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Christmette als "Showact" für Reisegruppen und Kurzzeitbesucher

27.12.09 (Speyer)

Eindrücke von den festlichen Weihnachtsgottesdiensten im Kaiserdom und in der Gedächtniskirche
Weihnachten in Speyer – immer mehr Menschen verbinden damit die Hoffnung und Freude auf ein ganz besonderes Erlebnis. Waren es in der Vergangenheit zumeist die Besucher aus der ganzen kurpfälzischen Region, die am Heiligen Abend und am ersten Weihnachtsfeiertag den katholischen Kaiserdom und die evangelische Gedächtniskirche füllten, so kommen seit einigen Jahren immer mehr Menschen aus ganz Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten in die alte Stadt am Rhein. Allein an Heiligabend waren drei große Kreuzfahrtschiffe am Rheinufer vor Anker gegangen und kurz vor den Christmetten in den beiden Hauptkirchen brachten sieben Omnibusse weitere Gottesdienstbesucher in die Stadt. Dass diese ob des strömenden Regens ihre Passagiere direkt an den Gotteshäusern aussteigen ließen, wäre ja noch verständlich gewesen. Dass dann aber gleich drei Busse mit laufendem Motor direkt vor dem Dom parkten oder zumindest lange Zeit warteten („Unsere Gäste sollen einen warmen Bus später vorfinden!“), war nur noch schwer nachzuvollziehen. Hatten bereits im vergangenen Jahr noch während dem Gottesdienst im Dom plötzlich aufbrechende Besuchergruppen für Verwunderung gesorgt, so waren in diesem Jahr gar Animateure der Kreuzfahrtgruppen während der Christmette im Dom unterwegs, um ihren Gästen Plätze zuzuweisen. Der Gipfel des Unverständlichen aber war dann, dass noch während des Gottesdienstes Lunchpakete und warme Getränke ausgegeben wurden. Überhaupt herrschte in der Weihnachtsnacht im Dom ein ständiges kommen und gehen: Schnellbesucher schienen mit einem Blick in die – im Vergleich zu den Vorjahren – bei weiterem nicht so volle Kathedrale ihr weihnachtliches Gewissen zu beruhigen, andere verließen den Dom für eine Raucherpause oder um zu telefonieren. Bei all diesen Begleiterscheinungen fehlte es im Dom, zumindest während der Christmette, an der sonst so stimmungsvollen und beeindruckenden Atmosphäre. Ganz anders dagegen die Stimmung in der voll besetzten evangelischen Gedächtniskirche, wo einige Damen und Herren unaufdringlich, aber bestimmt dafür sorgten, dass der weihnachtliche Lichtergottesdienst für alle zu einem besonderen Erlebnis wurde.
In seiner Festpredigt erinnerte Kirchenpräsident Christian Schad an die Situation armer Kinder im Land. „Kinder gehen ohne Frühstück in den Kindergarten oder in die Schule. Sie haben keine Stiefel für den Winter und keine Sandalen für den Sommer. In der Schulkantine beteiligen sie sich nicht am gemeinsamen Mittagessen und bei Klassenfahrten sind sie nicht dabei.“ Es scheine, als sei das Land auf eine neue Weise geteilt. Dass Gott sich als Kind in der Krippe in die Obhut von Menschen begebe, sei Vertrauensbeweis und Liebeserklärung zugleich. „Indem wir für das Wachstum dieses Kindes sorgten, könnten auch wir wachsen zu Menschen, wie Gott sie gedacht hat“, so Schad. Solche im Weihnachtsgeschehen neu gewordenen Menschen könnten sich nicht mehr abfinden „mit der Welt, wie sie ist, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, wo allein in unserem Land zweieinhalb Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren von Sozialhilfeleistungen abhängig sind“.
Der feierliche Gottesdienst am ersten Weihnachtsfeiertag wurde in der Gedächtniskirche musikalisch umrahmt von der Kantorei, die unter der Leitung von Bezirkskantor Robert Sattelberger die Kantate „Lobet Gott zu dieser Stunde“ von Wolfgang Briegel zur Aufführung brachte.
Im Kaiserdom stellte am ersten Feiertag Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in seiner Predigt die politische Dimension der Weihnachtsbotschaft heraus, die sich gegen die Entsorgungsmentalität der heutigen Zeit richte. Gott werde Mensch mitten unter Armen, Ausgestoßenen und Fremden, um so für die bedingungslose Würde des Menschen Partei zu ergreifen. Bischof Wiesemann kam zu dem Ergebnis, dass Weihnachten eigentlich erst dann beginne, wenn es für andere schon lange vorbei sei und die Reste des Festes äußerlich entsorgt seien. Dann nämlich, wenn die Würde des Menschen, des ungeborenen wie des behinderten, des hilflosen wie des abgeschriebenen, zu verteidigen sei. „Weihnachten beginnt dann, wenn man die Sorge des anderen zur eigenen, das Schicksal des Nächsten zum eigenen erhebt, auch wenn man persönlich dabei das Nachsehen hat.“ Daher sei Weihnachten letztendlich hoch politisch. Der Appell an die Gottesdienstbesucher war deutlich: „Es ist Zeit, dass es Weihnachten wird, ja höchste Zeit für den neuen Anfang.“
Musikalisch umrahmt wurde der Festgottesdienst vom Domchor und dem Bläserensemble „Dom zu Speyer“ unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori mit der „Missa Ecce quam bonum“ für fünfstimmigen Chor von Hans Leo Hassler.

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