Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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* Kinder erleben spannenden Ausflug in die Stadtgeschichte

05.12.07 (Speyer)

Unterwegs mit dem Nachtwächter durch Speyer in der Vorweihnachtszeit / Kinder-Rundgänge stoßen auf großes Interesse / Von Geschichten aus der Geschichte begeistert
Jahrhundertelang sorgten die Nachtwächter in der Freien Reichsstadt Speyer für Ruhe und Ordnung, ließen die Menschen in der damals bedeutenden Stadt mit 24 Kirchen, einer über fünf Kilometer langen Stadtmauer und den darin eingelassenen 68 Türmen ruhig schlafen. Vor allem in den kalten Winternächten zog der Nachtwächter in seinem dicken schwarzen Umhang mit hochgeschlagenem Kragen durch die Gassen und über die Plätze zwischen dem schon damals das Stadtbild prägenden Kaiserdom und dem weithin sichtbaren Altpörtel. Bei seinen Rundgängen hatte er seine Augen überall, schaute sich aber vor allem um in den besonders dunklen, meist sogar unheimlich wirkenden Ecken der teilweise noch immer von vielen Ruinen geprägten einst so glorreichen Stadt. Rechts und links der Marktstraße waren die Häuser in barocker Pracht nach den Zerstörungen des Jahres 1689 wieder aufgebaut worden, und auch in der Herdtgass (der damaligen Hauptverkehrsstraße, die mitten in die Stadtmitte führte) standen wieder die Häuser der Kaufleute, Patrizier und des Klerus.
In dieses Szenario entführte der in Region bekannte Heimatforscher Otmar Geiger gleich mehrmals in der Figur des Nachtwächters von Speyer viele Buben und Mädchen, die an den erstmals angebotenen Kinderrundgängen in der Vorweihnachtszeit teilnahmen. Bewusst hatte er die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts für seine historischen Erlebnisrundgänge ausgesucht. „Es war eine spannende, ja aufregende Zeit“, wusste er immer wieder zu berichten und seine Geschichten aus der Geschichten machten die jungen Teilnehmer der Rundgängen neugierig auf die wechselvolle Stadt- und Heimatgeschichte.
Los ging es stets am Brunnen auf dem Königsplatz, wo noch vor der großen Stadtzerstörung die große Stadtpfarrkirche St. Moritz gestanden hatte. Von hier führte der abendliche Rundgang zunächst über die große Marktstraße hin zum Gießhübelbach, um sich bei der Kälte über den mit Ungeduld erwarteten Eisgang zu informieren. Nicht nur die Gastwirte, vor allem die vielen Braustätten in der Stadt von besonderer Wichtigkeit, um die Bier- und Eiskeller bis in den nächsten Sommer kühl und frisch halten zu können. Das Flackern der Kerzen in den Häusern wurde beim lebendigen Erzählen des Nachtwächters scheinbar ebenso wieder sichtbar, wie die vorweihnachtlichen Gerüche nach Labkuchen, Gewürze oder Bienenwachs über dem Weihnachtsmarkt vor dem in der Dunkelheit der Nacht nur schemenhaft zu erkennenden Dom. Hier ließ Geiger dann auch seine kleinen Rundgangsteilnehmer einen Kartoffellabkuchen nach einem Rezept aus dem Jahre 1743 kosten, um so auch geschmacklich in die Geschichte eintauchen zu können. Überhaupt verband der Heimatforscher viele Stationen seines Rundgangs mit zur Jahreszeit passenden Geschichten aus Brauchtum und Volkskunde, erzählte vom einfachen Leben der Menschen der damaligen Zeit, aber auch von deren Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen. Die Küchen und Stuben im Glanz des „Weihnachtsmaien“ wurden so ebenso erlebbar wie später die dann mit Weihnachtsbäumen und Krippen geschmückten guten Stuben in den Häusern des Bürgertums. Die Zeit verging den Buben und Mädchen dann auch wie im Flug, ein Stück vom traditionellen „Neunerley“, einem Brot aus „viel fruchten“ rundete das vorweihnachtliche Erlebnis ab. Spätestens bei der Ankunft auf dem Königsplatz war man dann aber wieder zurückgekehrt in das Speyer von heute mit all seinen Lichtern, der Hektik und des Lärms. Während sich die Kinder noch über einen kleinen Lichttopf für die heimische Weihnachtskrippe freuten, verschwand der Nachtwächter bereits wieder mit schlurfenden Schritten in der dunklen Nacht …  (ara)

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