Martinstag mit alter Tradition
04.11.95 (Brauchtum & Tradition)
Martini wurde in der Pfalz auch als Fest des neuen Weins gefeiert
Landauf, landab gibt es in der Kurpfalz viele beliebte Traditionen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten aus dem Jahresablauf der Menschen an Rhein und Neckar nicht mehr wegzudenken sind. Zu den populärsten Volksbräuchen zählt vor allem der Martinstag. Seit Generationen ziehen am 11. November die Kinder durch die Straßen oder gehen von Haus zu Haus. Dabei schwenken sie stolz ihre ausgehöhlten Rüben, Kürbis oder Papierlaternen.
Das Feiern gerade um diese Jahreszeit hat eine uralte geschichtliche Entwicklung. Es waren bereits die Römer, die an diesem Tag ihr Erntedankfest begingen. Gefeiert wurde nicht nur südlich der Alpen, sondern auch in allen Provinzen des römischen Reiches. Unsere Region hatte wegen seines Wein-, Obst- und Getreideanbaus bereits damals eine besondere Bedeutung. In den Jahren der römischen Herrschaft hatten sich überall in der späteren Kurpfalz ehemalige Legionäre als Landwirte niedergelassen und ihre „villa rustica“ gebaut.
Und dass auch hier das römische Erntedankfest als besonderes Fest im Jahreskalender gefeiert wurde, verdeutlichen Funde bei Ausgrabungen in Ladenburg, Schriesheim und Stettfeld (bei Bruchsal). Zeitgleich wurde links und rechts des Rheins aber auch das Fest des neuen Weins gefeiert. Dazu wurden meistens Gänse verspeist, die als Weisagungsvogel galten. Als Orakelknochen diente das Brustbein, dessen Farbe verraten sollte, wie der kommende Winter werden sollte. Ein rötliches Brustbein stand für strenge Kälte, weißes für milde Witterung. Weiße Flecken auf dem Rückenknochen versprachen Schnee. In jedem Fall aber galt die Weisheit: „Ist die Gans tot, endet die regnerische Jahreszeit“.
Als sich auch in unserer Region das Christentum durchsetzte, wurde der Heilige Martinus zum Schutzpatron für diesen Tag bestimmt. Der legendäre Ritter und spätere Bischof von Tours (dort wurde er am 11.11.397 auch begraben) wurde um 455 zum ersten Heiligen der Römischen Kirche unter den Nichtmärtyrern erklärt. Die merowingisch-fränkischen Könige wählten St. Martin zu ihrem Schutzpatron und besaßen als wertvollste Relique seinen Mantel (cappa), der in jeder Schlacht vorausgetragen werden musste.
Dieser Kapuzenmantel wird noch heute in der „Sainte Chapelle“ zu Paris, der Schlosskirche der französischen Könige aufbewahrt. Die kirchlichen Hüter der Mantelhälfte wurden „cappellani“ (Kaplan) genannt, der Aufbewahrungsort wurde zur Kapelle. Ein Begriff, der später für jedes kleinere Gotteshaus gelten sollte. Allein in Frankreich gibt es fast 4.000 Martins-Kapellen und Kirchen des Heiligen. Und in der Kurpfalz liegt mit St. Martin einer der schönsten und idyllischsten pfälzischen Weinorte überhaupt. So gehört es bei den Winzern unserer Heimat zur guten Tradition, an Martini den Märtenswein zu trinken, um auch im nächsten Jahr eine gute Ernte zu bekommen.
Und auch das gehört zum Volksbrauch: Mit dem Eintreiben des Viehs ist für die Bauern der Spätsommer auch in den klimatisch begünstigten Regionen zu Ende. Mit dem 11. November begann für sie früher der Winter. Um für die kalte Jahreszeit Vorsorge zu treffen, wurde an diesem Tag das erste große Schlachtfest nach der Ernte gefeiert. Zu Martini wurden aber auch die Saisonarbeiter entlassen. Die Hirten, Hütebuben, Knechte und Mägde kassierten ihren oft kargen Lohn und zogen anschließend am Abend mit einer Laterne von Haus zu Haus, um singend um weitere Martinsgaben zu bitten. Eines dieser Lieder ist in einem „Gebethbuch für Jünglinge und Jungfrauen, mit einem gar löblichen Anhang für Dienstbothen“ zu finden, das 1734 zu Speyer gedruckt worden war und sich heute in der Landesbibliothek in der Domstadt befindet: „Hier wohnet gar ein reycher Mann/der uns heut viel mehr geben kann./Vieles soll uns er iezt geben/wofür recht lange er soll leben./Selig soll er sterben/das Himmelreych erwerben.“ (og)