* Andächtige Momente beim Schuhe putzen …
25.10.10 (* Wersau-Forschung, * Wersauer Tagebuch)
Hektik ergreift mich! Fast hätte ich es wieder vergessen, für Hella & The Rentners das Tor der Werkstatt aufzuschließen. Der Nebel liegt noch über den Feldern als ich gegen 9 Uhr endlich rauskomme. Die Wersau liegt ruhig da, das Haupttor ist bereits offen. Ein gutes Zeichen: das LDA-Grabungsteam ist vor Ort. Zwar kann ich auf den ersten Blick niemanden entdecken – aber an den wenigen Sprossen einer Leiter erkenne ich, die Leute müssen wohl schon „im Loch“ sein.
Und so ist es auch: In meinen offenen Sandalschuhen laufe ich durch das vom Frost der Nacht noch angereifte Gras, es ist kalt, meine Füße werden nass. Da muss ich aber durch, es gibt ja keinen anderen Weg. Und dass meine Schuhe und Hosen in den letzten Wochen eh immer wieder schmutzig und verdreckt sind, daran habe ich mich – im Gegensatz zu meiner Frau Regina – längst gewöhnt. An dem „Schmutz“ der Wersau ist was besonderes, was historisches. Ist sind fast andächtige Momente beim Schuhe putzen. Langsam, gaaaaaanz laaaaangsam löse ich die Vergangenheit von meinen Schuhen, traue mich fast nicht, den Dreck irgendwo im Gelände verschwinden zu lassen. So müssen sich Schliemann und Carter gefühlt haben als sie Troja und Tut Ench Amun ausgegraben haben!
„Das ist doch nur Dreck“, bringt mich meine 12-jährige Tochter Daniela wieder zurück auf den Boden der Realität. Aber ist es nicht auch Realität, dass wir draußen auf der Wersau nahezu jeden Tag was Neues, was Unbegreifliches entdecken? So wie heute beispielsweise: Eigentlich wollten die Grabungsleute nur die beiden (Brücken-)Fundamentebereich etwas reinigen und deutlicher herausarbeiten. Aber unsere Wersau ist halt immer wieder für eine Überraschung gut: Gleich neben dem gewaltigen Fundamentteil nächst zum alten Mühlengebäude (aber auf der anderen Seite) kommen plötzlich Bodenplatten zum Vorschein, ebenso in den Boden gerammte Balken und Hölzer. Und auch beim zweiten Fundamentstück zeigen sich neue Spuren.
Je länger die Grabungsarbeiten dauern, um so mehr Funde ! Und um so mehr offene Fragen. Die Wersau gibt nur in gesundheitsverträglichen Dosen (also Einheiten) ihre uralte Geschichte, ihre wechselvolle Vergangenheit ab. Gut für mich, aber doch wieder nicht: Wollen die wirklich jetzt zum Winter alles zuschieben! Frust macht sich breit, als ich bei untergehender Sonne ein letztes Mal über das Gelände laufe – und meine Schuhe schon wieder schmutzig werden …