Kurpfalz Regional Archiv

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* Ketscher Kerwe-Erinnerungen

11.10.98 (* Lokalreporter-Archiv)

Erinnerungen an die Kerwe sind auch in Ketsch vor allem die Erinnerungen an die eigene Kindheit. Je älter man wird, um so verklärter denkt man zurück an eine Zeit, die geprägt war von den letzten Arbeiten im Garten und auf den Feldern, dem unvergleichlichen Duft von feuchten Blättern, modernden Pilzen und langsam vor sich hinfaulenden Äpfeln oder Birnen. Kam das Kirchweihfest näher, stiegen einem die Rauchschwaden von frisch gebackenem Kuchen in die Nase, die Zwiebeln für den “Plootz” trieben die Tränen in die Augen und der noch junge Wein oder Apfelmost verursachte hie und da ein gewisses Unbehagen in den Därmen.
Und in diesen Erinnerungen verblassen dann auch die Nöte in den nicht so einfachen Zeiten nach den Kriegen in diesem Jahrhundert. „Früher, da war es einfach schöner“, sagen die Frauen und Männer gerne, die Kerwe erlebten, die noch geprägt war von freudigem Erwarten und genügend Zeit zum Freuen.
Vor einigen Jahren erinnerte sich ein beliebter Ketscher Kaufmann, der in der Hockenheimer Straße ein Lebensmittelgeschäft hatte, an seine Kinderzeit. Seine Erzählungen sind heute ein liebenswerter Rückblick auf eine Zeit, in der sich die Kinder und die Erwachsenen noch so richtig voller Ungeduld auf die Ketscher Kerwe freuten. Die Vorbereitungen zum Kuchenbacken, was in damaliger Zeit eine wichtige Rolle spielte, blieben dem Opa Franz noch gut in Erinnerung. Vor allem die braunen Kuchen, die es an diesem Wochenende sowohl mit einem feinen als auch groben Teig gaben, hatten es ihm angetan. So erzählte er immer wieder, daß das Abhülsen und das Zerschneiden der Mandeln, der Sukkade (kandierte Fruchtschale) und der Zitronenschalen den Anfang machten.
„Am Abend vor dem Backen sind wir immer in die Küche geschlichen, um das Anrühren des Teiges mit anzusehen – und zu schlecken“, berichtete er mit einem schelmischen Augenzwinkern. Die Mutter gab in eine großen Schüssel Mehl, Sirup, Mandeln, Rosen- und Zimtwasser, Hirschhornsalz und die übrigen Zutaten. Dies alles wurde mit Leibeskräften zu einem Teig geknetet. Am anderen Morgen ging dann die Mutter mit dem während der Nacht unter einem warmen Federkissen schön gegangenen Teig zum Bäcker um die Ecke, von wo sie nachmittags mit zwei Körben voll duftendem Kuchen wieder zurückkam.
Wer jetzt aber glaubt, daß die Arbeit damit beendet war, hat sich getäuscht. Da sich zur Kerwe meist viele Verwandte von außerhalb zu einem Besuch ansagten, mußte man auf alle Möglichkeiten der Versorgung vorbereitet sein. Also wurde gerade in den ländlichen Gemeinden geschlachtet oder nach frischem Wildbret Ausschau gehalten. Froh der, der einen Jäger oder Förster kannte. Und wer niemanden kannte, der fuhr mit einer wohlbehüteten Adresse des Adlerwirts ausgestattet nach Neulußheim, um sich dort einen Feldhasen oder eine Rehkeule zu besorgen.
So stand dann einem guten Braten oder einem deftigen Vesper nichts mehr im Wege. Und wenn dann am Donnerstag vor Kerwe so gegen Abend die ersten Schausteller nach Ketsch kamen und im Bruch begannen, ihre Schiffschaukeln, Kettenkarussells oder Schützenstände aufzubauen, wurde es lebendig in den Straßen der Enderlegemeinde. Es waren vor allem die Buben, die von dem Treiben auf dem Rummelplatz angelockt wurden und für eine Zuckerwatte oder ein “Gutsel” ihre Mithilfe beim Aufbau anboten.
Fragte man aber Opa Franz, was denn für ihn die schönste Erinnerung an Kerwe sei, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Die guten Kuchen meiner Mutter“. (og)
 

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