Ein Konzertabend voller Höhepunkte und Emotionen
17.10.11 (Reilingen)
Jubiläumskonzert „725-85-50“ begeistert über 500 Zuhörer in der Fritz-Mannherz-Mehrzweckhalle / Musik, Witz, Tränen und gute Laune kennzeichnen ein außergewöhnliches Konzertereignis von historischer Dimension für Reilingen
Wohl eines der bewegendsten Konzerte, das Reilingen in seiner nunmehr 725-jährigen Geschichte erlebt haben dürfte, ging am frühen Sonntagabend mit stehenden Ovationen zu Ende – und nicht wenige der über 500 Zuhörer hatten dabei Tränen in den Augen. Zu emotional waren die Momente am Ende eines außergewöhnlichen musikalischen Erlebnisses in der Fritz-Mannherz-Mehrzweckhalle. Dass dieses Konzert in die Kulturgeschichte der Spargelgemeinde eingehen wird, können all die bestätigen, die diese gut zwei Stunden unter dem Motto „725-85-50“ miterleben durften. Was sich hinter diesem seltsamen Konzerttitel versteckte, wurde schnell deutlich, denn gleich drei Jubiläen wurden auf einmal gefeiert: 725 Jahre Reilingen, 85 Jahre Musikverein „Harmonie“ und 50 Jahre Dirigententätigkeit von Willi Ehringer. Kein Wunder also, dass der über 83-jährige Kapellmeister an diesem Abend im Mittelpunkt des Geschehens stand. Dabei weniger als Gefeierter, sondern noch immer aktiver Dirigent, Arrangeur und Musiker. Sicher, auch an Willi Ehringer sind die vielen Lebensjahre nicht spurlos vorüber gegangen, die Folgen einer schweren Augenoperation sind immer noch zu verspüren. Aber spätestens als die ersten Takte erklangen, war er im wahrsten Sinne des Wortes „der Alte“. Mit seinem besonderen Gefühl für die Musik und seine Musiker hatte Ehringer für das Jubiläumskonzert so geschickt ein buntes Potpourri beliebter und weniger bekannter Stücke zusammengestellt, dass sich der musikalische Bogen nicht nur vom Mittelalter bis in die Neuzeit spannte, sondern dem interessierten Zuhörer auch die Entwicklung der Musikkapelle „seiner Harmonie“ vor Augen geführt wurde. Auch wenn sich hie und mal ein Fehler oder eine rhythmische Ungenauigkeit einschlich, tat dies dem Konzerterlebnis höchstens gut um zu merken, dass hier die Musik von engagierten Freizeitmusikern noch hausgemacht wird, die ihr Hobby lieben und als wichtiges Kulturgut pflegen.
So wurde aber auch mit einer beschwingten Leichtigkeit noch einmal das allererste Musikstück aufgeführt, das Willi Ehringer mit seinen ersten zehn Musikerinnen und Musiker in Reilingen einstudiert hatte, den Militärmarsch „Hipp Hipp Hurra“. Je länger das Konzert dauerte, umso deutlicher wurde einem bewusst, welche Entwicklung der Klangkörper in den letzten 50 Jahren unter seinem Kapellmeister genommen hat. Und dass es sogar noch heute aktive Musiker aus dieser Zeit in der „Harmonie“ gibt, wurde zudem mit Staunen zur Kenntnis genommen. Da die Ausbildung junger Musikerinnen und Musiker beim Musikverein seit dieser Zeit einen breiten Raum einnimmt, war es nicht verwunderlich, dass diese sich auch ins Konzertgeschehen mit einbringen durften. Alexander Hartmann und Benjamin Wolf brillierten beim „Concerto für zwei Trompeten“ des Barockkomponisten Antonio Vivaldi, während sich die beiden Flötisten Christiane Seitz und Dr. Arne Ruban beim amerikanischen Traditionsmarsch „Stars and Stripes“ gekonnt in Klangszene setzten. Dabei wurde einmal mehr deutlich, wie gut Willi Ehringer seine Musikerinnen und Musiker kennt. Hoch gelobt als einer der besten Arrangeure für Blasmusiken in der heutigen Zeit gelingt es dem erfahrenen Musiklehrer immer wieder, selbst die schwierigsten Stücke seinen Kapellen auf den Leib zu schreiben. Und dass es Ehringer vor allem der Swing und Jazz angetan hat, weiß man nicht erst aus seinen Tagen als Bandleader der legendären „Dixieland Allstars“. So endet natürlich das „Concerto Nr. 1 in B-Moll“ von Peter Tschaikowsky natürlich ein bisschen anders als vom Komponisten gedacht – aber der Romantiker hätte an der Reilinger Version sicher auch seine Freude gehabt.
Ob nun im weiteren Verlauf des Konzertes eine Melodienfolge aus „Kiss me, Kate“ oder der Swing-Klassiker „Pennsylvania 6-5000“ zu hören waren, immer wieder war die Ehringer’sche „Handschrift“ herauszuhören. Großartig dabei die verschiedenen Arrangements des wohl bekanntesten Lieds der Welt, „Lili Marleen“: Ob nun im Stil eines Walter von der Vogelweide, oder wie es wohl Mozart, Beethoven oder Johann Strauß wohl komponiert hätten. Aber auch im typischen Glenn Miller-Sound begeisterte dieser musikalische Spass.
Freude bereitet wurde aber auch dem jubilierenden Dirigenten selbst: So tauchten mit Werner Propp (Saxophon), Hans Schüller (Gitarre) und Michael Stumberger (Harmonika) plötzlich die Musiker der Oktoberfest-Kultformation „Echt Guat“ auf, mit denen Willi Ehringer längere Zeit in Las Vegas gastiert und vor dem Fürsten von Monaco mehrmals gespielt hatte. Das gemeinsam vorgetragene „What a wonderful world“ ließ nicht nur die gestandenen Musiker hin und wieder vor Rührung stocken. Der wohl emotionalste Höhepunkt aber war sicher der Moment, als mit Peter und Willi Ehringer Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne standen, um sich mit dem legendären Arrangement von „Oh mein Papa“ als Zugabe vom Publikum zu verabschieden.
Damit ging nicht nur ein Abend voller musikalischer Überraschungen zu Ende (so Bürgermeister Walter Klein in seinen Dankesworten an Willi Ehringer), sondern zugleich auch ein konzertantes Dankeschön, vielleicht sogar auch eine musikalische Liebeserklärung an die Jubiläumsgemeinde Reilingen, ihrem musikalischen Botschafter, dem Musikverein „Harmonie“ – und natürlich Willi Ehringer.