Melanchthon als Ratgeber in Heidelberg
19.06.90 (Glaube & Religion, Personalia)
Kirchenreformator, christlicher Humanist, Lehrer Deutschlands, Vorreiter des ökumenischen Dialogs: Philipp Melanchthon, der große Erneuerer, hat auch Heidelbergs Geschichte entscheidend mitgeprägt.Am 16. Februar 1497 wurde Philipp als ältester Sohn des kurfürstlichen Rüstmeisters Georg Schwarzerdt in der kurpfälzischen Amtsstadt Bretten geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters und dem Besuch der Lateinschule bei seinem Onkel Reuchtlin in Pforzheim begann er bereits mit zwölf Jahren 1509 sein philosophisches und philologisches Studium in Heidelberg. Bereits zwei Jahre später schloß er dieses als Baccalaureus Artium ab. Seinen Namen übersetzte er der damaligen Vorliebe humanistisch geprägter Menschen für die klassische Antike folgend ins Griechische und nannte sich fortan Melanchthon, „Schwarze Erde“.
1514 wurde Philipp Melanchthon als Universitätslehrer in Tübingen angestellt, 1518 als Professor für Griechisch an die Universität Wittenberg berufen. Dort lernte er Martin Luther kennen, zu dessen Freund und Mitstreiter er wurde. Er unterstützte Luther 1519 bei seiner Leipziger Disputation, trug als sein Stellvertreter während des Augsburger Reichstages 1530 öffentlich und auf deutsch das Augsburger Glaubensbekenntnis vor.
An der deutschen Bibelübersetzung war Melanchthon als Kenner der alten Sprachen entscheidend beteiligt. Da Luther als Geächteter an den Verhandlungen auf Reichsebene nicht teilnehmen konnte, wurde Melanchthon seit 1529 zum offiziellen Wortführer der Wittenberger Theologie auf Reichstagen und bei Religionsdiskussionen. Bei den Gesprächen mit der katholischen Kirche versuchte er stets, die Einigkeit der Kirche durch den Dialog zu bewahren. Neben seinen theologischen Schriften sind noch heute eine große Zahl von Grammatiken und seine Lehrbücher über fast alle Wissensgebiete der damaligen Zeit überliefert.
Melanchthon starb am 19. April 1560 in Wittenberg und wurde dort in der Schloßkirche neben Martin Luther begraben.
Als Ratgeber bei der Reformierung des Bildungswesens, als akademischer Lehrer, als auf Vermittlung bedachter Wortführer im Streit der Konfessionen nahm Melanchthon großen Einfluß auf Kirche, Staatswesen und Gesellschaft. In der Kurpfalz setzte Kurfürst Ottheinrich während seiner nur dreijährigen Regierungszeit (1556 1559) mit der neuen Kirchenordnung vom 4. April 1556 die Einführung von Luthers Lehre durch. Philipp Melanchthon wurde 1557 kurfürstlicher Berater bei der Reform der
Heidelberger Universität. Die 1558 verabschiedeten Statuten blieben im wesentlichen bis 1786 in Kraft. Die Heidelberger Universität wurde damit zur evangelisch ausgerichteten Landeshochschule, an der „bürgerliche“ Kleidung zu tragen war sowie „weltliche“ und praxisbezogene Themen in die Lehre einbezogen wurden.
Unter Friedrich III. (1559 1576) fand die zweite „Heidelberger Reformation“ statt: Im Auftrag des Kurfürsten verfaßte Zacharias Ursinus, ein Lieblingsschüler Melanchthons, der allerdings auch von Calvin beeinflußt war, die Entwürfe für den berühmten „Heidelberger Katechismus“ von 1563. Dieser vertrat die reformierte Lehre in gemäßigter Form, verzichtete
beispielsweise auf das calvinistische Dogma von der Prädestination (Schicksalsvorbestimmung). Darin wurde deutlich das geistige Erbe des ökumenischen Vermittlers Melachthon spürbar. Der Katechismus umfaßt das Apostolische Glaubensbekenntnis, die Einsetzungsworte für Taufe und Abendmahl, die Zehn Gebote und das Vater Unser und stellt damit für die reformierten Kirchen noch heute die wichtigste Zusammenfassung ihrer Glaubenslehre dar.
Kurfürst Friedrich III. machte den Heidelberger Katechismus 1563 zum festen Bestandteil der kurpfälzischen Kirchenordnung.
Bis heute ist der Heidelberger Katechismus die einzige reformatorische Lehrschrift deutscher Herkunft, die weltweite Verbreitung gefunden hat und in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurde.