Aus früheren Hausnachbarn europäische Nachbarn machen
29.10.05 (Reilingen)
Tanja Durdev aus Serbien als Praktikantin im Friedrich-Oberlin-Kindergarten / Deutsch wieder zugelassene Sprache in der Vojvodina / Erinnerungen an Donauschwaben
Immer wenn Tanja zu einem Märchenbuch greift oder dazu einlädt, mit ihr zu singen, wird es in der Spatzengruppe des Reilinger Friedrich-Oberlin-Kindergartens lebendig. Die Buben und Mädchen drängen sich um die junge Frau, jeder hofft, einen Platz genau neben ihr zu bekommen. Langsam, fast bedächtig spricht sie mit den Kindern, die aufmerksam ihren Worten lauschen – und dies trotz einer ungewohnten sprachlichen Einfärbung. Tanja kommt aus Serbien und hospitiert derzeit im Oberlin-Kindergarten. Praktikantinnen sind in dieser Einrichtung eigentlich nichts Ungewöhnliches. Dass aber eine 28-jährige Erzieherin aus der Vojvodina für vier Wochen zu Gast ist, ist auch für Reilinger Verhältnisse eine Besonderheit. Die Vojvodina ist eine Teilrepublik, die einst zu Jugoslawien gehörte, seit einigen Jahren aber ein Teil des neu entstandenen Staates Serbien ist. Geprägt wird die Vojvodina durch 20 verschiedene Volksgruppen, die in den Regionen Banat, Batschka und Srem leben. Gesprochen werden dort sieben Sprachen, darunter Ungarisch, Slowakisch und Deutsch. Noch heute erinnern „typisch deutsche“ Städte und Dörfer an die Kolonisation durch die Donauschwaben. Im 18. Jahrhundert waren viele Pfälzer, Hessen, Schwaben und Bayern von Ulm aus auf der Donau in die neuen Siedlungsgebiete im pannonischen Raum des habsburgischen Kaiserreichs gekommen. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägten die Deutschen so die Kultur, für über 500 000 Menschen blieb Deutsch die Muttersprache. Mit Ende des zweiten Weltkriegs folgte jedoch die Vertreibung der Donauschwaben, deutschen Traditionen wurden unterdrückt, die deutsche Sprache mit einem Tabu belegt.
Inzwischen macht sich aber auch in diesen Teilen des einstigen Vielvölkerstaates Jugoslawien eine Liberalisierung bemerkbar. Gerade von der jungen Generation wird die historische Vergangenheit bewusst aufgearbeitet. In 15 Gemeinden der Vojvodina haben Erzieherinnen, Eltern sowie die Träger der staatlichen Kinderhorts und Kindergärten sogar beschlossen, Deutsch als zweite Sprache in der Kinderfrüherziehung zu lehren.
Um den Erzieherinnen dieser Einrichtungen die Gelegenheit zu geben, sich intensiv mit der deutschen Sprache und der Arbeit in deutschen Kindergärten vertraut zu machen, besuchen derzeit acht Erzieherinnen auf Einladung des Hilfskomitees der deutschen Evangelischen Landeskirche aus dem ehemaligen Jugoslawien und mit Unterstützung des Diakonischen Werks der evangelischen Landeskirche in Baden verschiedene Kindergärten in der Region zwischen Mannheim und Karlsruhe.
Für Andrea Ballreich, der Sekretärin von Bürgermeister Walter Klein, keine Frage, sich als aktives Mitglied des Hilfskomitees (ihre Familie stammt aus Novi Sad, dem ehemaligen Neusatz in der Batschka und wurde nach der Vertreibung in Hockenheim heimisch) dafür einzusetzen, auch in der Spargelgemeinde einen Praktikumsplatz bereitzustellen. Für Pfarrer Wilhelm Nauber von der evangelischen Kirchengemeinde keine Frage, diesem Wunsch nach Rücksprache mit der Kindergartenleitung sofort zuzustimmen.
Nach zwei Wochen fühlt sich Tanja Durdev (sie hat wie alle Erzieherinnen in Serbien ein abgeschlossenes Studium als Grundschullehrerin) in Reilingen bereits wie zuhause. Dank ihrer guten Deutschkenntnisse fiel der erste Kontakt nicht schwer. Besonders angetan ist sie aber von der Reilinger Bevölkerung: „Die Menschen sind hier unglaublich offen, hilfreich und voll spontaner Herzlichkeit.“
Im Oberlin-Kindergarten habe sie sich sofort wohl gefühlt, die Kinder hätten sie mit offenen Armen empfangen, die Kolleginnen nicht minder freundlich. Mit leuchtenden Augen erzählt Tanja Durdev aber auch von ihrer Gastmutter Gertrud Hopf und der Metzgerei Ehehalt, wo sie täglich zur Mittagszeit verpflegt wird. Und mit Andrea Ballreich, Gertrud Hopf sowie der Leiterin der Spatzengruppe, Marlies Nitsche, habe sie bereits soviel vom deutschen Leben und den Sehenswürdigkeiten der Region kennenlernen dürfen, wie sie zuvor eigentlich nie erwartet hätte. „Selbst zum Reilinger Kerwetanz wurde ich eingeladen.“
Trotz dieser vielen positiven Erfahrungen ist es der jungen Frau aber am wichtigsten, so viel als möglich von der Arbeit im Kindergarten mitzubekommen. Auch wenn viele Punkte mit ihrer Tätigkeit in Novi Sad übereinstimmen würden, sei sie begierig, vor allem Spiele, Kinderlieder, Tänze und Geschichten kennenzulernen. „Mein Notizbuch ist inzwischen voll mit neuen Ideen und Anregungen“, erklärt sie und strahlt ganz besonders, wenn sie von der Kassette mit Kinderliedern berichtet, die die Reilinger Buben und Mädchen in der Spatzengruppe des Oberlin-Kindergartens eigens für sie besungen hätten. „Das ist nicht nur eine schöne Erinnerung an die Zeit in Reilingen, sondern für mich auch eine wertvolle Hilfe für meine zukünftige Arbeit zu Hause.“
Und ein bisschen stolz ist Tanja Durdev aber auch darauf, den Kindern in Novi Sad die deutsche Sprache und Kultur näher bringen zu können. Aber auch hier in Deutschland die negativen Eindrücke nach den Kriegsjahren unter Milosevics zu relativieren. „Dies alles ist ein ganz wichtiger Beitrag, die noch bestehenden Vorurteile unter den Völkern abzubauen, und so den Weg zu einem gemeinsamen und friedlichen Europa zu ebnen.“ Und für Andrea Ballreich in Erinnerung an die donauschwäbische Vergangenheit ihrer und vieler anderer Familien die einmalige Chance, „aus unseren früheren Hausnachbarn nunmehr europäische Nachbarn zu machen.“
Inzwischen macht sich aber auch in diesen Teilen des einstigen Vielvölkerstaates Jugoslawien eine Liberalisierung bemerkbar. Gerade von der jungen Generation wird die historische Vergangenheit bewusst aufgearbeitet. In 15 Gemeinden der Vojvodina haben Erzieherinnen, Eltern sowie die Träger der staatlichen Kinderhorts und Kindergärten sogar beschlossen, Deutsch als zweite Sprache in der Kinderfrüherziehung zu lehren.
