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Als die Pfälzer in das bayerische Ständehaus einzogen

12.11.94 (Geschichte allg.)

Mitten im Winter 1819 mußten sie aufbrechen, die zwölf Pfälzer
Deputierten zur ersten Ständeversammlung des Königreiches Bayern,
dem Landtag, wie man bald sagte. Sie hatten einen weiten und
beschwerlichen Weg vor sich in die Haupt und Residenzstadt
München. Einziges Verkehrsmittel war die Königlichbayerische
Post mit ihren wenig komfortablen Kutschen. So brauchten sie zur
Bewältigung der winterlichen Strecke sechs Tage, bis sie sich
schließlich bei der Einweisungskommission im Ständehaus an der
Münchner Prannerstraße melden konnten. Dort, hinter dem heutigen
Hotel Bayerischen Hof, tagte der Bayerische Landtag von 1819 bis
zu seiner Aufhebung 1933 durch die Nationalsozialisten.

Es war zugleich aber eine Fahrt ins Ungewisse, denn ein Parlament
hatte es bisher noch nicht gegeben. Niemand wußte so genau, wie
so etwas funktionieren sollte. Für die Pfälzer war es zudem auch
eine nicht ganz ungefährliche Reise in die Vergangenheit. Eine
Reise zurück in das Feudalzeitalter, das sie seit dem Einmarsch
der französischen Revolutionstruppen 1793 hinter sich gelassen
hatten.

Als der damalige Rheinkreis, den König Ludwig I. zwanzig Jahre
später in Pfalz umbenannte, am 30. April 1816 achte Provinz des
Königreiches Bayern geworden war, da gehörte er mit seinen
revolutionären Institutionen wie Gewerbe, Presse und
Vereinsfreiheit, Trennung der Justiz von Verwaltung und Polizei,
Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen, dem Landrath, das heißt
dem Vorläufer des Bezirkstages, und anderem schon ganz der
modernen Staatenwelt des 19. Jahrhunderts an. Die Pfälzer hatten
ihre Institutionen vehement verteidigt als sie bayerisch wurden,
und der bayerische Staatsminister Montgelas hatte sie ihnen auch
belassen, denn die Pfalz sollte ein Modell für die Entwicklung
des übrigen Bayern sein.

Das wurde ein mühsames, Jahrzehnte dauerndes Ringen und hatte oft
genug für ganz erhebliche Spannungen zwischen der Pfalz und
München gesorgt. Die Abgeordneten der Pfalz waren wegen ihrer
jüngsten Geschichte fast durchweg liberal, teilweise auch
radikaldemokratisch oder gar republikanisch. Temperamentvoll,
wie es nun mal Pfälzer Art ist, und mit geradezu missionarischem
Eifer taten sie ihre Meinung kund, als die Ständeversammlung nach
wochenlangen Formalien und feierlichen Gottesdiensten in allen
Münchner Kirchen endlich ihre erste öffentliche Sitzung begann.
Schnell sorgten sie für Unruhe, und so verwunderte es nicht, daß
der erste Ordnungsruf im bayerischen Parlament am 31. März 1819
einen Pfälzer traf.

Es lag in der Natur der Sache, daß die Verbündeten der Pfälzer
die altbayerischen, besonders aber die fränkischen und
schwäbischen Liberalen waren. Heftiger Widerstand kam von den
Konservativen in der Versammlung, die überdies die erste Kammer,
die der Reichsräte, dominierten und im König sowie in der
Regierung starken Rückhalt besaßen. Zunächst verband noch die
landsmannschaftliche Zugehörigkeit die Abgeordneten miteinander.
Fraktionen und Parteien entwickelten sich erst langsam nach der
Revolution von 1848.

Anders als den Franken war es den Pfälzern gleich zu Beginn
gelungen, in vier Ausschüssen Sekretäre zu stellen. Insgesamt
fielen von 1819 bis 1933 auf die Pfalz 440 Mandate. Wegen
mehrmaliger Wiederwahlen zogen in den 114 Jahren rund 350
Abgeordnete aus der Pfalz in das bayerische Parlament ein 
darunter lediglich zwei Frauen. Zurückblickend läßt sich
feststellen, daß nur wenige Pfälzer in hohe politische Ämter
aufgestiegen sind. Vier Abgeordnete wurden in Zeit der Monarchie
Minister, zwei weitere in der Zeit der Republik. Von diesen
wiederum war Johannes Hoffmann von 1919 bis 1920
erster freigewählter Ministerpräsident des Freistaates Bayern.
Dreimal wurde ein Pfälzer zum Kammer bzw. Landtagspräsidenten
gewählt.

Aus: Rheinpfalz, Hans von Malottki, 12.11.1994

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