Das sagenumwobene Geheimnis der Strahlenburg
08.08.96 (Landschaft & Orte)
Seit 1235 thront hoch oben auf dem Ölberg über Schriesheim die Strahlenburg. Schon von weitem grüßt sie die Besucher des Städtchens an der Bergstraße. Malerisch und geheimnisvoll liegt sie da, eingebettet in Wald und Reben. Das alte Gemäuer kündet von einer fernen, längst vergessenen Epoche, dem Mittelalter. Es war die Zeit der stets kämpfenden Ritter, der immer singenden Minnen, der naßkalten, düsteren Verließ – und die Zeit der Geheimgänge, die einfach zu jeder Burg gehörten.Auch in Schriesheim sind seit Generationen die faszinierten Einwohner einem Geheimgang auf der Spur, der von der Strahlenburg hinunter in die Stadt geführt haben soll. Die Ritter des Mittelalters waren kluge Männer und wollten sich immer einen Fluchtweg offen halten, also auch Conrad von Strahlenberg, als er die Burg errichten ließ. Und Conrad und seine nicht gerade zimperlichen Mannen hatten einen weiteren Grund: sie waren Raubritter. Sie raubten die auf der Bergstraße zwischen Straßburg und Frankfurt dahinziehenden reichen Kaufleute aus. Die erbeuteten Schätze konnten mittels eines Geheimganges dann ohne großes Aufsehen in die Burg gebracht werden.
Aber trotz aller Suche ist es bis heute noch immer nicht gelungen, den sichtbaren Beweis eines Geheimganges zu finden. Im ganzen Burggelände, das heute einen Gasthof beherbergt, konnte kein Einstieg gefunden werden. Aber es muß etwas dran sein an diesem sagenhaften Geheimgang. Immerhin sind im Schriesheimer Stadtarchiv die Aufzeichnungen des Historikers Dr.
Hermann Brunn erhalten, die sich auf die Kanalisationsarbeiten in der Schriesheimer Oberstadt beziehen.
Als diese im Winter 1948/49 durchgeführt wurden, waren die Bauarbeiter Anfang Januar auf einen unterirdischen Gang gestoßen, der in Richtung Strahlenburg verlief. Dr. Brunn notierte damals: „Ich vermute, daß das der Gang ist, der das
Gaber’sche (oder auch Näher’sche) Haus mit der Strahlenburg verbindet. Die Richtung stimmt etwa.“ Unter dem „Gaber’schen Haus“ versteht man heute den Strahlenberger Hof, den die Herren von Strahlenberg kurz nach dem Burgbau als Stadtresidenz mitten in Schriesheim errichtet hatten.
Nüchtern betrachtet, stellt man aber fest, daß da einige Dinge nicht zusammenpassen. Die Strahlenberger herrschten gerade mal etwas mehr als 100 Jahre, denn bereits 1347 wurde die Burg bereits an die Kurfürsten der Pfalz in Heidelberg verkauft. Mit den zur damaligen Zeit zur Verfügung stehenden Hilfsmittel hätte es übrigens Jahre gedauert, einen solchen Geheimgang durch das harte Porphyrgestein zu graben. Auch paßt nicht in die Mutmassungen, daß der Geheimgang durch die Oberstadt geführt haben soll. Dieser Teil Schriesheims entstand als erste Stadterweiterung erst um 1400. Außerdem weiß man aus alten Überlieferungen, daß bei einer Belagerung der Strahlenburg die Ritter einen ganz einfachen Fluchtweg nutzten: sie rannten den Schloßberg
herunter, quer durch die Weinberge.
Um dem Geheimnis weiter auf die Spur zu kommen, muß dem Strahlenberger Hof drunter in der Stadt ein Besuch abgestattet werden. Schließlich soll das Gängesystem einmal hier begonnen haben. Das Hofgut war einst nicht nur ein Wirtschaftshof für die in Schriesheim gelegenen Güter des Adelsgeschlechts. In den immer wiederkehrenden Kriegszeiten diente er zugleich als Bollwerk, von dem aus auch die Zugänge zur Burg verteidigt werden konnten.
Und da fängt die Spekulation wieder an: Wie konnte sich die Besatzung im Notfall retten? Gab es also doch einen unterirdischen
Geheimgang für einen sicheren Rückzug? Im über 750 Jahre alten Weinkeller des Strahlenberger Hofes riecht es noch heute muffig und feucht. Uralte Weine lagern in dem Gewölbe tief unten. Bis zu vier Meter dicke Mauern umgeben den Keller. Trotz des schummrigen Lichts ist nichts zu erkennen. Nur wer es weiß findet hinter einem armseligen Holzverschlag die Stelle der Begierde, die aber irgendwann einmal zugemauert wurde. Keiner weiß es so genau, wann dies gewesen sein muß. Ältere Schriesheimer können sich jedoch noch gut daran erinnern, als Kinder in den Gewölben und dem unterirdischen Gang
gespielt zu haben. Sie sind sich sicher, daß man damals „mindestens zehn Meter“ weit hineingehen konnte.
Eine erste Spur die aber keine klare Lösung darstellt. Heimatforscher sind sich sicher, daß es den Gang gegeben haben muß. Sie haben nur ein Problem: Sie können den Ausgang des Geheimganges, den sie im Keller der Strahlenburg vermuten, dort nicht suchen. Der teilweise verschüttete Keller kann wegen statischen Problemen nicht leergeräumt werden, und damit nicht gründlich untersucht werden. Und solange keine eindeutigen Beweise gefunden sind, bleibt es erhalten: das sagenumwobene Geheimnis der Strahlenburg in Schriesheim.