Grand Prix noch nicht so richtig angekommen
22.07.05 (Hockenheim)
Deutlich weniger Zuschauer am Renn-Freitag / Rückgang der Fanartikel-Stände / Einzelhandel verpasst Chancen, die Discounter und Supermärkte nutzen / Bierpreis sorgt für Verwunderung / Aufregung um Beerdigung
Der Große Preis von Deutschland schien bis gestern Nachmittag noch nicht so richtig in der Rennstadt angekommen zu sein. In der Innenstadt herrschte jedenfalls nicht die in den vergangenen Jahren gewohnte Hektik vor dem großen Ereignis, und vom Flair früherer Rennwochenende war wenig zu spüren. Bis auf wenige Ausnahmen verlief alles nach dem gewohnten freitäglichen Gang: die Hockenheimer machten ihre Wochenendeinkäufe und da nur wenige Rennfans die Innenstadt bevölkerten gab es selbst in den Straßencafés der Karlsruher Straße noch genügend freie Plätze. Keine Frage, das unbeständige Wetter mit seinen dunklen Regenwolken am Himmel trug sicher zu dieser ungewohnten Situation bei, aber auch auf den Zeltplätzen und rund um das Motodrom war die Stimmung nicht viel besser. Da zum ersten Training am Freitag auch deutlich weniger Zuschauer als sonst an die Rennstrecke gekommen waren, setzte sich der in der Innenstadt gewonnene Eindruck auch hier fort. Dass während den offiziellen Trainingsläufen im Eventbereich hinter der Südtribüne gähnende Leere herrschte, war wenig verwunderlich. Die teuer erstandenen Eintrittskarten mussten ja schließlich auch genutzt werden. Aber auch in den Pausen klafften riesige Lücken. „So einen schwachen Renn-Freitag haben wir seit Jahren nicht mehr gehabt“, bestätigten dann auch unisono Ordner, Kontrolleure und Verkäufer von Fanartikel. Überall war die deutliche Zurückhaltung der Fans zu spüren. Da wurden keine neue Mützen, Schals oder Fahnen gekauft, sondern die aus der letzten Saison einfach weiterverwendet. Waren früher die Imbissbuden stets dicht belagert, griffen die Rennbesucher am gestrigen Freitag verstärkt auf die mitgebrachte belegte Brötchen zurück. Und über den Bierpreis von 3,50 Euro für 0,33 Liter schüttelten viele den Kopf. Trotz aller Sparsamkeit wurden von den angereisten Fans aber die vielen neuen Angebote des Rahmenprogramms positiv registriert. Zu den Autogrammstunden der Rennfahrer herrschte dichtes Gedränge, das erstmals aufgestellte Riesenrad hinter der Innentribüne drehte fast ohne Pause seine Runden und bei den verschiedenen Aktivitäten in der Hockenheimring Experience World standen die Rennbesucher in langen Schlangen an, um mit den Mercedes-Testfahrern eine schnelle Runde über den Drifting-Parcours im Fahrsicherheitszentrum zu drehen. Manch einer von ihnen war nach diesem eindrucksvollen Erlebnis froh, sich vor einer der Bühnen bei der Musik von Live-Bands erholen zu können.
Auf dem Weg zurück in die Stadt fiel dann wieder deutlich auf, dass in diesem Jahr weitaus weniger Verkaufsstände mit Fanartikel aufgeschlagen wurden als noch im letzten Jahr. Für Verärgerung und Empörung sorgte das nachmittägliche Formel 1-Training bei einer Beerdigung auf dem Hockenheimer Friedhof. Wegen des Ostwindes wurde der Lärmpegel in Richtung Innenstadt verstärkt, so dass sich die Trauergesellschaft in ihrer Besinnung empfindlich gestört fühlte. Und da nicht alle Beerdigungsteilnehmer einen Parkplatz gefunden hatten, kam es auch mit den dort eingesetzten Polizisten und Ordnern zu einem Wortwechsel. Ob die Bemerkung eines Ordners, dass „diese Geräuschkulisse für einen echten Hockenheimer zu dessen Beerdigung nicht besser sein könne“, die Trauernden überzeugte und zur Problemlösung beitrug, sei dahingestellt.
Die einzigsten zufriedenen Gesicher am gestrigen Nachmittag schien es in den Supermärkten und bei den Discountern zu geben. Bei Aldi, Lidl, Penny oder Minimal gaben sich die Rennbesucher jedenfalls die Einkaufswagen in die Hand. An den Kassen bildeten sich lange Schlangen, die Kassierinnen und Auffüllerinnen hatten alle Hände voll zu tun. Mit dem Sinn für ein gutes Geschäft hatten die Einkaufsmärkte bereits auf den Campingplätzen rund um die Stadt Hinweisschilder aufgestellt und mit kleinen Hinweispfeilen schließlich die Anfahrt markiert. Eine geschäftstüchtige Idee, die auch den Hockenheimer Bäckern, Metzgern, Getränkehändler und Gastwirte am gestrigen Tag sicher deutlich mehr Umsatz hätte bescheren können. Da es aber diese Hinweise draußen auf den Zeltplätzen nicht gab, verteilte sich der Einkaufsverkehr auf die Lußheimer Straße und das Talhaus – was der Innenstadt dafür eine relativ beschauliche Ruhe bescherte. Wie gesagt, der Grand Prix schien am gestrigen Tag irgendwie noch nicht so richtig in Hockenheim angekommen zu sein. Jetzt hoffen natürlich alle auf den heutigen Samstag – und natürlich auf morgen, wenn um 14 Uhr der Große Preis von Deutschland gestartet wird.