Um den Erzieherinnen dieser Einrichtungen die Gelegenheit zu geben, sich intensiv mit der deutschen Sprache und der Arbeit in deutschen Kindergärten vertraut zu machen, besuchen derzeit acht Erzieherinnen auf Einladung des Hilfskomitees der deutschen Evangelischen Landeskirche aus dem ehemaligen Jugoslawien und mit Unterstützung des Diakonischen Werks der evangelischen Landeskirche in Baden verschiedene Kindergärten in der Region zwischen Mannheim und Karlsruhe.
Für Andrea Ballreich, der Sekretärin von Bürgermeister Walter Klein, keine Frage, sich als aktives Mitglied des Hilfskomitees (ihre Familie stammt aus Novi Sad, dem ehemaligen Neusatz in der Batschka und wurde nach der Vertreibung in Hockenheim heimisch) dafür einzusetzen, auch in der Spargelgemeinde einen Praktikumsplatz bereitzustellen. Für Pfarrer Wilhelm Nauber von der evangelischen Kirchengemeinde keine Frage, diesem Wunsch nach Rücksprache mit der Kindergartenleitung sofort zuzustimmen.
Nach zwei Wochen fühlt sich Tanja Durdev (sie hat wie alle Erzieherinnen in Serbien ein abgeschlossenes Studium als Grundschullehrerin) in Reilingen bereits wie zuhause. Dank ihrer guten Deutschkenntnisse fiel der erste Kontakt nicht schwer. Besonders angetan ist sie aber von der Reilinger Bevölkerung: „Die Menschen sind hier unglaublich offen, hilfreich und voll spontaner Herzlichkeit.“
Im Oberlin-Kindergarten habe sie sich sofort wohl gefühlt, die Kinder hätten sie mit offenen Armen empfangen, die Kolleginnen nicht minder freundlich. Mit leuchtenden Augen erzählt Tanja Durdev aber auch von ihrer Gastmutter Gertrud Hopf und der Metzgerei Ehehalt, wo sie täglich zur Mittagszeit verpflegt wird. Und mit Andrea Ballreich, Gertrud Hopf sowie der Leiterin der Spatzengruppe, Marlies Nitsche, habe sie bereits soviel vom deutschen Leben und den Sehenswürdigkeiten der Region kennenlernen dürfen, wie sie zuvor eigentlich nie erwartet hätte. „Selbst zum Reilinger Kerwetanz wurde ich eingeladen.“
Trotz dieser vielen positiven Erfahrungen ist es der jungen Frau aber am wichtigsten, so viel als möglich von der Arbeit im Kindergarten mitzubekommen. Auch wenn viele Punkte mit ihrer Tätigkeit in Novi Sad übereinstimmen würden, sei sie begierig, vor allem Spiele, Kinderlieder, Tänze und Geschichten kennenzulernen. „Mein Notizbuch ist inzwischen voll mit neuen Ideen und Anregungen“, erklärt sie und strahlt ganz besonders, wenn sie von der Kassette mit Kinderliedern berichtet, die die Reilinger Buben und Mädchen in der Spatzengruppe des Oberlin-Kindergartens eigens für sie besungen hätten. „Das ist nicht nur eine schöne Erinnerung an die Zeit in Reilingen, sondern für mich auch eine wertvolle Hilfe für meine zukünftige Arbeit zu Hause.“
Und ein bisschen stolz ist Tanja Durdev aber auch darauf, den Kindern in Novi Sad die deutsche Sprache und Kultur näher bringen zu können. Aber auch hier in Deutschland die negativen Eindrücke nach den Kriegsjahren unter Milosevics zu relativieren. „Dies alles ist ein ganz wichtiger Beitrag, die noch bestehenden Vorurteile unter den Völkern abzubauen, und so den Weg zu einem gemeinsamen und friedlichen Europa zu ebnen.“ Und für Andrea Ballreich in Erinnerung an die donauschwäbische Vergangenheit ihrer und vieler anderer Familien die einmalige Chance, „aus unseren früheren Hausnachbarn nunmehr europäische Nachbarn zu machen.“