Brot für die "Armen Seelen"
31.10.98 (Brauchtum & Tradition)
Bereits in vorchristlicher Zeit waren zahlreiche Totenkulte und verehrungen bekannt. Nach der Christianisierung der Franken und Alemannen, der Neckarsueben und Merowinger machte es die Vielzahl der verehrungswürdigen Heiligen der Kirche notwendig, einen gemeinsamen Gedenktag für diejenigen einzurichten, für die im Jahreslauf kein Tag mehr zur Verfügung stand. In einem aus dem 6. Jahrhundert noch erhaltenen Heiligenverzeichnis künden noch heute über 5.000 Märtyrer und knapp 9.000 Heilige von der Vielzahl der zu Ehrenden.
Papst Gregor IV. legte selbst im Jahre 835 den Termin für das „Fest aller Heiligen“ also Allerheiligen fest: den 1. November. Noch im gleichen Jahr wurde dieses hohe Kirchenfest auch vom deutschen Kaiser Ludwig dem Frommen in seinem Reichsgebiet eingeführt. Der Gedenktag für die Toten wurde erst später eingeführt und von der Kirche anno 998 auf den 2. November gelegt.
Vor allem mit dem „Fest aller Seelen“ knüpfte man an eine vorchristliche Tradition an, um den zum Teil immer noch religiös schwankenden Volksstämmen entgegenzukommen. Vor allem im nördlichen Europa hatte sich der Brauch erhalten, ein Totenfest gleich im Anschluß an das Erntefest zu feiern. Symbolisch hatte man damals den Termin auf die Wende vom
Herbst zum Winter gelegt. Dies hatte auch seinen Grund, denn diese Zeit galt in der Mythologie als der Moment der Öffnung der Unterwelt. Eng verbunden war damit auch das Ritual des Speiseopfers. Beides ging auf die Vorstellung zurück, daß sich die Verstorbenen in einem immerwährenden Kreislauf befänden, jedes Jahr aber an der Wende vom Herbst zum Winter aus ihren Gräbern kämen und von den Lebenden ihr Speiseopfer verlangten. Kam man diesem Wünschen der Ahnengeister nach, sollte es den Hinterbliebenen Erntesegen und Gesundheit für das kommende Jahr bringen.
Die Bewirtung der „armen Seelen“ spielte auch in verschiedenen Landesteilen der Kurpfalz eine Rolle. Vor allem das Brot als Grundnahrungsmittel galt als Symbol des Lebens schlechthin. So wurden, und das ist unter anderem auch für (Alt)Lußheim, Rheinhausen und Waghäusel überliefert, Brote an Allerseelen auf die Gräber gelegt. Aus dem Odenwald bekannt ist die Tradition des Aufhängens von „Kreuz oder Seelenbrezeln“ an Grabsteinen, Wegkreuzen und Votivtafeln. Diese „Seelenbrezeln“ werden noch heute in Bereich Buchen, Mudau und Boxberg gebacken.
Lange Zeit wurden die alten Totenkulte und speisungen von der Kirche verboten oder mit Argwohn betrachtet. Nach und nach trat aber an die Stelle der Totenopfer ein symbolisches Opfer für die Toten. Arme, Dienstboten und Kinder bedachte man mit Allerseelenbroten. Das konnten, wie im Kraichgau, „Heiligenstriezel“ als Beigabe zu Geld und Kleidern sein. „Seelbrote“, Zöpfe oder Brezeln die Backwerke hatte je nach Landstrich und Tradition sehr unterschiedliche Formen. Überall aber waren es „Gebildbrote“, die frei mit der Hand figürlich oder geometrisch geformt wurden. Dadurch sollten sie sich vom Alltagsgebäck in den Bäckereien abheben.
Auch Klöster, Städte und Zünfte stellten für die Armen „Seelengebäcke“ bereit. Im Raum Hockenheim/Reilingen war es damals üblich, daß auch der Pate an Allerseelen seinem Patenkind ein Allerseelengebäck schenkte. Ein Brauch, der in der Kurpfalz längst vergessen ist, in Österreich aber noch immer aufrecht gehalten wird. Ebenso sind für unsere Region die „Armen-Seelen-Geher“ überliefert, die von Haus zu Haus zogen, um für die Toten Speisen zu sammeln. An den Häusern wurde die Gruppen nie abgewiesen, denn man versprach sich von der Spende ein glückbringendes und ertragsreiches kommendes Jahr. Ein Brauch, der heute im Dreikönigssingen der Sternsinger weiterlebt.
Wenn es also bei Ihnen an Allerheiligen oder Allerseelen an die Tür klopfen sollte, und „arme Seelen“ um eine milde Gaben bitten, sollte man sich immer an die alte Tradition erinnern. Es könnte ja immer sein … og