Kühler Trip in die Unterwelt
17.09.96 (Landschaft & Orte)
Hinein in die wasserdichten, bis zur Brust reichenden
Kanalarbeiteranzüge, die Regenjacke übergezogen und in die
Gummistiefel geschlüpft. Zu guter Letzt noch den Schutzhelm auf
den Kopf gestülpt zum Abmarsch bereit. Vor uns liegt mit dem
Trippstadter Brunnenstollen ein einzigartiges Baudenkmal im
Pfälzerwald.
Es ist ein knapp 300 Meter langer, finsterer Weg quer durch den
Berg, der auf uns wartet. Früher holten die Ritter ihr Wasser
durch tiefe Brunnenschächte von unten nach oben. Im Trippstadter
Brunnenstollen jedoch plätschert das Naß mit einem leichten
Gefälle zu Tale. Die Idee dazu hatte Freiherr von Hacke bereits
- Da baute er nicht nur das weithin bekannte Schloß, sondern
ließ auch nach Wasseradern forschen, um den schon damals großen
Ort auf der Höhe mit dem kostbaren Naß zu versorgen.
Gleich zu Beginn der Stollenwanderung muß ein Absetzbecken
durchwatet werden. Der Wasserstand mißt hier knapp einen Meter
und reicht bis zur Hüfte. Kalt schmiegt sich der Gummianzug an
die Haut, während die Blicke hilfesuchend das Gewölbe abtasten.
Doch im Schein der Grubenlampen macht sich rasch Erleichterung
breit: Da wir vom Ausgang aus in das Stollensystem eingedrungen
sind, sinkt die Wasserhöhe allmählich bis auf Knöchelhöhe.
Noch bis 1965 versorgte die Anlage zwei Dorfbrunnen. Deutlich ist
noch zu erkennen, wie sich die Steinmetze mit Schlägel und Eisen
vorgearbeitet haben. Schon damals scheint es üblich gewesen zu
sein, sich im Fels zu verewigen. „Baltzer + Strasburger 1767“ ist
da im schwachen Licht der Lampe zu entziffern. Selbst die über
200 Jahre alten Hölzer einer Verbauung in der Stollenweitung sind
noch vorhanden.
Diese Art der Wasserbeschaffung kennt man eigentlich nur aus dem
Vorderen Orient oder Nordafrika, wo chronischer Wassermangel
herrscht. So ist der Trippstadter Brunnenstollen nicht nur
einmalig in der ganzen Pfalz, sondern auch eine Rarität in ganz
Westeuropa und gilt nicht nur kulturhistorisch, sondern auch
technikgeschichtlich als eine besondere Sehenswürdigkeit.
Hochgewachsene Besucher sind zuweilen dankbar für den Schutzhelm,
denn an manchen Stellen mißt der Gang gerade mal 1,7 Meter. Im
Berg ist in den Jahrhunderten eine ganz besondere Welt
entstanden. So gibt es Leuchtmoos zu bewundern, das den
Buntsandstein an den Übergängen von Hell ins Dunkel ziert. Oder
man lauscht dem leisen Flug der Wasserfledermäuse, die hier im
Untergrund überwintern. Sogar die seltenen Bartfledermäuse wurden
hier entdeckt.
Nach einer knappen Stunde sichten wir das andere „Mundloch“, das
uns das Ende des Stollens signalisiert. Drinnen im gut belüfteten
Stollen liegen die Temperaturen konstant bei etwa neun Grad.
Vogelgezwitscher und eine fast unwirkliche Wärme empfangen
draußen den Besucher, der aus der Kühle kam.
Aus Rücksicht auf die empfindliche Tier und Pflanzenwelt finden
Besichtigungen des Trippstadter nur von Mai bis September statt.
Maximal zehn Personen verkraftet eine Führung, kleine Kinder
müssen wegen des Wasserstandes leider draußen bleiben. (PM)