Kurpfalz Regional Archiv

Geschichte(n) und Brauchtum aus der (Kur-)Pfalz

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Seit 1830 gibt es Fastnachtsumzüge

23.02.96 (Brauchtum & Tradition)

Fastnacht, Fasnacht, Fasnet, Fasching oder Karneval  für
die einen eine liebenswerte Tradition, für die anderen eine
verzichtbare Narretei. Egal, wo man nun die sogenannte
„fünfte Jahreszeit“ einordnen möchte, sie ist zu einem
festen Bestandteil im kurpfälzischen Jahresrhythmus
geworden. Die Geschichte der Fastnacht ist eigentlich uralt
und geht noch auf das germanische Brauchtum zurück. Damals
war es schon üblich, den Winter durch furchterregende
Gestalten in Gewändern und mit Masken vertreiben zu wollen.
Später wurde diese Winteraustreibung auch von den
christianisierten Volksgruppen übernommen und fand so
Einzug in das Kirchenjahr.

Anstelle der Geisterbeschwörung rückte aber die kirchliche
Bedeutung in der Vordergrund: Fastnacht galt als die Zeit
des letzten Feierns vor der 40tägigen Fastenzeit vor
Ostern. In katholischen Gegenden ist dieser Brauch bis
heute lebendig. Im schwäbischalemannischen Raum ist nach
wie vor die germanisch geprägte Fasnet mit Maskenträgern
und zum Teil furchterregenden Kostümen in das Brauchtum
übergegangen.

Eine ganz andere Fastnacht hat sich entlang des Rheines
entwickelt. Hier prägen die französischen und preußischen
Einflüsse während den Besatzungs und Regierungszeiten den
im 19. Jahrhundert entstandenen Karneval. Genau betrachtet
nutzte die Bevölkerung die von der Obrigkeit zu Fastnacht
geduldete Narrenfreiheit und karrikatierte, ja
verballhornte den Militarismus und das damit verbundene
Herrschaftssystem.

In der Kurpfalz links und rechts des Rheines hat sich so in
den Jahren seit 1830 eine eigenständige Fastnacht
entwickelt, die Traditionen aus allen Brauchtümern
aufweist. So ist der rheinische Karneval hier ebenso zu
hause wie auch die volkstümliche Fastnacht, die aus dem
Odenwald, Kraichgau oder Bruhrain einströmte. Es ist so
eine überaus bunte Mischung entstanden  die Fasnacht.

Übernommen wurden so auch die Tradition der
Fastnachtsumzüge. Diese gehen zurück auf die erste Hälfte
des 19. Jahrhunderts. So ist bekannt, daß in der
„bayerischen Kreis und Hauptstadt“ Speyer bereits 1830 ein
„wohlgeformter Narrenzug“ durch die Straßen zog. Ab 1839
gibt es Nachweise über die ersten Maskenzüge in Mannheim,
die ab 1840 vom Unterhaltungsverein „Räuberhöhle“
durchgeführt wurden.

Doch wie gesagt, die kurpfälzische Fastnacht ist um
Jahrhunderte älter. Es gab schon sehr früh mehr oder
weniger organisierte Umzüge. Vor allem am Tag vor
Aschermittwoch, dem Beginn der kirchlichen Fastenzeit,
zogen in der „Fastnacht“ Grüppchen und wilde Haufen
maskiert und in Sack und Lumpen gekleidet meist von
Wirtschaft zu Wirtschaft.

Der kurfürstliche Hof und damit der Adel schloß sich dieser
Art des Feiern jedoch nicht an. Auch hier blieb man unter
sich und feierte rauschende Maskenbälle. Das höfische
Zeremoniell blieb erhalten, man vergnügte sich in
farbenfrohen und phantasievollen Kostümen. Venezianische
Masken oder das Gesicht verdeckende Handlarven waren eine
Pflicht. Nur wer erkannt wurde, mußte sich demaskieren und
war damit dem Spott der anderen ausgesetzt.

Erst während der Gründerjahre um die Mitte des 19.
Jahrhunderts entstanden in der bürgerlichen Gesellschaft
die ersten Karnevalsvereine und närrischen Vereinigungen.
Sie waren es, die gemeinsames und „kultiviertes“
Fastnachtstreiben in ihre Satzungen aufnahmen. Diese
Gründungen gingen auf Kölner und Mainzer Vorbilder zurück.
Das gilt auch für das Wort „Carneval“, das auch in der
Kurpfalz bei der Namensfindung der neugegründeten Vereine
und Gesellschaften in Mode kam. Die nunmehr organisierten
Fastnachter und Narren wurden zu „Karnevalisten“, die
Harlekins und Pierrots zum „Prinzen Carneval“.

