegend, entwickelte sich die heutige Spargelgemeinde zu einem typischen Straßendorf, dass von Gräben und Dornenhecken nur leidlich geschützt war. Bedeutungsvoll aber war die Lage direkt an einer Römer- und der späteren Kaiserstraße, die von Prag kommend über Nürnberg und Wimpfen nach Speyer führte. So kamen in den letzten 1000 Jahren nicht nur viele Kaiser, Könige, Kurfürsten und Bischöfe durch den kleinen Ort an der unteren Kraich, sondern auch Kaufmannszüge, Pilger und Handwerker nahmen in den ehemals drei großen Wirtshäusern Quartier.
Somit war klar, dass diese im im Mittelpunkt des weiteren Verlaufs des Rundganges standen. So war zu erfahren, dass sie allesamt Schildwirtshäuser waren, also das kurfürstlich-priviligierte Recht hatten, Gäste zu beherbergen und Speisen verkaufen zu dürfen. War dem „Löwen“ lange Zeit die Zollstelle zugeordnet, betrieb der Engelwirt zugleich auch die Posthalterei im Dorf. Und die Postkutschen hielten stets vor dem „Hirschen“. Kein Wunder also, dass auch dort Reilingens erste Tankstelle zu finden war. Vorbei am Platz der alten Wendelinskirche auf dem heutigen Rathausplatz kamen die Geschichtsspaziergänger zur evangelischen Weinbrenner-Kirche. Nach einigen Erklärungen von Philipp Bickle zur Kirchengeschichte stellte Wolfgang Müller die Orgel vor. Und das nicht nur in Wort und Theorie, sondern auch mit einem beeindruckenden Bespielen der „Königin“ der Instrumente.
Auf dem Weg zurück zum Ausgangpunkt des Rundganges ging Otmar Geiger noch auf die Geschichte der Wasserversorgung in Reilingen ein, berichtete von den hygienischen Verhältnissen in der „guten alten Zeit“ und zeigte die früheren Standorte von Rathaus und der ersten Kirche auf.
Nach dem fast dreistündigen Bummel durch die Heimat- und Dorfgeschichte waren sich die Zuhörer und Referenten einig, dass die Geschichte der Spargelgemeinde so vielseitig ist, dass öfters solche Rundgänge stattfinden sollten. Gerade im Vorfeld des 725-jährigen Gemeindejubiläums im kommenden Jahr zudem die beste Gelegenheit, noch mehr über die wechselvolle Vergangenheit von Reilingen zu erfahren.