* In Erinnerung an eine historische Wallfahrt
18.10.07 (Reilingen)
Nach über 200-jähriger Unterbrechung findet in Reilingen am kommenden Sonntag bereits der 9. Wendelinsritt der Neuzeit statt
Am morgigen Sonntag wird in Reilingen ein noch immer nicht umfassend erforschtes Stück Heimatgeschichte wieder lebendig: die Wallfahrt zum heiligen Wendelin, dem Schutzpatron der Landleute, Hirten und Herden, Schäfer, Bauern und des Viehs. Getreu der seit Jahrhunderten überlieferten Bauernweisheit „Sankt Wendelin verlass‘ uns nie, schirm unsern Stall, schütz unser Vieh“ wurde der Volksheilige früher vor allem gegen Viehseuchen sowie für gedeihliche Witterung und gute Ernte angerufen.Wie einst an den Wallfahrtstagen vergangener Tage wird auch in diesem Jahr in Reilingen nach dem Festgottesdienst in der katholischen Wendelinskirche gegen 10.45 Uhr eine Reiterprozession durch die Hauptstraße vor die Kirche ziehen, um dort an der überlieferten Tiersegnung teilzunehmen.
Bereits in der Gründungsurkunde der „Löblich Bruderschaft sant Wendels zu Reutlingen” (Reilingen) vom 10. Juni 1451 wird eine „wallfard ad Sancti Wendalini“ erwähnt, die zum „lobpreys des sant Wendels“ in die gleichnamigen „Capell by Wersawe“ führte. Diese Kirche war 1446 erbaut „in Ere sant Wendels des heyligen beichtigers geweyhet“ worden.
Schätzt man die wenigen Überlieferungen richtig ein, muss die Reilinger Wallfahrt von besonderer Bedeutung in der Kurpfalz gewesen sein. Einzig allein hier wurde nämlich fast die gesamte kurfürstliche Familie als Mitglied in einer Wendelinsbruderschaft aufgeführt. Noch immer ist über diese Bruderschaft wenig bekannt. So weiß man nur, dass ihr die Aufgabe zufiel, sich um die Wallfahrer zu kümmern und das am Kraichbach gelegene „Gutleutehaus“ zu führen. Die Urkunde von 1451 ist derzeit der einzige schriftliche Vermerk. Wie lange diese Bruderschaft bestand, ist ebenso unbekannt wie die deren weitere Geschichte.
An die Tradition der Wallfahrt erinnert noch heute in der Wendelinskiche die gut erhaltene Statue ihres Schutzpatrons, der um 570 als Einsiedler in den Vogesen lebte. Den alten Überlieferungen nach soll er als einer der ersten Missionare im Frankenreich um 617 gestorben sein. Sein Grab befindet sich seit dem elften Jahrhundert im saarländischen St. Wendel.
Da er viel von Tieren verstand, kamen die Bauern zu ihm, wenn sie wegen ihres Viehs in Nöten waren oder gar Viehseuchen drohten. Dem von ihm entdeckten Wasser einer Quelle in den Vogesen wird noch heute eine besondere Kraft zugesprochen.
In Erinnerung an diesen Volksheiligen, der zugleich Patron der katholischen Kirche als auch der Spargelgemeinde ist, findet in diesem Jahr nach über 200-jähriger Unterbrechung bereits der 9. Wendelinsritt der Neuzeit statt.
Organisiert vom Reiterverein Reilingen werden dann auch morgen wieder viele Reitergruppen und festlich geschmückte Kutschen vor die Kirche ziehen, wo der Ortsgeistliche allen Tieren und Menschen den traditionellen Wendelinssegen spenden wird. Der Festzug endet für die Teilnehmer auf dem Gelände des Reitervereins, wo ein Mittagessen auf sie wartet. Für alle anderen wird ganz dem alten Pilgerbrauch folgend der Festtag mit einem Mittagessen beim folgenden Wendelinsfest im Josefshaus fortgesetzt werden. (og)