Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz und Baiern

15.04.14 (Geschichte allg., Personalia, Städte & Gemeinden)


Sammler und MäzenFörderer der Wissenschaften
Kurfürst Carl Theodor war kein Mann des Militärs, sondern ein kunstsinniger, musisch begabter und den Wissenschaften zugetaner Monarch. Er war Wittelsbacher und gehörte damit einer der ältesten und einflussreichsten Dynastien in Europa an, aus der 600 Jahre lang die bayerischen und pfälzischen Herrscher hervorgingen. Carl Theodor wurde am 10. Dezember 1724 nicht als Kurprinz, sondern in die wittelsbachische Nebenlinie Pfalz-Sulzbach hineingeboren.
Der amtierende Kurfürst Carl Philipp, der keine männlichen Nachkommen hatte, bestimmte Carl Theodor zu seinem Nachfolger und holte den Zehnjährigen 1734 an den Mannheimer Hof. Ein Jahr zuvor hatte er ihn mit seiner ältesten Enkelin, Elisabeth Auguste, verlobt und richtete im Januar 1742 ihre prunkvolle Hochzeit aus. Als er elf Monate später starb, trat Carl Theodor seine Nachfolge an.
Der neue Kurfürst herrschte über die Kurpfalz, die ein Gebiet an Rhein und Neckar um die Städte Mannheim und Heidelberg umfasste. Er war gleichzeitig Herzog von Pfalz-Sulzbach, Pfalz-Neuburg, Jülich und Berg sowie Markgraf von Bergen op Zoom in den Niederlanden. Außerdem beerbte er den bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph nach dessen Tod 1777. Der preußische König Friedrich II. bezeichnete Carl Theodor einmal als „Glücksschwein“, dem es gelungen sei, sein Land durch Erbschaften und nicht durch Kriege zu gewinnen. Er residierte zunächst in Mannheim. Nach dem Tod seines einzigen legitimen Sohnes 1761 regelte er die bereits zuvor schriftlich fixierte wittelsbachische Erbfolge in verschiedenen Hausverträgen mit dem kinderlosen Max III. Joseph von Bayern. 1771 bestimmten sie München zur Residenz, wohin Carl Theodor mit seinem Hofstaat 1778 übersiedelte.
Seiner Residenzstadt Mannheim verhalf er zu einer großen Blüte, auch in baulicher Hinsicht. Wegen der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg lässt sich dies heute kaum noch nachvollziehen, auch wenn das Schloss, eines der größten Barockschlösser Europas, und die Jesuitenkirche wiederaufgebaut wurden.
Noch in der Amtszeit seines Vorgängers Carl Philipp wurde am 2. Juli 1720 der Grundstein für das zu den größten Bauvorhaben des 18. Jahrhunderts zählende Schloss gelegt. Zunächst entstanden der Corps de logis und die beiden Ehrenhofflügel. Es folgte die von Cosmas Damian Asam ausgemalte und stuckierte Schlosskapelle, die 1731 eingeweiht wurde. Im selben Jahr konnte die kurfürstliche Familie ihre Residenz beziehen. Ab 1737 wurde mit dem Bau des Westflügels und der Hofoper begonnen, die anlässlich der Hochzeit Carl Theodors mit Elisabeth Auguste fünf Jahre später eröffnet wurde. Der neue Kurfürst ließ das Schloss durch seinen Baumeister Nicolas de Pigage um den Ostflügel erweitern, der die Bibliothek, Archiv- sowie Sammlungsräume und weitere Einrichtungen aufnahm.
Unter Carl Philipp und Carl Theodor wurden vor allem die zur Repräsentation dienenden Räume prächtig ausgestaltet. Ein großzügiges Treppenhaus führte in die Beletage. Die Stufen der zweiläufigen Treppe waren so breit angelegt, dass die Damen in ihren ausladenden Reifröcken neben ihren Begleitern hinauf- und hinabschreiten konnten. Die Gäste amüsierten sich im Ritter- und im Ballsaal bei den höfischen Festen, zum Beispiel zu Karneval. Die Feiern um die Namenstage Carl Theodors und Elisabeth Augustes am 4. und 19. November zählten zu den gesellschaftlichen Höhepunkten in der Kurpfalz. Es gab nicht nur mehrere Bälle, sondern Konzerte und Opernaufführungen. Die aufwendige Hofhaltung ließ sich das kurfürstliche Paar jedes Jahr eine Menge Geld kosten. Es sollen elf Prozent der Staatseinnahmen aus allen Landesteilen gewesen sein.
