Messevergnügen im Wandel der Zeit
17.05.05 (Brauchtum & Tradition)
Heute das Riesenrad, damals der Indianer: Seit Jahrhunderten locken Attraktionen auf die Speyerer Herbstmesse
Ach, wie ging es doch anno dazumals auf der Speyerer Herbstmesse zu: Es gab Parfümerien, Filz- und Gummischuhe, Offenbacher Pfeffernüsse und Regenschirme. Als Attraktion lockten lichtscheue Menschen mit „milchweißem langem Haar und rothen Augensternen“. Nicht zuletzt auch ein Indianer: „Derselbe isst lebende Tauben, Hühner und Hasen. Wovon sich das verehrliche Publikum selbst überzeugen kann“. Seifen wurden angeboten, „in der Bude gegenüber der Polizei“. Honig- und Moschusseifen, auch Neuwieder Kernseife fehlte nicht. Es gab Hosenträger und Strumpfbänder, „letztere unter Zusicherung der billigsten Preise“, wie der aus Tirol angereiste Joseph Milbäck im Jahre 1865 im Anzeigenblatt der Kreishauptstadt Speyer versprach.
Da die Landbevölkerung speziell zur Herbstmesse in die Stadt strömte, kamen auch die einheimischen Händler und Handwerker auf ihre Kosten, durften sie doch ihre Buden gebührenfrei aufstellen, während die Auswärtigen je nach Größe des Standes bis zu drei Reichstaler und für jeden eingenommenen Gulden einen Kreuzer Steuern zahlen mussten.
Im Stadtarchiv gibt es viele Unterlagen, die die Bedeutung der Speyerer Messen unterstreichen. Händler reisten unter anderem aus Freiburg, Reutlingen, Nürnberg, Ammergau und Füssen in die Domstadt. In ihren hölzernen Buden boten sie Waffen und steinernes Geschirr, gläserne Hemdenknöpfe und seidene Schnupftücher, Messer, Scheren und baumwollene Strümpfe, Schnallen und Dosen, Halsbänder und Strohhüte an.
Die Speyerer Herbstmesse verdankt ihre Entstehung einem Privileg von Kaiser Friedrich II., Enkel von Kaiser Barbarossa und Neffe des im Speyerer Dom begrabenen Königs Philipp von Schwaben. Die Urkunde samt Majestätssiegel vom Juli 1245 befindet sich im Stadtarchiv.
Inzwischen sind Jahrhunderte vergangen, seit Kaiser Friedrich II. den Speyerern die Abhaltung einer 15-tägigen Herbstmesse erlaubte. Der Archivar Günther Groh lässt in den sechziger Jahren allerdings nicht unerwähnt, dass es schon vor der kaiserlichen Privilegierung Handelsmärkte in Speyer gab; lud doch die Lage der Stadt dazu ein. In Speyer kreuzten sich die Handelsstraßen von Straßburg nach Mainz und die von Metz über Kaiserslautern in Richtung Bayern.
Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte es schon damals der Wettergott mit den Messebesuchern nicht immer gut gemeint. Denn am 20. Mai 1330 erhielt der Stadtrat von dem in Speyer anwesenden König Ludwig dem Bayern eine Urkunde, mit der dieser den Messebeginn um fast zwei Monate vom Fest der Apostel Simon und Judas (28. Oktober) auf das Fest Mariä Geburt (8. September) vorverlegte. Gleichzeitig verlängerte er die Dauer der Messe auf drei Wochen.
Eineinhalb Jahrhunderte später bewilligte Kaiser Friedrich III. mit Urkunde vom 2. Dezember 1479 eine erneute Verlegung. Jetzt dauerte die Messe nur noch vierzehn Tage. Für ihre damalige Bedeutung im beginnenden Niedergang der wirtschaftlichen und politischen Macht der Freien Reichsstadt Speyer noch immer zu lange. Nicht wenige Kaufleute zogen vor Schluss der Messe ab, einige kamen erst nach Tagen, blieben aber auch nicht bis zum Ende. Im Jahre 1609 gab es eine erneute Verkürzung und Verlegung. Die Herbstmesse begann nun am Montag vor Allerheiligen und dauerte sechs Tage.
