Licht und Schatten im regen Wechsel
09.11.91 (Glaube & Religion, Kirchen & Klöster)
Die Kirche in Lußheim wurde laut Pfarrer Specht (1883) im Jahr 881 erstmals erwähnt. Sie stand damals auf dem höchsten Punkt des Ortes, an der Stelle des alten heidnischen Hains, des jetzigen Friedhofs und war dem heiligen Nikolaus geweiht. Im Jahr 946 schenkte der rheinfränkische Herzog Konrad der Rote, Ort und Kirche Bischof Reginbald I. für das Hochstift Speyer. Im Jahr 1138 schenkte Bischof Günter von Speyer Ort und Kirche dem kurz zuvor gegründeten ZisterzienserKloster Maulbronn. Die Äbte von Maulbronn waren nun Grundherren, Zehntherren und Richter für Zivilsachen in Lußheim bis 1806.
Die im Jahr 1253 am südlichen Ortsrand, im Bereich des heutigen Friedhofs, erbaute Kirche war ein aus Steinen gebautes Haus mit einem in Fachwerkkonstruktion erstellten achtseitigen Turm. Nach der Schlacht bei Nördlingen kam 1634 mit dem Kloster Maulbronn auch die Pfarrkirche zu Lußheim in den Besitz der Papisten. Pfarrer Samuel Sator wurde verjagt und die Gemeinde zerstreut. Lußheims Pfarrei war bis 1650 unbesetzt. Die Kirche hatte sehr Not gelitten, der Turm war beinahe ganz zerfallen, das Dorf war ein trauriges Abbild vieler Verwüstungen.
Cornelius Schneier, Pfarrer von 1650 bis 1666, ließ den Turm wieder aufbauen, die Kirche wieder herstellen und schmückte sie mit mehreren Inschriften aus, welche das Jahr der Erneuerung anzeigten. 1689 brach der Orleanische Erbfolgekrieg aus. Noch ehe das benachbarte Speyer geplündert und zerstört wurde, waren die Franzosen ins Dorf
eingefallen. Der Pfarrer wurde verjagt, vor dem Morden und Brennen konnten sich die Einwohner nur durch Flucht erretten. 1691 wurde das ganze Dorf Altlußheim angezündet und größtenteils in Schutt und Asche gelegt. Auch das Pfarrhaus wurde ein Raub der Flammen. Die Pfarrei war bis 1698 unbesetzt. Die an der Kirche entstandenen Schäden wurden 1698/99 beseitigt. 1722 zersprang die alte Kirchenglocke. Die Herrschaft ließ hierauf eine neue gießen und schenkte sie der Lußheimer Kirche. Bis zum Jahr 1833 gab diese Glocke ihren Klang, dann zersprang sie und mußte umgegossen werden.
Zur Ehre Gottes und zur Zierde des Gottesdienstes wurde in der alten Lußheimer Kirche 1723 die erste Orgel aufgestellt. Nach der Gründung des Ortes Lußhofen oder Calabria, dem späteren Neulußheim, gingen die neuen Siedler in die Lußheimer Kirche. Schon nach einer kurzen Zeit beklagten sich diese, daß sie dort keine gern gesehenen Gäste seien,
zumal die Kirche für alle Bürger viel zu klein sei. Daher entschieden sich die Neulußheimer für einen Neubau in ihrem Ort, der 1731 ausgeführt wurde. Der Neubau einer Kirche in Altlußheim wurde 1765 beschlossen. Die alte Kirche auf dem Friedhof wurde abgebrochen und das Baumaterial zum Teil für die neue Kirche wiederverwendet. Als Standort wurde die
Mitte des Ortes ausgewählt, dort, wo früher die alte Gerichtslinde stand, direkt neben dem Rathaus. Der Entwurf stammt wohl von dem württembergischen Baumeister Johann Groß.
Auf Erlaß des herzoglichwürttembergischen Kirchenrats in Stuttgart wurde die neue Altlußheimer Kirche am Kirchweihsonntag, 9. November 1766, eingeweiht. Zu den beiden vorhandenen Glocken, die herrschaftlichen auf dem alten Kirchturm und der Gemeindeglocke, die bis dahin auf dem Rathaus hing, wurde damals, damit die Terz herauskommen möge, auf Kosten des „Heiligen“ (= Kirchenvermögen) eine dritte Glocke angeschafft. Sie war 929 Pfund schwer, kostete 620 Gulden und wurde von Paulis Strobel in Speyer gegossen. Die Glocke trug außer den Namen des Herzogs Karl von Württemberg, des Pflegers von Maulbronn und des Pfarrers Schütz zu Altlußheim eine Inschrift.
Am 27. Mai 1805 wurde beim Heidelberger Orgelbaumeister Andreas Ubhauser für 1.375 Gulden eine neue Orgel gebaut. Bereits 1827 machten der Kreisbaumeister Frommel und Bezirksbaumeister Dyckerhoff Vorschläge für eine Erweiterung der Kirche, die 1829 nach den Plänen von Dyckerhoff durchgeführt wurden.
Die 1766 erbaute und 1829 erweiterte evangelische Kirche Altlußheims stand von Anfang an unter einem guten Stern. Bis auf den Verlust ihrer Glocken, die im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen wurden, hat sie alle anderen Kriege unbeschädigt überstanden. An der Orgel waren verschiedene Reparaturen notwendig. Nach der Kirchenrenovierung 1963 wurde auch dieses Instrument dringend erneuerungsbedürftig. Die Firma Gebrüder Mann in Marktbreit erhielt den Auftrag zum Umbau und zur Erweiterung der Orgel. 1964 wurde diese Orgel wieder in Dienst gestellt. Die mit der Kirchenrenovierung
installierte Warmluftheizung führte nach relativ wenigen Jahren zu Trockenschäden an der Orgel, die die Kirchengemeinde erneut zum Handeln zwang.
Pfarrer Ziegler und sein Kirchengemeinderat beschlossen 1977 den Einbau einer Fußbodenheizung in die Kirche, die künftige Schäden an der Orgel ausschließen sollten. Gleichzeitig mit dieser Baumaßnahme wurde das Gotteshaus erneut innen restauriert und der Turm saniert. Mit der Ausführung des Neubaus der Orgel wurde die Firma Wolfgang Scherpf aus Speyer beauftragt. Nach Abschluß der Arbeiten durfte man hoffen, daß die Pfarrgemeinde für viele Jahrzehnte eine Orgel hat, die „zur Ehre Gottes und zur Zierde des Gottesdienstes“ erklingen möge.
Verfasser: Ewald Ballreich, Heimatforscher, Altlußheim / erschienen: 9.11.1991, Schwetzinger Zeitung