Die Osterbäckerei hat Tradition
08.04.07 (Hockenheim)
Gebackenen Osterlämmer als ein lebendiges Stück heimatlicher Brauchtum / Blick in die Hockenheimer Stadtgeschichte
Gestern wie heute gilt Ostern im christlichen Abendland als das höchste aller Feste. Und dass nach der schmalen Kost der vierzigtägigen Fastenzeit Ostern schließlich auch zu einem der kulinarischen Höhepunkte im Jahreslauf wurde, dafür sorgten einst der Adel und Klerus, später dann auch die Bürgerschaft. Seit dem 18. Jahrhundert kam beispielsweise am kurfürstlichen Hof in Mannheim immer mehr die Sitte auf, in zwei- oder mehrteiligen Formen aus Ton oder Metall Kuchenhasen und -lämmer zu backen. Diese Formen erleben in modernem Backkunststoff eine Renaissance. Und manch älterer Bäcker in Hockenheim und den umliegenden Gemeinden bewahrt noch einige ältere Metallformen in seiner Backstube auf, die oft seit Generationen weitervererbt wurden.
Man kann sich gut vorstellen, dass die Herstellung von Biskuit-, Rührteig- und Zuckerhasen ein zeitraubendes Geschäft war (und noch immer ist). Sie stellten für die Bäcker und Konditoren im wahrsten Sinne des Wortes eine „süße Last“ dar. So müssen die meistbenutzten zweiteiligen Metallformen noch immer sorgfältig eingefettet und zusammengeklammert werden, um dann umgekehrt, mit dem Unterteil nach oben, in spezielle Ständer eingepasst zu werden. Anschließend wird die Masse eingegossen – vorsichtig, dass ja nichts danebenläuft – und zu zwei Drittel gefüllt, da der Teig noch aufgeht. Nach dem Backvorgang hüpfen die Hasen dann endlich raus aus ihrem metallenen Korsett, werden mit Puderzucker bestäubt und dekoriert. In Folie verpackt, stehen sie schließlich als süße Ostersymbole in den Bäckereien.
Nur noch Wenige können sich daran erinnern, wie die Küchen noch weit in die 50er-Jahre hinein ausgesehen haben. In den Wohnungen standen Herde und Öfen, die mit Holz oder Kohle befeuert wurden. Diese garantierten zwar einen guten Braten – aber zum Backen waren sie weniger geeignet. So war es seit Generationen Sitte, seinen Kuchen, den Hefezopf, die Schneckennudeln oder den vorbereiteten Brotteig zum Bäcker zu bringen.
Das war recht billig, denn um 1950 kostete dieser Service in den Hockenheimer Bäckereien je nach Größe der Backware zwischen zehn und 20 Pfennige. Die Familien hatten so zu ihrem Bäcker eine gute Beziehung. Man sah, wie es in einer Bäckerei zuging und konnte dabei für seinen eigenen Gebrauch auch noch so manche Fertigkeit abschauen. Und wenn der Bäcker oder die Frau Meisterin mal ein bisschen Zeit hatten, wurde natürlich auch gerne mit den wartenden Hausfrauen geplauscht.
Ehe es dann mit dem Kuchen nach Hause ging, kaufte man noch das Brot – oder ab und zu an Festtagen auch mal „ä paar Weck“ aus hellem Teig.
Auch in der Rennstadt wurde diese alte, seit Jahrhunderten gepflegte Tradition des Kundenbackens bis Mitte der 1960-er-Jahre gepflegt. Mit den neuen Gas- oder Elektroherden nahm die Nachfrage dann aber ständig ab. Heute sind es nur noch wenige Hockenheimer, die ihr Brot regelmäßig beim Bäcker ausbacken lassen.
Jetzt vor Ostern wurden in den handwerklichen Backstuben ständig neue Nester, Osterhasen oder Zöpfe aus Hefeteig in den Ofen geschoben und ausgebacken. Der herrliche Duft frischer Backwaren drang selbst am gestrigen Karfreitag hinaus ins Freie.
Lange wurde an diesem Tag das traditionelle „Osterbrodt“ nach einem Rezept aus dem noch erhaltenen „Wersawer Kochbüchlein zu Rutlingen“ aus dem Jahre 1657 gebacken. In einer weiteren Rezept-Sammlung aus dem Jahre 1745 ist das Rezept von den „Wersauer Muskazinen“ erhalten geblieben. Nachforschungen haben ergeben, dass diese besonders an hohen kirchlichen Festtagen wie Weihnachten, Ostern, Fronleichnam oder Pfingsten gebacken wurden. Gebacken wurden diese Spezialität zunächst nur in der Küche des Schlosses Wersau und der späteren Kellerei (kurfürstlicher Verwaltungssitz), die zur damaligen Zeit neben den Bäckern als einzigste das Backofenprivileg hatte.
Für die Muskazinen, dabei handelt es sich um eine Art Gewürzlebkuchen, der mit Muskat und anderen Gewürzen aromatisiert wurde, benötigte man „ein Pfund Mandeln, ein Pfund Zucker, zwei Lot (= 32 Gramm) geschnittenen Zimt, je ein halbes Lot Nägelein (Nelken) und Muskatblüten, drei geriebene Muskatnüsse, ein halbes Lot Ingwer, vier Lot Zitronen, Zimmentwasser, drei Eier und etwas Rosenwasser“.
Ebenfalls überliefert ist, dass die „Labkuchen zu des Oster Nachts“ auf den Tisch kamen, nachdem sie zuvor beim Gottesdienst in den Kirchen gesegnet worden waren. Nach dem Verzehr in der Familie wurden die übrig gebliebenen Stücke den Patenkindern und dem Pfarrer gebracht. Bedacht wurden aber auch nahe Verwandte, ebenso erhielten Knechte und Mägde kleine Stückchen.
Auch wenn sich die Zeiten und die Traditionen geändert haben, leckere Backwaren und feine Gerichte gehören auch heute noch zum Osterfest. Und einige von ihnen sind wie die gebackenen Osterlämmer längst zu einem lebendigen Stück heimatlichem Brauchtum geworden.