Mit der Burg Wersau fing alles an
23.08.96 (Städte & Gemeinden)
Betrachtet man die 710jährige Geschichte der
Spargelgemeinde Reilingen, fällt auf, daß das Schicksal
des Dorfes und auch der ganzen Umgebung von der Burg
Wersau, dem früheren Herrschaftssitz, geprägt wurde. Schon
1286, als „Villa Reitling“ zum ersten Mal urkundlich im
Lorscher Codex erwähnt wurde, lag die Gemarkung im
Grenzgebiet der beiden alten Königsforste Lußhardt und
Schwetzinger Hardt. Die Lußhardt, also die Wälder, die
sich bis zum fränkischen Königshof in Bruchsal
erstreckten, war bereits 1056 durch König Heinrich III.
dem Bistum Speyer geschenkt worden. Nur sieben Jahre
später erweiterte Heinrich IV. den bischöflichen
Waldbesitz und die heutige Schwetzinger Hardt.
Aus alten Dokumenten weiß man heute, daß bereits die
Könige an der Kraichbach eine Burg besaßen, die
„Walsrhawe“ genannt wurde. Daraus entwickelte sich in den
Jahren der Begriff Burg Wersau. Diese stand an der Stelle
der heutigen Schloßmühle und lebt als Namen im
benachbarten barocken Wersauer Hof weiter.
Die gut befestigte Burganlage hatte damals die Aufgabe,
die umliegenden Wälder und die Verkehrswege zu sichern.
Zum Herrschaftsbereich gehörten die Dörfer Reilingen und
Hockenheim sowie für kurze Zeit auch Oftersheim und St.
Leon. Da es an genauen Unterlagen aus dieser Zeit fehlt,
gehen die Historiker heute davon aus, daß die Dörfer und
die Burg mit der Schenkung der Wälder an die Speyerer
Bischöfe kamen. Das Bistum setzte dann dort zur Verwaltung
ein Ministerialengeschlecht, die Schenken von Wersau, ein.
Als erster von ihnen wurde bereits um 1155 ein Dietrich
als Schenk des Hochstifts noch ohne den Bezug zu Wersau
genannt. 1198 wird Eberhard, der Sohn des Schenken von
Hockenheim, erwähnt und erst 1236 gab es dann einen
Schenk von Wersau. Von dieser Zeit an werden die Schenken
in den Urkunden immer unter dem Namen ihrer Burg genannt
und galten als Speyerer Dienstleute.
Im Dunkel der Geschichte wechselte der Besitz an Burg
Wersau an die Schenken, denn 1286 ist zu lesen, daß
Eberhard von Wersau die Hälfte seiner Burg an den Bischof
von Speyer wieder verkaufte. Da dieser das Geld nicht zur
Verfügung hatte, gab er seinen Erwerb als Pfand an den
Pfalzgrafen Ludwig II. weiter, der bereits die
andere Burghälfte von Markward von Krobsberg und den
Brüdern von Erligheim (alles Verwandte der Wersauer
Schenken) gekauft hatte. Als Zubehör zur Burganlage wurden
auch die Dörfer Reilingen und Hockenheim wieder genannt.
Obwohl sie als Lehen des Bistums Speyer galt, diente die
Herrschaft Wersau den Pfalzgrafen immer wieder als
Pfandobjekt und wurde zur Verschreibung als Witwengut
genutzt. Die Pfandnehmer wechselten meist sehr rasch und
aus einem Wittumsbrief (Witwenbrief) ist 1386 zu lesen,
daß die Schwetzinger Hardt von der Herrschaft Wersau
abgetrennt wurde. Unter anderem gehörte der Besitz auch
Königin Elisabeth, der Gemahlin Rupprechts III., als
Witwengut (eine Art Alters und Lebensversicherung zur
damaligen Zeit).
In der pfälzischen Landesteilung kam die Burg mit all
ihrem Besitz an die Linie PfalzMosbach der Wittelsbacher.
