"Mannemer Eis uff de Mess"
23.04.91 (Brauchtum & Tradition, Speisen & Getränke)
Zu den größten Volksfesten in der Region zählt neben dem Brezelfest in Speyer, den Backfischfesten in Worms und Ketsch sowie dem „Amifest“ in Heidelberg vor allem die Mannheimer Maimess. Heute wie damals eine Attraktion für jung und alt. Heute längst zu einem Alltagsgericht geworden, war um die Jahrhundertwende das Speiseeis noch eine lang ersehnte Besonderheit. Kein Wunder also, daß gerade die Eisbuden einen Stammplatz auf den Volksfesten hatten.Am längsten läßt sich die Eistradition in der Kurpfalz noch heute an der Mannheimer Familie Erndt verfolgen, die bereits 1900 in ihrer kleinen Firma leckeres Speiseeis herstellte. Vanille oder Schokolade, Erdbeer oder Banane, Generationen von Kurpfälzern lief und läuft noch immer das Wasser im Mund zusammen beim Gedanken an die kalten Köstlichkeiten auf der Mess. Kein Wunder also, daß heute Buben und Mädchen an den Stand kommen und Grüße vom Opa oder der Oma ausrichten, die früher selbst einmal vor dem Verkaufswagen nach einem Eis anstanden.
Adam und Elise Erndt hatten in Mannheim 1898 ihr Eisgeschäft gegründet. Von hier aus belieferten sie Wirtshäuser, Kaffeehäuser und Volksfeste in der Pfalz und im Odenwald. Die Zutaten waren damals allesamt frisch: Bauern brachten ihr Obst
vorbei, lieferten Milch und Sahne in die Stadt.
Um das Speiseeis herzustellen wurden oft zwischen 50 und 100 Block Roheis verbraucht. Das Eis wurde in feine Brocken gehackt und von Hand unter Zahnrädern fein zermahlen. Kräftige Arme mußten die Früchte und das Eis verrühren, Zucker und Aromastoffe kamen hinzu. Erst in den 30er Jahren erleichterten Maschinen die Knochenarbeit.
Das Geschäft mit dem Eis florierte. Die Familie und deren Angestellte zogen von Volksfest zu Volksfest. Besonders gern kam man nach Hause auf die „Mannemer Mess“, die damals noch auf dem Alten Meßplatz stattfand.
Nach dem Tod des Vaters in den 30er Jahren führten Mutter und die Töchter Sophie und Elisabeth das Geschäft weiter – bis das Haus im Krieg durch Bomben vollständig zerstört wurde. „wir hatten kein Hemd mehr und keinen Schuh“, erinnern sich die beiden Schwestern, die noch hochbetagt jedes Jahr zu „ihrer Mess“ zurückkehren. Zwei Jahre lang wurde Schutt geräumt und ganz langsam das Unternehmen neu aufgebaut.
Seit dieser Zeit sind die beiden Frauen in der Kurpfalz unterwegs, kennen alle Volksfeste und man kennt sie. Der Eiswagen strahlt und glänzt noch heute in derSonne. Die Eisrezepte von damals wurden als Familiengeheimnis bewahrt und locken noch immer die großen und kleine Kunden an. Verraten wird das Familiengeheimnis noch immer nicht, aber verraten, daß das Eis „ohne Chemie“ hergestellt wird.
Die Vielfalt ist in der Zwischenzeit riesig, immer wieder kommen neue Sorten hinzu, die Erndts bleiben erfinderisch. Und so gehört „Mannemer Eis uff de Mess“ seit fast einhundert Jahren zu den besonderen Spezialitäten in der Kurpfalz.