Auf alte närrische Qualitäten besonnen
19.02.06 (Hockenheim)
Großartige Prunksitzung in der Stadthalle / Erste Hockenheimer Carnevals-Gesellschaft bietet „Abend mit viel Neuerungen“ / Viel Lokalkolorit, Tanz und Musik
Temperamentvoll wie der Fanfarenzug der Rennstadt in seinen prächtigen Uniformen für den Auftakt sorgte, ließ das Katastrophenorchester Altenglan nach Mitternacht die Prunksitzung der Ersten Großen Hockenheimer Carnevals-Gesellschaft lebhaft ausklingen. Knapp fünf Stunden voller Stimmung, Spass und Musik erlebten am Samstagabend die vielen Besucher in der fast bis auf den letzten Platz ausverkauften Stadthalle. Aus der nicht so ganz gelungenen Prunksitzung des vergangenen Jahres hatten die Programmgestalter um Präsident Thomas Wünsche und Sitzungspräsident Klaus Zizmann die entsprechenden Konsequenzen gezogen. Als „Abend mit vielen Neuerungen“ angekündigt, erlebte das ausgesprochen gut gelaunte Publikum eine närrische Veranstaltung, die nicht nur den Anschluss an die früheren HCG-Prunksitzungen fand, sondern zugleich auch verdeutlichte, dass ein mutiger Rückschritt in vielen Fällen auch ein Fortschritt bedeuten kann. Bewusst wurde auf ein in größten Teilen zusammengekauftes Programm verzichtet, auch der oft nervende Klang der bisher scheinbar unbedingt erforderlichen Guggenmusiken war an diesem Abend in der Stadthalle nicht zu hören. Die Rückbesinnung auf eigene Kräfte, ein gehöriger Schuss Lokalkolorit, viel Musik und tolle Tanznummern tat der diesjährigen Prunksitzung gut, die Stimmung im fastnachtlich geschmückten Saal war ausgezeichnet. Sicher auch ein Mitverdienst des Kapellmeisters Rüdiger Kramer von der „RK Music“ und der aufmerksamen Ton- und Lichtregie der Stadthallentechnik. Sie alle sorgten mit den Aktiven auf und hinter der Bühne dafür, dass die Besucher im Saal ein paar unbeschwerte und sorgenfreie Stunden bei der HCG verbringen konnten.
Begonnen hatte der Abend wie jede Prunksitzung der letzten 52 Jahre mit dem farbenfrohen und klangvollen Einmarsch des Fanfarenzugs der Rennstadt, der Garden und des Elferrats. Mit dabei in diesem Jahr die „Narhalla“ aus Ketsch mit Ihrer Lieblichkeit Stefanie I. an der Spitze.
Mit südamerikanischen Klängen sorgten die blau-weißen Landsknechte unter der Leitung von Peter Ehringer gleich für einen furiosen Auftakt im Saal. Die „Fidelen Kraniche“ aus der Pfalz nahmen mit ihren Liedern diese Stimmung auch sofort auf. „Fastnacht is nur ämol bei uns am scheene Rhoi“ klang es vielstimmig durch den Saal. Nicht minder großartig auch der erstmalige Auftritt der „Singenden Senatoren“ mit ihrer Sängerin Lydia Uehlein. Eine klasse Idee und ein lobenswerter Entschluss der HCG-Senatsmitglieder, sich einmal selbst aktiv in eine Prunksitzung mit einzubringen. Die bekannten Melodien, mehr noch aber die auf Hockenheim zugeschnittenen Texte von Klaus Zizmann heizten die Stimmung im Saal weiter an, die schließlich nur noch mit dem Auftritt der „Bänkelsänger“ weiter gesteigert werden konnte. Ganz im Stil ihrer Mutter Maria Kneis, der in Hockenheim legendären „Putzfrau vom Rathaus“, zeigten sich Lioba Scheurer und Carola Kühnle auch nach ihrer mehrjährigen Abstinenz von der HCG-Bühne wieder bestens informiert („Un wanns sei muß a hinnerum!“) über die Ereignisse in der Rennstadt. Wie gewohnt nahmen sie kein Blatt vor ihre „Schlappgoschen“, hofften, dass die Besucher in der Stadthalle „a satt gworre sinn“, und stellten die Sparkassendirektoren Rainer Arens und Michael Hartmann als Asterix und Obelix von Hoggene vor. Dem noch pfälzischen OB Dieter Gummer bescheinigten sie, bereits ein echter Baden-Württemberger zu sein: „Der kann jo alles – außer Hochdeutsch“. Der Wunsch der Bänkelsängerinnen, den OB doch auch mal persönlich kennenzulernen, wurde von diesem umgehend auch erfüllt. Nur wird dem Stadtoberhaupt der Sprung auf die Bühne teuer zu stehen kommen: da er in der Eile vergass, seine Senatorenmütze aufzusetzen, muss er nun 111,11 Euro Narrenstrafe in die HCG-Kasse einbezahlen.