Herzog Otto verschrieb Wersau 1429 seiner Gemahlin Johanna
von Bayern, die die Burg und die Dörfer später Stephan von
PfalzSimmernZweibrücken verpfändete. Erst nach der
Schlacht von Seckenheim kam die Herrschaft Wersau
endgültig in den Besitz der immer mächtiger werdenden
pfälzischen Kurfürsten.
Nach wechselvoller Geschichte standen am Ende des
30jährigen Krieges von Wersau nur noch einige Mauern,
Kellergewölbe, Stallungen und ein baufälliger Turm mit
alten Glocken. Die Ruine wurde nochmals notdürftig
instandgesetzt und diente über längere Zeit hinweg den
Kurfürsten als Jagdschloß. Vor allem im Herbst herrschte
auf und um Wersau ein buntes Treiben, denn die
kurfürstlichen Hirschjagden galten als gesellschaftliches
Ereignis. Während die männlichen Einwohner Reilingens und
Hockenheims als Treiber zum Dienst verpflichtet waren,
mußten die Frauen der Dörfer bis zu 600 Mahlzeiten für die
Jagdgesellschaften herrichten.
Das Schloß war, nimmt man einen Plan aus der Zeit um 1680
zu Hilfe, eine ovale Anlage, deren maroden Außenmauern
durch Strebepfeiler gestützt wurden. Im
PfälzischOrleanischen Erbfolgekrieg wurde das Schloß 1689
zerstört und auch die beim Schloß eingerichtete Mühle
brannte bis auf die Grundmauern ab. Die Gebäudereste ließ
man verfallen und 1764 erhielt Reilingen einen Teil des
Gemäuers als Steinbruch zurück. Aus diesen Steinen baute
man eine Friedhofsmauer. Mit dem pfälzischen Oberamt
Heidelberg wurde Reilingen 1802/03 durch das Kurfürstentum
Baden, dem späteren Großherzogtum, in Besitz genommen und
bereits 1803 dem beugebildeten Amt Schwetzingen zugeteilt.
Von der ganzen herrschaftlichen Anlage ist heute fast
nichts mehr zu sehen. Lediglich ein Gewölbekeller und ein
alter Tiefbrunnen erinnern an die Burg. Besonders spannend
ist es aber, einmal mit einem Flugzeug über die ehemalige
Burg Wersau zu fliegen. Je nach Stand der Sonne kann man
den früheren Verlauf der Burganlage erahnen, was auch
Fotos der Luftbildarchäologie bestätigen. Das Schloßgut
umfaßte 1686 eine bebaubare Fläche von 154 Morgen
Ackerland und 30 Morgen Wiesen in der Ketschau.
Erst im 18. Jahrhundert wurde für die Landwirtschaft und
Schäferei östlich vom Schloß der Wersauer Hof errichtet,
der zunächst unter kurpfälzischer Verwaltung stand. Später
wurde das Hofgut von Schwetzingen aus verwaltet und
lediglich ein herrschaftlicher Wiesenknecht war noch in
Reilingen eingesetzt. Nach der Auflösung des
Herrschaftsbesitzes war der Wersauer Hof zunächst in
bäuerlichem Eigentum. Um die Jahrhundertwende übernahmen
dann die Freiherren von Wamboldt das Hofgut, das
schließlich 1927 an die evangelische Pflege Schönau
verkauft wurde. In deren Besitz ist die barocke Hofanlage
noch heute.
Mit der wechselvollen Geschichte der Burganlage ist eng
die Entwicklung der Dörfer Reilingen und Hockenheim
verknüpft, aber auch das kulturhistorisch bedeutsame
Ereignis der Übergabe der päpstlichen Bulle auf der Burg
Wersau an den Kurfürsten, dem damit die Errichtung der
Universität Heidelberg genehmigt wurde. (og)