Nachdenklicher Blick in die närrische Zukunft
01.02.10 (Reilingen)
KVR-Ehrensitzungspräsident Siegfried von Sagunski (84) fordert närrische Umbesinnung / „Zurück zu den Wurzeln“ lautet sein Auftrag / Mehr Lokalkolorit in die Fasnacht bringen
Es gibt Momente, da ist man einfach still und hört zu. Und wenn dies auch noch während einer Prunksitzung mit viel närrischem, stimmungsfrohem und ausgelassenem Publikum geschieht, dann muss dies einen ganz besonderen Grund haben. So geschehen am Samstagabend in der nahezu ausverkauften Mannherz-Halle als Siegfried von Sagunski, der Grandseigneur und Altmeister der Reilinger Fasnacht, zum Mikrofon schritt und als eine Art von Protokoller die Veranstaltung eröffnete. Im Nachhinein betrachtet war es eigentlich viel mehr, was der 84-jährige Tausendsassa mit seinen liebevoll gereimten Worten ausdrückte. Er selbst nannte es schlicht und einfach „Nachdenkliches über Karneval im Allgemeinen und unsere Prunksitzung im Besonderen“. Bei aller Liebe zur Narretei sollte es in diesem Augenblick auch kein „Kokolores“ sein, sondern eben hörenswerte Gedanken eines lebenserfahrenen Mannes, eines Narren von altem Schrot und Korn. Die Botschaft, besser sogar, der Auftrag dieser Rede war ganz einfach, aber in aller Konsequenz vielleicht sogar revolutionär. Mit „Zurück zu den Wurzeln“ forderte Siegfried von Sagunski mutig dazu auf, sich auch bei Fasnachtsveranstaltungen wieder eigener Kräfte zu besinnen, dem Lokalkolorit wieder mehr Bedeutung zu geben. Er erinnerte daran, dass in der Anfangszeit des Karnevalvereins auch in Reilingen noch drei Viertel des Sitzungsprogramms von eigenen Kräften bestritten worden sei. Büttenredner, Tänze, Gesangsnummern, Schaudarbietungen und andere Auftritte hätten das Programm mit Leben erfüllt. Heute würde das Fernsehen vorgeben, wie eine Prunksitzung zu sein habe, die Zuschauer würden noch immer profihaftere Auftritte und Shows erwarten. Gerade auch von den vielen kleinen Vereinen. „Wir Amateure, die das närrische Brauchtum ehrenamtlich pflegen, fühlen uns inzwischen den gestiegenen Anforderungen und Erwartungen nicht mehr gewachsen.“ Immer weniger Leute würden aktiv mitarbeiten und die Kosten für eine Prunksitzung mit vielen Bütten- und Showgrößen fast nicht mehr bezahlbar. „Dabei soll’n vor allen Dingen, eigne Kräfte Freude bringen“, lautete unter dem Beifall der vielen Hundert Zuhörer die einfache Formel des KVR-Sitzungspräsidenten und hoch dekorierten Ausnahmefasnachters. Sagunski forderte dazu auf, nicht „den Bettel hinzuschmeißen, sondern sich am Riemen reißen“. Mit neuen Ideen, mehr Engagement und vor allem der Zusammenarbeit mit den vielen anderen Vereinen in Dorf könne die Zukunft gemeistert werden. „Nur in Gemeinschaft sind wir stark, alles andre das ist Quark!“ Ob sich der Wunschtraum von Siegfried von Sangunski, selbst Gründungsmitglied des Karnevalvereins, erfüllen wird, wird sich zeigen. Nimmt man den Beifall als Gradmesser, dürfte es, zumindest theoretisch betrachtet, keine Probleme geben, auf echte Reilinger Art die Fasnacht neu zu beleben. Die kommenden Jahre werden es zeigen, ob die Menschen auch in der Praxis bereit sein werden, dem Aufruf „Zurück zu den Wurzeln“ zu folgen. Siegfried von Sagunski jedenfalls blickt hoffnungsvoll in die Zukunft.