Nach so viel Lokalkolorit sorgten weitere Büttenredner für einen Blick über die Stadtgrenzen hinaus. Mit Michael Mieger hatte die HCG an diesem Abend einen echten Knüller an Land gezogen, der als „Till“ alle Ecken und „Enden“ der bundesdeutschen Politik durch seinen närrischen Spiegel betrachtete. „Wenn die’s machen, wie wir gewollt, kommt nach Schwarz-Rot auch wieder Gold.“ Eine geschliffene politische Bütt, die für Begeisterung sorgte – wohl auch deswegen, weil der gereimte und fast 20-minütige Vortrag ohne Manuskript oder Spickzettel vorgetragen wurde.
Die Bürden und Sorgen eines Rentners gab HCG-Sitzungspräsident Klaus Zizmann zum besten. Ein gelungener Vortrag, der mit ebenso viel Beifall bedacht wurde wie der Prolog zu Beginn der Prunksitzung. Dieser hatte ganz im Zeichen des Hockenheimrings und dessen Rettung gestanden. „Trotz vieler Parolen, vom Land war nichts zu holen. Welch traurige Nummer, geholfen haben schließlich die Stadt, und ihr OB, der Dieter Gummer.“
Und für Kokolores und Kalauer waren am Samstagabend das kurpfälzische Büttenass Werner Beidinger als „Musikprofessor“ sowie Eckart Güttler und Michael Luksch als „Boxer und Michel“ zuständig. Auftritte, die beim Publikum wie immer gut ankamen.
Grandios an diesem Abend aber auch die Garden und Tanzmariechen der HCG. Putzig der erste gemeinsame Auftritt von Jugend- und Purzelgarde, voller Schwung die Juniorengarde und mit den hübschesten Beinen von Hockenheim die Aktivengarde. Voller Anmut und Grazie die Tanzmariechen Ema Meiler, Denise Luthard und Nina Vogel, vielversprechend auch die Premiere des Tanzpaares Nadine Waas und Patrick Wünsche. Sehenswert und mit viel Beifall belohnt wurde der gemeinsame Schautanz von Fanfarenzug-Aktiven und Tänzerinnen der HCG, der ganz besonders zum WM-Jahr passte. Und auch den „Uhus“, dem Männerballett der HCG, wurde gerne und überaus herzlich applaudiert.
Erwähnenswert aber auch die Leistung von Gerhard Rohr, der bei den Bühnenauftritte von Klaus Zizmann als Sitzungspräsident schwungvoll durch das Programm führte.
Für den krönenden Abschluss des närrischen Abends war dann das TV-bekannte Katastrophenorchester aus Altenglan zuständig. Mit „Lass mich heue Nacht dein Knutschbär sein“ sorgte der amtierende „Pälzer Krischer“ Peter Jochen Degen mit seinen Musikern für ein großartiges Finale, das nicht nur so richtig zur diesjährigen HCG-Prunksitzung passte, sondern auch auf ein Fortbestehen der traditionellen „Hoggemer Fasnacht“ hoffen lässt.