Um diese Zeit fand aber auch die Wormser Allerheiligenmesse statt. Erst 1706 einigten sich die Ratsherren beider Städte, dass die jetzt achttägige Speyerer Messe am Donnerstag vor Simon und Judas beginnen sollte. Nachdem die Wormser Messe erst am Montag vor Allerheiligen eröffnet wurde, hatten die Kaufleute vier Tage Zeit, nach Worms zu ziehen und dort aufzubauen.
Im Jahre 1811 erfolgte erneut eine Verkürzung der Messe auf drei Tage und ihre Umwandlung in einen Jahrmarkt. Zehn Jahre später wurde der Antrag, die Messe wieder auf acht Tage zu verlängern, vom Landkommissariat abgelehnt. Mit der Begründung, dass nur die Ausländer Vorteile hätten, die wegen der Gewerbefreiheit in der Pfalz verkaufen dürften, während die Speyerer von ausländischen Märkten ausgeschlossen blieben.
Letztlich umging die Verwaltung diese Ablehnung, indem sie duldete, dass die Händler auch ohne Genehmigung ihre Buden einige Tage länger offen hielten. Es war wohl auch der Grund, dass im November 1836 einem erneuten Antrag auf Verlängerung und Umbenennung des Jahrmarktes in eine Messe stattgegeben wurde.
Schieß- und Kunstbuden sowie Karussells standen auf dem Königsplatz, die Hauptstraße war den Buden und Verkaufsständen vorbehalten. Die Verlängerung brachte seinerzeit die Speyerer Geschäftswelt auf die Beine, die, wenn auch ohne Erfolg, beim Stadtrat protestierte. Immer wieder wird von dem Versuch des protestantischen Presbyteriums berichtet, das im Oktober 1872 eine Verkürzung und Verlegung der Messe beantragt hatte. Regelmäßig, so hieß es damals, fallen das Reformations- und das Himmelfahrtsfest in die Zeit der Messen und halten nicht wenige Bürgerinnen und Bürger vom Kirchgang ab. Eine Verkürzung auf drei Tage würde dem ohnehin zweifelhaften Bedürfnis vollauf entsprechen, hieß es in der Begründung.
Noch eines setzte man drauf und stellte fest, dass weder einheimische noch auswärtige Händler bei den Messen in Speyer, die lediglich der heranwachsenden Jugend und den Dienstboten Anlass zu neuen Versuchungen bieten, auf ihre Kosten kämen. Der Antrag wurde schließlich abgelehnt. Die Speyerer Messe blieb bestehen, entwickelte sich in den Folgejahren verstärkt zu einem Jahrmarkt. Im Jahre 1898 wurde der Festplatz als Festgelände ausgewiesen.
„Nun werden bald die Bauarbeiten für die neuen Brückenauffahrten im Zuge der Umgehungsstraße einen anderen Platz für die Speyerer Messe erforderlich machen“, befürchtete der Stadtarchivar Mitte der 1960er Jahre. Doch er irrte gewaltig, wie die Realität beweist. Noch immer finden die Messen in Speyer auf dem inzwischen ausgebauten und heute allen Ansprüchen der Schausteller gerecht werdenden zentrumsnahen Festplatz statt.
Nicht weniger irrte sich – zur Freude der Freunde der Speyerer Herbstmesse – der Redakteur der „Speyerer Zeitung“, der im Jahre 1932 schrieb, dass die Messe eine überlebte Sache sei und wenn man sie schon als althergebrachte Sitte und Einrichtung nicht abschaffen wolle, so genüge doch eine dreitägige Dauer vollauf.
Quelle: unbekannt