Kurpfalz Regional Archiv

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* Dank glänzender Tanznummern ein vergnüglicher Abend

15.02.09 (Hockenheim)

55. Prunksitzung der Ersten Großen Hockenheimer Carnevalsgesellschaft / Büttenasse stachen nicht / Till als echte Nullnummer / Erfolgreiche Kinder- und Jugendarbeit / Gemeinsamer Auftritt von HCG und FZH begeistert Publikum in ausverkaufter Stadthalle
Die Besucher in der voll besetzten Hockenheimer Stadthalle hatten sich am Samstagabend eigentlich auf eine pointenreiche und stimmungsvolle Jubiläumsprunksitzung der Ersten Großen Hockenheimer Carnevalsgesellschaft gefreut. Nach einer fast sechsstündigen Veranstaltung fiel dann die Bewertung der Sitzungsbesucher aber sehr verhalten aus. Während die einen von einem „ganz unterhaltsamen Abend“ sprachen, schüttelten andere wiederum vor Enttäuschung den Kopf. Allen Stimmungen, Wünschen und Erwartungen immer gerecht zu werden, ist keine einfache Sache und gelingt auch nicht immer. Dass das Programm der Prunksitzung am Samstagabend aber einige deutliche Schwachpunkte aufwies, musste auch Sitzungspräsident Klaus Zizmann zugeben. Die gastgebende HCG hatte es eigentlich nur gut gemeint, und bewährte Spitzenkräfte der badisch-pfälzischen Fastnacht engagiert. Dass die sogenannten Büttenasse dann aber nicht wie Trümpfe stachen, ließ während der Veranstaltung so manchen Elferrat auf der passend zu Jubiläum dekorierten Bühne schier verzweifeln. Spätestens bei der Null-Nummer des seither mit seinen spitzen Betrachtungen zur aktuellen (Kommunal-)Politik so bewährten „Tills“ (Michael Mieger) konnte sich auch der souverän durch das Programm führende Sitzungspräsident Klaus Zizmann mit deutlicher Kritik nicht mehr zurückhalten. Was der Protagonist in seinem nagelneuen rot-weißen Kostüm als „Kokolores“ unter dem Begriff „Narrenfreiheit“ offerierte, war für eine Prunksitzung schlicht eine Zumutung und hätte höchstens zu einer schlüpfrigen Herrensitzung der billigen Art gepasst. Schade auch, dass bereits zuvor die kurpfälzischen Büttenasse nicht an ihre frühere Klasse anknüpfen konnten. Während der schon legendäre Musikprofessor Werner Beidinger als „Eisbrecher“ eher lustlos sein Programm pflichtbewusst abspulte, um möglichst schnell zum nächsten Auftritt zu kommen, kalauerte sich Wolfgang Meister als Bundesbahnbenutzer zumeist wenig meisterhaft durch seinen Spickzettel.
Weitaus besser war da schon der Bruchsaler Kabarettist und überzeugter Bruhrain-Fasnachter Horst „James“ Schäfer, der als Hausmeister so seine Probleme mit der Polizei und dem Straßenverkehr, aber auch modernen, computergesteuerten Haushaltsgeräte hatte. Und auch der Vortrag von Petra Grasel aus Bietigheim-Bissingen konnte sich hören lassen, die eigentlich schon immer mal ein Mann sein wollte.
Mit der bereits legendären roten HCG-Bütt kam dann endlich mit Klaus Zizmann ein Auftritt, bei dem auch der Lokalkolorit nicht zu kurz kam. „Ach was wär des schee, kennschd Du in Hoggene einkaafe geh …“, so die Quintessenz seines Vortrags. Mit der Feststellung, dass man in der Stadt keine Kleider und Anzüge mehr kaufen könne, es aber an jeder Ecke einen Friseur gebe, sprach der agile HCGler den Anwesenden aus der Seele, was auch der Beifall deutlich bewies.
So richtig lebendig wurde es in der Stadthalle aber erst mit dem Auftritt von Jutta Hinterberger aus Speyer – und das weit nach Mitternacht. Als „Kettel Feiertag“ zog sie alle Register des fastnachtlichen Klamauk im Verhältnis von Mann und Frau, holte unter dem Gejohle des Publikums „de Gummer unn soi Ernschdl“ auf die Bühne, die ihr dann die Wäscheleine halten durften. Oberbürgermeister Dieter Gummer als auch Senatspräsident Ernst Bohrmann machten bei ihrem überraschenden Auftritt so eine gute Figur, dass man sich fast eine Zugabe im nächsten Jahr wünschen könnte. Dies gilt auch für die HCG-Senatssänger, die mit ihren alten Melodien zu neuen Texten so manches lokales Ereignis besangen und so richtig für Stimmung im Saal sorgten. Dies tat auch das Gitarren-Duo „Abrudean Rock’n’Roll“ mit Dr. Michael Abrudean und Christopher Joos, die nicht nur technische Probleme meisterten, sondern mit den vorgetragenen Ohrwürmern richtige Partystimmung in den Saal brachten.
Bleibt jetzt eigentlich nur noch die Frage zu beantworten, was nun die Höhepunkte der Jubiläumsprunksitzung waren. Die Antwort ist einfach wie kurz: Alle Tanznummern! Bereits die ersten Schritte des Narrensamens, der Purzelgarde, auf der großen Stadthallenbühne machten deutlich, wie wichtig eine umfangreiche Kinder- und Jugendarbeit ist. Und da die HCG bereits seit Jahrzehnten viel Kraft, Zeit und Trainingsarbeit in ihre Garden und Tanzmariechen investiert, durfte gerade zur 55. Prunksitzung eine reiche Ernte eingefahren werden.
Egal, ob nun die Marschtänze oder die wunderbar choreographierten Schau- und Showtänze, alle Gardemädchen überzeugten und faszinierten das Publikum. Großartig auch der Auftritt von Tanzmariechen Nina Vogel, die sich als glänzende Tänzerin mit viel schauspielerischem Talent ebenso präsentierte wie als Aktive in der Garde oder in den Showelementen. Und was passiert, wenn zwei Vereine so eng miteinander verbunden sind wie die HCG und der Fanfarenzug der Rennstadt, das erlebte das begeisterte Publikum am Samstagabend bei der gemeinsam einstudierten „Zeitreise“-Revue durch 55 Jahre Vereins-, Stadt- und Weltgeschichte. Ein echter Knaller, der so manche Schwäche des Abends vergessen ließ. Viel Beifall gab es aber auch für das Männerballett, sowie neue Tanzpaar der jubilierenden Carnevalsgesellschaft, Pauline Patschke und Patrick Wünsche. Und dass es in der Rennstadt zum Abschluss eines fast sechsstündigen Prunksitzung keine Guggemusik von auswärts bedarf, bewiesen einmal mehr die blau-weißen Landsknechte des Fanfarenzuges. Unter der Leitung von Peter Ehringer sorgten die Musiker für einen fröhlich-beschwingten Ausklang einer Jubiläumsprunksitzung, die trotz aller Schwächen den Beweis erbrachte, dass die traditionelle Saalfastnacht auch in Hockenheim bei diesen heimischen Kräften eine echte Zukunft hat. (og)

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