* Die Maschinenhalle zum literarischen Kabinett gemacht
11.07.07 (Reilingen)
„LeseZeit im Stroh“: Seehof als hübsch dekorierter Schauplatz von Kostproben aus dem Schaffen der regionalen Autoreninitiative / Landfrauen als souveräne Gastgeber / Rund 200 Zuhörer spendet begeistert Applaus
Nicht nur die Umgebung war ungewohnt, auch die Witterung entsprach bei weitem nicht der eines schönen Sommerabends. Aber dennoch strömten die Besucher in großer Schar hinaus auf den Reilinger Seehof, um an einer Premiere teilzunehmen, die ungewöhnlicher kaum hätte sein können. Die Landfrauen der Spargelgemeinde hatten zu einem literarischen Abend mit regionalen Autoren und Autorinnen eingeladen, der, und das war das Außergewöhnliche, als „LeseZeit im Stroh“ in der großen Maschinenhalle des bäuerlichen Hofguts stattfand.Allein schon die ansprechend rustikale Ausgestaltung der Halle begeisterte die fast 200 Zuhörer, denn den Landfrauen war es gelungen, das Motto der Veranstaltung auch in der Dekoration umzusetzen. So stand unter einem Zelt für die Vortragenden nicht nur eine bequemer Sessel parat, auch die Lampe und Schränkchen mit jahreszeitlichen Blumen trugen zum stimmungsvollen Bild bei. Wirklich gelungen aber waren die aus Strohballen zusammengefügten Sitzreihen, die die ebenfalls in großer Zahl aufgestellten Tische und Bänke ergänzten.
Da konnten die Regentropfen noch so auf das Dach der Halle klopfen und der Wind durch die verschiedenen Öffnungen blasen: In Reilingen wurde mit dieser Art von Kulturveranstaltung nicht nur mutig Neuland betreten, sondern zugleich auch eine neue, vor allem ansprechende Art der Präsentation geschaffen.
Kein Wunder, dass sich auch die neun Autorinnen und Autoren auf dem Seehof überaus wohl fühlten. Bereits nach der Begrüßung durch die Vorsitzende der Reilinger Landfrauen, Käthe Baumann, zeigte sich Dr. Rolf Thum (Hockenheim) als Sprecher der regionalen Autoreninitiative „LeseZeit“ besonders angetan von dieser stilvollen Umgebung, die man so getroffen eigentlich nicht erwartet hätte. In wenigen Worten stellte er gemeinsam mit Sabine Petzold (Reilingen) als sich gegenseitig die Stichworte gebendes Moderatorenpaar die Gruppe von Leuten aus der Rhein-Neckar-Region vor, die alle gerne dichten, schreiben und (vor)lesen würden.
Wie gut die einzelnen Autoren inzwischen ihre Leidenschaft, ihr Handwerk oder gar die Schreibkunst beherrschen, wurde in den folgenden zwei Stunden mehr als deutlich. Trotz dieser langen Zeit kam bei den Anwesenden keine Langeweile auf, denn es war gerade die Verschiedenheit der Autoren, die dafür sorgte, dass die Zeit scheinbar wie im Fluge verging.
Ob Kurzgeschichten, Auszüge aus Romanen, Gedichte, Lyrik, Heiteres oder Besinnliches – die „LeseZeit“ bot für jeden Geschmack etwas. So fällt es auch schwer, einen Höhepunkt herauszustellen. Das Niveau der vorgestellten Stücke, besser gesagt Literatur“pröbchen“, war durch die Bank hörenswert und zeugte teilweise von unerwartet hoher Qualität.
Und da muss man dann doch einige der Vortragenden zuerst und etwas ausführlicher nennen. Das gilt besonders für den Heidelberger Elmar Bringezu, der mit einer unglaublichen Bassstimme einen bisher nur wenig bekannten Literaturstil vorstellte: den Sprechtango. Ob nun Gedichte oder die zeitgemäße Anpassung des Märchens vom Rotkäppchen – es bereitete Vergnügen, diesem Vortrag zu folgen. Und erst der Ausflug in die Tierwelt des „Anderen Brehm“ – köstlich. Nicht minder vergnüglich auch Hans Ludwig Herder aus Heppenheim. Erbrachte eine Satire zur 400-Jahrfeier der Stadt Mannheim zum besten, die zum Ziel hatte, deren 2000-jähriges Bestehen zu belegen.
Mit dabei an diesem Abend auch die inzwischen preisgekrönte Ludwigshafenerin Edith Brünnler mit einer Kurzgeschichte zum Sportwahn im höheren Manageralter, Alexander Rajcányi (Sandhausen) mit einer „Kaugummi“-Kurzprosa und Christoph von Burkersroda aus Dossenheim mit dem Stück „Bubsa und Kakfif“. Ihm ging es dabei darum, einmal zu zeigen, wohin der immer mehr um sich greifende „Aküfi“ (Abkürzfimmel) im Beruf und Alltag führen kann.
Aus Hockenheim war Agnes Schindelar-Böhm auf den Seehof gekommen, um aus ihrem noch unveröffentlichten Krimi „Das Grunzen der Schweine“ vorzulesen. Was so „Alles aus Liebe“ geschehen kann, wenn Pillen und Bonbons verwechselt oder ausgetauscht werden, war der humorvollen Kurzgeschichte von Gabriele Feth-Biedermann zu entnehmen. Die Geschichte der Reilingerin war so gut, dass am Ende wohl keiner zu Pfefferminzbonbons gegriffen hätte. Mit großem Appetit wurden dagegen die kulinarischen Köstlichen aus Küche und Backofen der Landfrauen verspeist, die dafür sorgten, dass auch andere Sinne an diesem außergewöhnlichen Abend auf ihre Kosten kamen.
Und wenn es darum geht, darf man auch nicht die musikalische Umrahmung der Veranstaltung vergessen. Das La Sala Saxophon Quartett sorgte für ein besonderes Hörvergnügen, wie es nicht besser zu diesem Abend hätte passen können.
Literarisch abgerundet wurde dieser von zwei weiteren Schreibkünstlern aus Reilingen. Die Erlebnisse von Schatzi in „Was ist Liebe?“ wurden trefflich von Sabine Petzold beschrieben und sorgten mehr als einmal für zustimmende Mienen im weiten Rund. Und bei den „Nachtwächtereien“ von Otmar A. Geiger standen humorvolle Episoden und Erlebnisse aus der regionalen Heimatgeschichte zum Vergnügen des Publikum im Mittelpunkt. (ara)