Sammler und Mäzen
1777 nahm der junge Wolfgang Amadeus Mozart an den Feierlichkeiten anlässlich der Namenstage teil. Er war mit seiner Mutter am 30. Oktober in Mannheim eingetroffen. Den kurfürstlichen Hof hatte er schon einmal im Juli 1763 zusammen mit den Eltern und seiner Schwester Nannerl besucht. In der Schwetzinger Sommerresidenz durften die Kinder damals vorspielen und ernteten großes Lob.
Der zweite Besuch bei Hofe sollte zu einem Engagement des damals 21-jährigen Mozart führen – das erhoffte sich vor allem der Vater, dessen finanzielle Lage immer prekärer wurde. Durch Fürsprecher gelang es Mozart, bei einer „Galaacademie“ am 6. November aufzutreten, wo er wiederum mit großem Beifall bedacht wurde. „Er spielt unvergleichlich“, bestätigte Carl Theodor ihm anschließend. Doch ein Engagement blieb aus.
Bis zu seiner Abreise im März 1778 nach Paris durfte er einstweilen die illegitimen Kinder des Kurfürsten unterrichten, die dieser mit Josepha Seyffert, der späteren Gräfin von Heydeck, hatte. Mozart sah seine Berufung allerdings nicht als Musiklehrer oder Musiker. „Ich bin ein Componist“, heißt es in einem Brief an seinen Vater, „und bin zu einem kapellmeister gebohren. Ich darf und ich kann mein Talent im Componiren, welches der gütige Gott so reichlich gegeben hat (…), nicht so vergraben.“
Und komponieren durfte er auch für Carl Theodor. In Mannheim entstand Mozarts einziges Flötenkonzert. Vermutlich erhoffte sich der junge Komponist auch dadurch eine feste Anstellung bei Hofe, liebte der Kurfürst das Flötenspiel doch ganz besonders. In seiner Münchner Zeit gab er Mozart den Auftrag für eine Oper; 1781 wurde Idomeneo im Residenztheater uraufgeführt.
Der Kurfürst war ein Bewunderer der Musik, und sein Hoforchester unter Johann Stamitz erlangte als „Mannheimer Schule“ einen weit über die Grenzen der Kurpfalz hinausgehenden Ruhm. Maler und Dichter genossen großes Ansehen bei Hofe, und Carl Theodor stand in regem Austausch mit Voltaire. 1753 hatte er den Philosophen empfangen, nachdem dieser unehrenhaft aus seinem Amt als Königlicher Kammerherr Friedrichs des Großen entlassen worden war.
Carl Theodor machte sich außerdem als Sammler einen Namen, und das Antiquarium mit Abgüssen der Laokoon-Gruppe und weiterer antiker Skulpturen, die Gemäldegalerie, das Münz-, Medaillen- und Naturalienkabinett, aber vor allem die Bibliothek stießen auf allgemeine Bewunderung. In seiner Mannheimer Zeit erweiterte er den Buchbestand auf 100.000 Bände und machte die Bibliothek an drei Tagen in der Woche der Öffentlichkeit zugänglich.
Wie bei seinen fürstlichen Zeitgenossen, standen auch bei Carl Theodor höfisches Amüsement und Prachtentfaltung hoch im Kurs. Er ging in seiner Rolle als absolutistischer Herrscher auf und war in allen Landesteilen als Bauherr aktiv. Zusammen mit seinen Baumeistern Alessandro Galli Bibiena und Nicolas de Pigage entwickelte er Pläne für einen Neubau des Schlosses in seiner Sommerresidenz Schwetzingen. Umgesetzt wurden allerdings lediglich die beiden Zirkelbauten zur Gartenseite hin, das Theater und einige Architekturen im beeindruckenden Schlosspark, den der Gartenarchitekt Friedrich Ludwig Sckell anlegte. Im äußersten Winkel des Parks schuf sich der Kurfürst ein ganz privates Refugium: das Badhaus, ein eingeschossiges Lustschlösschen, in das er sich ohne höfischen Zwang mit engen Vertrauten zurückziehen konnte.
Förderer der Wissenschaften
Man täte Carl Theodor Unrecht, wenn man ihn nur als absolutistischen Pracht- und Machtmenschen darstellen würde. Er regierte im Zeitalter der Aufklärung und hat sich als Reformer sehr verdient gemacht. Außerdem gilt er als ein Wegbereiter des Denkmalschutzes in Deutschland und unterzeichnete im August 1749 den Erlass, ihm „verschiedene antiquitaten und andere monumenta“ anzuzeigen. Wenn die Finder ihm Spolien zuschickten, erhielten sie dafür „eine proportionirliche recompense“.
