Das Speierer Armbrustschießen von 1529
05.07.90 (Brauchtum & Tradition, Geschichten & Erzählungen)
Bereits im 16. Jahrhundert ging es in Speyer um die Brezel.
Anläßlich des dritten Brezelfestes faßte Emil Heuser 1913
Berichte über das Armbrustschießen aus dem Jahre 1529 zusammen:
Im Vorfrühling 1529 hatten die Bäcker der Freien Reichsstadt
Speier alle Hände voll zu tun, namentlich die Brezelbäcker; denn
viel fremdes Volk weilte in Speier, und es war noch Fastenzeit.
Ein Reichstag wurde wieder einmal in Speiers Mauern gehalten, und
Fürsten aus allen Gauen Deutschlands, weltliche und geistliche,
mußten sich deshalb in Speier einfinden.
Als einer der ersten war der hohe Fürst, der bei der Tagung den
Vorsitz zu führen hatte, in die Stadt eingeritten. Es war der
Bruder des Kaisers, König Ferdinand von Ungarn und Böhmen. Der
Kaiser es war Karl V. weilte meist in seinem Kronlande
Spanien oder in Italien und konnte sich um Deutschland nicht viel
kümmern. Er hatte darum die Regierungsgeschäfte für Deutschland
einem besonderen Statthalter übertragen, dem Pfalzgrafen
Friedrich (dem späteren Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz).
Dieser junge Wittelsbacher war ein Freund der Jagd und daher auch
der edlen Schießkunst. Die Anwesenheit der vielen Fremden von
Rang und Würde gab es ihm ein, zum Schluß des Reichstags ein
großes Armbrustschießen zu veranstalten und dazu die deutschen
Schützen einzuladen. Weit über 200 Schützen stellten sich in
Speier ein und natürlich taten auch die schießfreudigen Speierer
mit. Das Beste des Schießens stellte ein lebender Ochse dar, der
mit einer Decke von Tuch behängt war und einen Wert von 32 fl
hatte. Im übrigen waren Geldpreise ausgesetzt.
Das Armbrustschießen verlief in fröhlicher Weise. Leute zum
Zuschauen drängten sich beständig auf dem Schießplatz, und die
Brezelverkäufer machten gute Geschäfte. Das Volk weidete sich
daran, wie die hohen Herren mit den gemeinen Schützen aus dem
Bürgerstand um die Preise rangen. So oft die Scheibe gefehlt
ward, so oft kam der Pritschenmeister hervor und ahndete den
Fehlschuß, genannt Pritschenschuß, durch einen sanften Schlag mit
seiner Pritsche. Zugleich heischte er zwei Brezeln als Buße
oder an deren Stelle zwei Kreutzer.
Als das Schießen beendigt und die Preise verteilt waren, wurde
noch ein Nachschießen für die Durchgefallenen angesagt. Als auch
das Nachschießen vorüber war, ereignete sich etwas Besonderes.
Ein wohlhabender, aber als geizig bekannter Bewohner der
Judengasse namens David stand in der vordersten Reihe der
Zuschauer. Ihm näherte sich der Pritschenmeister, den der
Pfalzgraf eigens für das Schießen hatte von Heidelberg kommen
lassen. Der betuchte David war unter allen in der Menge dazu
ausersehen, dem Pritschenmeister einen Tribut zu zahlen. Daß er
dazu nicht gutwillig bereit sein werde, wußten die Schützen im
voraus, und auch der Pritschenmeister war darauf vorbereitet.
Der Pritschenmeister bot dem Auserwählten zunächst sein
selbstverfaßtes Pritschenlied an und begehrte dafür einen Gulden.
Doch dem profitlichen Handelsmann war sein Gulden lieber, er
lehnte ab. Nun begann der Pritschenmeister das Gedicht laut
vorzutragen. Weiter als „… wer abkommen wäre mit
Pritschenschuß, hat baß mit zwo Brezeln zu zahlen die Buß!“ kam
er jedoch nicht. Wie der Handelsmann von den Brezeln hörte,
hoffte er auf gute Art davon zu kommen. Er unterbrach den
Pritschenmeister und rief nach dem Brezeljörg, um sich mit ein
paar Brezeln abzufinden. Doch die Brezelbuße galt nur für die
schlechten Schützen, nicht für das Opfer des derben Scherzes. Die
Schatzung ging höher als ein ganzer Korb voll Brezeln wert war.
Von zwei Gehilfen des Pritschenmeisters wurde der Mann
urplötzlich ergriffen und zum Schießberg geführt. Dort sprach man
ihm das Urteil, das lautete, daß er als Ziel dienen oder sich mit
zehn Gulden loskaufen müsse. Einige Schützen stellten sich nun im
Schießabstand vor der lebenden Scheibe auf, taten als wenn sie
die Armbrust schußfertig machten. Dann legte einer der Schützen
den Bolzen auf die Stechel und schlug an. Im nächsten Augenblick
schon war das Opfer des Scherzes nachgiebig geworden.
Der Mann versprach zu zahlen, jedoch nur so viel, als Pfalzgraf
Friedrich bestimmen werde. Lachend kam darauf der Pfalzgraf
herbei und bestimmte als Buße einen Gulden. Den zahlte der
Handelsmann mit saurer Miene dem Prischenmeister. Dieser
überreichte ihm dafür das Flugblatt mit dem Gedicht.
Nach dem Feste taten sich Speierer Bürger, die am
Armbrustschießen beteiligt gewesen waren, zusammen und gründeten
eine Schützengesellschaft, die nämliche, die noch heute besteht
und sich vor kurzem eine neue Schießstätte bei der Waldeslust
geschaffen hat.“
Quelle: unbekannt