* Fundamenttechnik wie auf der Wersau …
04.11.10 (* Wersau-Forschung, * Wersauer Tagebuch)
Heute ist inzwischen Donnerstag, habe gestern mit der ganzen Mannschaft das Archäologische Landesmuseum in Konstanz besucht – unbedingt ein Besuch wert! Wäre doch ein toller Ausflug für uns Wersauer: Mit der Schwarzwaldbahn ab Karlsruhe direkt nach Konstanz, dort Museum kucken, und dann wieder mit dem Zug zurück. Hätten viel Zeit zum schwätzen, albern – und pennen. Und wenn wir dann noch was zum Schnabulieren dabei hätten …
Aber wie immer kreisen meine Gedanken bereits in der Zukunft, ohne das Geschehene – wie versprochen – abgearbeitet zu haben. Ja, es ist wirklich Arbeit für mich, denn eigentlich wollte ich im Urlaub die Kiste ja gar nicht anrühren. Aber versprochen ist versprochen, außerdem liegt meine ganze Sippschaft schon flach. Also etwas Zeit für mich, um ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, noch ä bissl was zu schreiben.
Ihr glaubt nicht, wie lange Schweizer Mittagspause machen können – und wie schnell man diese unterbrechen kann. Ich jedenfalls stehe noch immer (also vorgestern) an der Ausgrabungsfläche in Untereschenz im Kanton Thurgau direkt am Bodenseeufer in der Schweiz und betrachte mir die im Boden erhaltenen Ruinen des römischen Vicus Tasgetium (Siedlung der römischen Antike, deren wirtschaftlicher Schwerpunkt auf der gewerblichen Produktion, Handwerk, Handel und Dienstleistungen lag). Ich blicke so um mich und stelle fest, dass es hier eigentlich genauso aussieht wie bei uns – nur halt ein wenig anders, ein wenig schweizerischer …!
Wie bei einem Schweizer Uhrwerk ist hier alles fein säuberlich eingerichtet, selbst die Gräben scheinen gekehrt. Fast könnte man meinen, dass man das Gelände für den Besuch des Otmars (also des Heiligen) vorbereitet hat. Wenig später erfahre ich aber, dass ein Mitglied des Bundesrates (so was wie ein Bundesminister bei uns) zu Besuch erwartet wird – und ich eigentlich nur stören würde. Stören bei was? Beim Mittagessen? In der Mittagspause? So schlimm kann es doch nicht sein, wenn ich mir mal das Gelände anschaue, wenn die anderen pausieren. So denke ich, aber denke nicht daran, dass ich ja in der Schweiz bin. Ich ein Ausländer! Aber einer mit einem original Heiligennamen aus der Schweiz. Also schnell ein Stoßgebet in Richtung Kapelle: „Oh heiliger Otmar hilf!“
Und – er hilft! Drinnen im Container, wo das Essen eingenommen wird, entwickelt sich ein Streitgespräch, von dem ich zwar nichts verstehe, aber merke, dass es hitzig zugeht. Sicher ein wissenschaftliches Streitgespräch, das die Gemüter erhitzt. Also nutze ich diese von Otmar gegebene Gelegenheit, husche flink wie ein tapsiger Bär über das Gelände, mache Fotos und erstaune immer wieder, nahezu die gleiche Fundamenttechnik wie auf unserer Wersau vorzufinden. Na ja, wir beide, also die Römer und unsere Wersauer haben nahe ans Wasser gebaut, also warum nicht.
Ich habe gerade mein letztes Foto gemacht, wird die Tür zum Container aufgestoßen, das zwölf-köpfige Grabungsteam flutet auf das Gelände, die letzten Wortgefechte durchdringen die herbstliche Ruhe. Jetzt bin ich doch neugierig und frage den Erstbesten, um was es denn wohl bei der bis nach draußen zu hörenden Diskussion gegangen sei? – „Fußball!“ …