Zwischen Hochachtung und Niedergang
28.10.06 ("Hoggemer Perspektiven", * Lokalreporter-Archiv)
Hockenheimer Perspektiven (14)
Hockenheim ist doch immer wieder für Überraschungen gut. Jedenfalls lassen die Positionen und Entscheidungen der Damen und Herren im Stadtparlament die Bürger der Stadt je nach dem verzweifeln, zustimmend nicken oder verwundert die Augen reiben. Es allen Kritikern und Bürgern recht zu machen, ist eine echte Herausforderung, aber auch eine schier unlösbare Aufgabe. Also wohl nichts, mit allen wohl und niemand weh? Auch dieser Eindruck wäre falsch, denn alle Aktivitäten am Ratstisch werden von den gewählten Bürgervertretern ernst genommen – und alle Entscheidungen sollen Lösungen ganz zum Wohl der Stadt und ihrer Bevölkerung sein. Dies gilt sicher auch für eine Entscheidung, die gerade aktuell für Aufmerksamkeit, aber auch für spöttische Bemerkungen und eindeutig Zweideutigkeiten sorgte und noch immer sorgt: Hockenheim bekommt einen Swingerclub – also eine Einrichtung, in der sich Paare oder einzelne Frauen und Männer treffen, um miteinander Zärtlichkeiten auszutauschen – oder einfach nur Sex zu haben.
Die ersten Reaktionen in der Stadt waren verblüffend: „So ein Musikclub hatten wir früher schon mal draußen beim Freibad!“ – „Ich mag Swing – vor allem den Glenn Miller!“ – „Ich war auch mal ein Swingboy, was ja im Dritten Reich eigentlich verboten war!“
Hoppla? Keine Ahnung? Auch am Ratstisch war während der öffentlichen Ratssitzung auf eine entsprechende Frage aus dem Gemeinderat („Was ist den eigentlich ein Swingerclub“) weder von Oberbürgermeister Dieter Gummer, Bürgermeister Werner Zimmermann oder Stadtbaumeister Stulken eine deutliche Antwort zu bekommen. Peinlichkeit? Unwissenheit? Oder gar Scham? Obwohl es gerade im Stadtrat jeder wissen müsste, was hinter so einem Swingerclub steckt. Schließlich musste ja darüber entschieden werden. Und dies sogar in geheimer Abstimmung! Ein Moment, wie er nur selten im Gemeinderat der letzten 25 Jahre üblich war. Und so wird es wohl auch für immer ein rennstädtisches Geheimnis bleiben, wer nun für – und wer gegen diese neue (seriöse!) Freizeiteinrichtung war.
Betrachtet man einmal die derzeitige Situation in Hockenheim, dann ist festzustellen, dass immer mehr Spielclubs, Wettbüros oder Spielautomaten-Hallen in die Rennstadt drängen oder sich hier gerne ansiedeln würden. „Die Nachfrage ist groß“, ist aus dem Hockenheimer Rathaus zu hören. Aber noch sind erst drei solche Einrichtungen offiziell genehmigt. Betrachtet man die Situation mal perspektivisch, dann wäre dies doch sicher eine Chance für Hockenheim, als deutsches, zumindest aber als kurpfälzisches Las Vegas für ein Klingeln in den Kassen, also auch den öffentlichen zu sorgen. Man stelle sich mal vor, was in der Großen Kreisstadt so alles los sein könnte, wenn die städtische Wirtschaftsförderung einmal in diese Richtung aktiv werden würde …: Zwischen Ring und Wasserturm würden die Heidelberger und Karlsruher Straße zum „Strip“ werden, das Hockenheimer Wahrzeichen selbst zum weithin sichtbaren Hoggene-Vegas-Tower. Das Geschäft in den vielen Friseurbetrieben würde florieren, die Kosmetikerinnen der Stadt hätten alle Hände voll zu tun, die Autohändler sowieso. Der Ring-Jet würde zum Shuttle-Service zu den ja in genüge vorhandenen Parkplätze und auf den Bühnen der Stadt würden die Puppen tanzen, große Shows präsentiert oder die Kleinkunst at the best geboten. Hockenheims Geschäftswelt würde wieder boomen, Modegeschäfte, Boutiquen, Juweliere – und natürlich auch die legendären Schuhgeschäfte dazwischen. Die Hotels der Stadt wäre ständig ausgebucht, die bisherigen Wirtschaften als Restaurants allabendlich ausgebucht. Das Leben würde in die Innenstadt zurückkehren, die jetzt schon einladenden Parkanlagen zu attraktiven Erholungszonen, zwischen Georgskirche und Lutherhaus, zwischen Rathaus und Stadtkirche würden in einer Fußgängerzone Cafés, Bistros und natürlich seriöse Nachtclubs oder Discotheken zur Einkehr einladen.
Ob diese Perspektiven nun Hirngespinste, Träumereien oder gar ein Alptraum sind – wer weiß. Dazu passt aber auch die vor einiger Zeit vom neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden Herbert Kühnle entworfene kühne Idee, in Hockenheim eine Spielbank einzurichten. Und zwar ganz im Stil und Glamour vergleichbarer Einrichtungen in Baden-Baden, Bad Dürkheim oder auch in Wiesbaden. Ob nun in der wirtschaftlich wenig erfolgreichen Stadthalle oder im Umfeld des Motodroms – beide Standorte hätten ihre Vorteile …
Von all dieser Zukunftsmusik ist man im Hockenheim des Jahres 2006 noch weit, sehr weit entfernt. Noch sorgen wirtschaftliche Probleme für Schlagzeilen, haben die Gewerbetreibenden alle Hände voll zu tun, diese Talsenke zu überstehen. Dass dies auch alteingesessene Familienunternehmen treffen kann, zeigt die Schließung der Firma Eichhorn in der Oberen Hauptstraße. Ob der vielen Gerüchte und Besserwissereien über die Hintergründe der Schließung ist Monika und Andreas Eichhorn die Information wichtig, das nur das Ladengeschäft geschlossen wird! Der für seine Arbeit weithin bekannte Handwerksbetrieb für Installation und Sanitär bleibt nämlich in vollem Umfang bestehen, soll sogar noch ausgebaut werden. „Wir wollen vor allem den Sanitärbereich stärken“, so Andreas Eichhorn. Er und seine Frau laden in den nächsten Wochen alle Hockenheimer, aber auch Kunden aus den umliegenden Gemeinden zu einem Besuch des Ladengeschäftes ein, wo der Ausverkauf bereits läuft und attraktive Rabatte so manches Schnäppchen erwarten lassen.
Also, nichts wie hin – ehe es zu spät ist -, empfiehlt der Beobachter