Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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* "Bis doher, unn näd weider!"

10.09.07 (Neulußheim, Reilingen)

Freunde Reilinger Geschichte und Heimatverein Neulßheim hatten zur historischen Grenzbegehung eingeladen / An das „Grenzstäbumbe“ von 1729 erinnert / Akteure in alten Gewändern
Wie lebendig und aktuell die Heimatgeschichte sein kann, erlebten am Sonntagnachmittag über einhundert „Zeitreisende“ aus Neulußheim, Reilingen und weiteren umliegenden Gemeinden. Aus Anlass des bundesweiten „Tag des Denkmals“ hatten die Freunde Reilinger Geschichte gemeinsam mit dem Heimatverein Neulußheim zu einem Ausflug in die regionale Geschichte eingeladen. Sich orientierend an den traditionellen, historisch belegten Grenzumgängen ging es für über zwei Stunden entlang eines Teils der Gemarkungsgrenze zwischen den beiden Gemeinden. Für das geschichtliche Grundwissen sorgten zunächst Philipp Bickle als hoch gebildeter Herr Magister und Hans-Peter Rausch in der Rolle des württembergischen Landpflegers Julius Schickardt. Da beide ganz in der Mode des frühen 18. Jahrhunderts gekleidet waren, fiel es den Zuhörern recht leicht, sich in das Jahr 1729 entführen zu lassen. Eine Zeit, als sich östlich des alten Lussheim eine neue Siedlung zu entwickeln begann, ein Ort dem lange nachgesagt wurde, fast nur Taugenichtse, Wilderer, Schmuggler und Tagediebe zu beherbergen. Klar, dass diese historische Überlieferung immer wieder für verbale Raufereien zwischen den Delegationen aus Lusshofen, dem späteren Neulußheim, und Reutlingen, also dem heutigen Reilingen, sorgten. Allen voran natürlich der Wersauer Burgwächter (Otmar A. Geiger), der als Vertreter der kurpfälzischen Administration genau darauf achtete, dass „kääner vun dene Schwobeseckel“ (die beiden Lußheimer Gemeinden gehörten bis 1805 zum Herzogtum Württemberg) sich auch nur getraute, die Landesgrenze zu überschreiten: „Bis doher, unn näd weider!“ Als es einem mit einer Heugabel bewaffneten Lusshofener Tagelöhner (Richard Eichhorn) doch gelang, von einem Reilinger Feld eine handvoll „Gellerriebe“ zu entwenden, hatte der Reilinger Dorfgendarm (Fritz Anseltment) so seine liebe Not, mit dem Eindringling fertig zu werden.
Neben den kurzen Spielszenen, in deren Verlauf auch des Schickardts Weib (Gisela Jahn) beteiligt war, waren es vor allem die Erläuterungen der engagierten Heimatforscher aus beiden Gemeinden, die viel Wissenswertes, Bekanntes, aber auch Unbekanntes zu Tage förderten. So lernten die Teilnehmer des Rundgangs anhand von noch heute deutlich sichtbaren Bodenmerkmalen den früheren Verlauf der Gemarkungs- und Landesgrenze kennen, die die kurpfälzischen Dörfern Reilingen und Hockenheim (Kurpfalz) vom württembergischen Lußheim sowie dem fürstbischöflich-speyerischen St. Leon und Kirrlach trennte. Spannend auch die Hinweise auf die früheren Römer-, Kaiser- und Handelsstraßen, die sich im Bereich zwischen Reilingen und Neulußheim schnitten, einen großen römischen Friedhof in der Lußhardt oder den Raubbau, den die späteren Neulußheimer mit dem kleinen Wald in Richtung Spargelgemeinde betrieben.
Der Ausflug in die Heimatgeschichte wurde für die vielen Teilnehmer als auch die Vertreter der beiden Heimatvereine zu jenem „gar trefflich Vergnügen“, zu dem sich bereits 1729 Vertreter aus beiden Gemeinden getroffen hatten. Ziel der gemeinsamen Grenzbegehung war damals, anhand der Grenzsteine und Landmarken den inzwischen 16-jährigen Jungmännern klar und deutlich zu zeigen, wo die eigene Gemarkung endet und der jeweilige andere Herrschaftsbereich beginnt. Und da die Lußheimer schon jeher etwas begriffsstutzig waren, wurden sie vom Reilinger Schultheiß (Heinrich Dorn) immer wieder mit dem Kopf an die Grenzsteine „gebummt, bis dass ä Hörnl wächset“. Ein Glück aber für den Jungmann-Darsteller Timo Foitzik, dass die meisten alten Grenzsteine dank „fleißiger Sammler“ inzwischen nicht mehr an der Gemarkung zu finden sind, so dass dieses Mal das „Grenzstoibumbe“ von eher symbolischer Art war.
Das Ende der Grenzbegehung war dann wieder ganz historisch: Egal nun, aus welchem Ort man zu dieser Veranstaltung gekommen war, traf man sich am Stand der Marketenderin Hildegard Bickle, wo bei Lußheimer Gewürzbrot und frisch geernteten Reilinger Äpfeln nicht nur die inzwischen gutnachbarlichen Beziehungen gepflegt wurden, sondern auch der Reilinger Bürgermeisterstellvertreter Bernhard Krämer allen Akteuren für einen erlebnisreichen Sonntagnachmittag dankte. (ara)

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