Carl Theodor förderte die Forschung, etablierte in Mannheim eine Akademie der Wissenschaften, einige Forschungseinrichtungen und eine Hebammenschule, die er 1766 in der Remise einer Kanonengießerei einrichten ließ. Ledig schwanger zu werden, stand damals unter Strafe, und so konnte man Probandinnen gewinnen, indem ihnen Straffreiheit zugesichert wurde. Die hygienischen Verhältnisse müssen allerdings katastrophal gewesen sein. Die Leiter des Hauses, Franz Anton Mai und Lorenz Fischer, beklagten dies oft, fanden aber beim Kurfürsten wenig Gehör.
Wissenschaftler anderer Sparten hatten mehr Glück und konnten ihre Forschungen mit großzügigen Mitteln des Kurfürsten vorantreiben. Seinem Hofastronomen Christian Mayer baute er 1772-74 in der Nähe des Residenzschlosses eine Sternwarte, eines der wenigen noch erhaltenen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert in Mannheim. Carl Theodor bewilligte große Summen zur Anschaffung von hervorragenden Teleskopen, mit denen Mayer vor allem Fixsterne und ihre Trabanten erforschte. Für das von Johann Jakob Hemmer geleitete Mannheimer Physikalische Kabinett spendierte der Kurfürst 4.000 Gulden für spezielle Instrumente. Hemmer führte die ersten Blitzableiter in der Kurpfalz ein, einer von ihnen ist auf dem Dach der Sternwarte erhalten.
Außerdem war der Landesherr der damals sich entwickelnden Wetterbeobachtung gegenüber aufgeschlossen. Innerhalb der Akademie der Wissenschaften gründete er 1780 die Meteorologische Gesellschaft und stiftete für 39 Wetterstationen in Deutschland, Italien, Grönland und anderen Staaten Barometer. Noch heute sind die „Mannheimer Stunden“ geläufig, in denen um 7, 14 und 21 Uhr mittlerer Ortszeit die Instrumente abgelesen wurden. Die Liste dieser Forschungsbereiche ließe sich beliebig fortsetzen.
Mannheim entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum wissenschaftlichen Nabel der Welt. Daher war der Schock groß, als Carl Theodor seine Residenz 1778 nach München verlegen musste und die meisten Einrichtungen mitnahm. Als einer der wenigen beließ er das Nationaltheater in Mannheim, wo am 13. Januar 1782 „Die Räuber“, das erste Bühnenstück Friedrich Schillers, uraufgeführt wurde. Der große Erfolg des Dramas brachte dem jungen Dichter einen Vertrag ein. Weil er die beauftragten Stücke nicht liefern konnte, wurde er drei Jahre später entlassen und kehrte der Stadt gezwungenermaßen den Rücken.
Nachdem Kurfürst Max III. in der Silvesternacht 1777/78 erst 51-jährig an den Pocken gestorben war, soll Carl Theodor das Ende seiner guten Tage beklagt haben. Er begab sich umgehend nach München, um seine Erbansprüche geltend zu machen, auf die der habsburgische Kaiser Joseph II. ebenfalls pochte. Es kam zum Bayerischen Erbfolgekrieg, der jedoch ohne nennenswerte Kämpfe im Mai 1779 beendet wurde.
Die Münchner Jahre
Die Verlegung der Residenz nach München machte nicht nur den Mannheimern zu schaffen. Carl Theodor wurde mit den Bayern nie so richtig warm. Sie lehnten ihn trotz seiner Reformen ab. Vor allem nahmen sie ihm übel, dass er Bayern 1785 zugunsten der Österreichischen Niederlande an Habsburg abtreten wollte, um zusammen mit den Herzogtümern Jülich und Berg sowie seinem pfälzischen Besitz ein Königreich Burgund zu schaffen. Der preußische König Friedrich II. wusste dies durch ein militärisches Eingreifen zu verhindern.
1794 starb Kurfürstin Elisabeth Auguste im fernen Weinheim, und Carl Theodor heiratete kaum sieben Monate später Maria Leopoldine von Österreich-Este. Doch der erhoffte Erbe blieb aus, weil sich die 18-jährige Kurfürstin ihrem mehr als 50 Jahre älteren Mann verweigerte. So kam wiederum eine wittelsbachische Nebenlinie zum Zuge, als Carl Theodor am 16. Februar 1799 starb. Was ihm nicht gelungen war, schaffte sein Nachfolger, Herzog Maximilian Joseph von Pfalz-Zweibrücken: Mit großem Jubel begrüßten ihn die Bayern. 1806 wird er ihr erster König.
Quelle: Carola Nathan (Monumente – Magazin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 4/2014)

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