Eine ungewöhnliche Prunksitzung sorgt für Gesprächsstoff
04.02.07 (Reilingen)
Tolle Musk, gute Vorträge und klasse Tanznummern / Aber auch deutlicher Besucherrückgang, unruhiges Publikum und Probleme mit der Tontechnik / Nervende „Nebengeräusche“
Die wohl ungewöhnlichste Prunksitzung der letzten Jahre ging am Samstagabend in der Reilinger Fritz-Mannherz-Mehrzweckhalle über die Bühne. Und zwar so ungewöhnlich in der 45-jährigen Geschichte des Karnevalvereins, dass sie auch schon wieder fast einzigartig war. Auch wenn die über 500 Zuschauer größtenteils ein paar vergnügliche Stunden erlebten, war nicht darüber hinwegzusehen, dass es auch solche Momente gab, in denen es an den Tischen lauter zuging als auf der Bühne. Für die Besucher, die im vorderen Teil der wegen der nachlassenden Nachfrage nach Eintrittskarten auf zwei Drittel ihrer Größe reduzierten Halle Platz genommen hatten, weniger zu bemerken und auch fast kein Problem, hatten es die Akteure dagegen nicht immer ganz einfach, ihren Vortrag über die Bühne zu bringen. Ob der Unruhe im hinteren Saalbereich, war die Bitte von Sitzungspräsident Karlheinz Elsenbast dann auch unmissverständlich, als er um „wirklich geschätzte Aufmerksamkeit“ bat.
Warum es so ungewöhnlich laut in der Mannherz-Halle war, hatte gleich mehrere Gründe. Allen voran die nicht ganz geschlossene hintere Drittelhalle, wo die für die zur Eröffnung und zum Abschluss der Prunksitzung engagierten Guggenmusiker und mitreisenden Fans zum Teil recht lautstark ihr eigenes Fest zu feiern schienen – aber auch die Essensausgabe nicht lautlos vonstatten ging. Dies kombiniert mit einer Tontechnik, die einmal mehr – zumindest zeitweise – zu wünschen ließ (so gelang es, die Boxen auf der rechten Bühnenseite erst kurz vor Veranstaltungsschluss zu aktivieren), führte schließlich dazu, dass in den hinteren Tischreihen die Gespräche untereinander immer lauter wurden. Und dass sich die KVR-Garden ausgerechnet im Veranstaltungssaal bei laufendem Programm neben der Bühne nochmals warmmachen mussten, ihre Dehnungsübungen durchführten oder auch nachgeschminkt wurden, trug nicht unbedingt zur Förderung einer stimmungsvollen Atmosphäre bei.
Zum Glück und vielleicht auch zur Rettung der Prunksitzung 2007 hatten die Veranstalter viel Musik in den Programmablauf mit aufgenommen. Für die Musiker und Sänger, aber auch das interessierte Publikum, gab es keine störenden Nebengeräusche – und irgendwann sangen alle lautstark mit oder tanzten ausgelassen in den Sitzreihen oder auf den Stühlen. In diesen Momenten herrschte dann eine echt tolle Stimmung im Saal.
Zu den Höhepunkten des Abends zählte so sicher der umjubelte Auftritt der „Dubbeglas-Brieder“ aus dem pfälzischen Frankenthal. In Reilingen vom FWV-Weinfest ein Begriff, in der Region längst Kult, boten Willi Brausch und Olli Herrmann (bekannt auch als Frontmänner der legendären Formation „Grabowsky“) Schorle-Rock vom Feinsten. Alles in allem ein Auftritt, den man miterleben musste, um die ausgelassene Stimmung im Saal zu erahnen.
Nicht minder vergnügt ging es beim Auftritt von Sitzungspräsident Karlheinz Elsenbast zu. Einmal mehr zog er als Stimmungssänger das Publikum mit und sorgte so für die gewohnt ausgelassene Fröhlichkeit im Saal, wie sie auch schon von den TV-bekannten „Froschteichsängern“ aus Waldbronn zu Beginn der Veranstaltung erreicht worden war.
Über die Qualität von Büttenreden lässt sich wie immer trefflich streiten. Da auf die literarische Bütt ebenso verzichtet wurde wie auf „groinernde“ Kalauer, bestimmten alte und neue Witze, Kokolores und spontanes Handeln die Szene. Den wohl besten Auftritt hatte „de Molly“ (Oliver Sauer), der es als erfahrener Fasnachter sofort verstand, die schwierige Situation im Saal in den Griff zu bekommen. Mehr als einmal wich er von seinem eigentlichen Vortrag ab und nutzte nahezu jede Reaktion im Saal oder beim Elferrat, um für Stimmung und viel Gelächter zu sorgen.
Ähnlich erfolgreich auch die „tolle Dolle“ oder das „Fräulein Baumann“. Während Corinna Kuhn aus Frankfurt mit ihrer Komik ebenso zu überzeugen wusste wie als hessische Ulknudel, sorgte der teils hintergründige Witz von dem in Frauenkleider geschlüpften Dr. Markus Weber (Weinheim) ebenfalls für gute und kurzweilige Unterhaltung. Dass ein aus dem Fernsehen bekannter Büttenredner aus Mainz nicht unbedingt auch ein Qualitätsbeweis für einen Auftritt einer dörflichen Prunksitzung sein muss, wurde beim Vortrag von Otmar Kissel deutlich. Gelang es ihm noch, Schwächen bei der Pointe, durch das spontane Anstimmen von bekannten Refrains wie „Fideralala“ zu kaschieren, konnte aber die Glocke des Ortsbüttels diesen glücklichen Umstand nicht für sich verbuchen. In der Traditionsfigur der Reilinger Fasnacht hatte Peter Geng so manche Gegebenheit aus dem Leben der Spargelgemeinde das Jahr über aufgespiest, und am Samstagabend in der Prunksitzung „ausgeschellt“.
Echte Pluspunkte einmal mehr die Tanzmariechen, Garden und Tanzformationen des KVR, die nicht nur ihre tänzerische Klasse bewiesen, sondern auch die erfolgreiche Kinder- und Jugendarbeit des Karnevalvereins einmal mehr unter Beweis stellten.
Als zu den Klängen der „Yetis“-Guggen aus Stockach die Prunksitzung ausklang, ging zwar eine närrische Veranstaltung trotz allem Wenn und Aber stimmungsvoll zu Ende, sorgte aber später an der Bar oder auf dem Nachhauseweg noch vor Mitternacht für genügend Gesprächsstoff.