In Speyer ist eine „Ordnung des Zugs“ vom 13. Februar 1831
im Original erhalten geblieben. So weiß man heute, daß mit
19 Nummern ein recht übersichtlicher Narrenzug durch Speyer
zog. Dem „Träger der Narrenfahne“ und „Drey Trompetern“
folgte „Oberst Rummelpuff“ als „Commandant des Krähwinkler
Landsturms“, dann „Sperlin, General Quartiermeister und
Regimentsdichter, nebst Schnaps, RegimentsFeldscher“.
Weiter hinten im Zugprogramm findet man dann „Prinz
Schnudi, Generalissimus, nebst Gemahlin, Prinzessin
Evekathel“, denen mehrere Wagen „mit dem Präsidenten und
den Räthen der Regentschaft“ folgten.

Fastnachtsumzüge in der Zeit des politischen Vormärz waren
auch Protestmärsche gegen Pressezensur („Frau Censura
spricht: Uns gebührt’s frey zu schalten, Ihr habt das Maul
zu halten!“) und Obrigkeitsstaat, erfüllt von
revolutionärem Geist in der Verkleidung des Narren. Es
waren Vorläufer des politischliterarischen Karnevals. So
wurde besagte „Prinzessin Evekathel“ mit bissigen Schimpf
dargestellt: „Der Plebs bleibt Plebs auch in Pallästen, ihr
könnt die Gans mit Trüffeln mästen, es bleibt doch immer
Federvieh und mehr als Schnattern lernt sie nie!“

Wo immer Karnevalsvereine auch entstanden, gab es
Kappenfahrten, närrische Auf und Umzüge,
RathausErstürmungen, „Beerdigungen“ der Fastnacht und die
„Geldbeutelwäsche“. Oft wurden diese Traditionen Ende des

  1. Jahrhunderts auch von den überall entstehenden
    Unterhaltungs und Vergnügungsvereinen,
    Theatergesellschaften, Turn und Gesangvereinen übernommen.

Die Naziherrschaft und der Zweite Weltkrieg bereiteten
vielen, ja fast allen Fastnachtsbräuchen, auch den vielen
Umzügen, ein bitteres Ende. Als in den ersten
Nachkriegsjahren die alten Vereinsfastnachter auch in der
Kurpfalz wieder ihre Mützen und Orden hervorkramten und
zahlreiche neue Vereine und Gesellschaften gründeten,
hatten sich für die Fastnachtsumzüge die Zeiten geändert.
Düsseldorf, Köln und Mainz setzten neue und andere
Maßstäbe, gefördert und kommerzialisiert durch Fernsehen
und Fremdenverkehr.

Nur wenige Fastnachtsumzüge in den großen Städten der
Region konnten sich halten. Damit starb diese Tradition
aber nicht aus. Sie verlagerte sich vielmehr in die
Gemeinden und Kleinstädte, in denen bis heute ebenso
rührige wie heimatverbundene Karnevalsvereine das närrische
Brauchtum pflegen und jedes Jahr zehntausende von Besucher
aus nah und fern begeistern  egal ob nun in Mechtersheim
oder Hockenheim, in LUOppau oder Schwetzingen, in Bellheim
oder, wie 1996 neu begründet, in Altlußheim.

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Essen für die Honoratioren

17.02.96 (Geschichten & Erzählungen)

Am 21. und 22. März 1897 wurde überall im Deutschen Reich der 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. gefeiert. Obwohl der preußische Monarch bereits 1888 verstorben war, blieb es für die Bevölkerung ein bedeutsamer Gedenktag. Immerhin war es Wilhelm I. gewesen, der nach der Reichsgründung 1871 zum ersten deutschen Kaiser ausgerufen wurde. Weiterlesen »

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Mit viel Puder und Pomade

05.02.96 (Burgen & Schlösser)

Bei einem Besuch der kurpfälzischen Sommerresidenz wird man ganz
am Ende des Appartements der Kurfürstin mit einem  im wahrsten
Sinne des Wortes  haarigen Thema konfrontiert: der Puderkammer.
In diesem kleinen Zimmer im südlichen Turm des Schlosses ließ
sich die allergnädigste Landesmutter die Frisur von ihrem
Coiffeur nach dem neuesten Stand der im 18. Jahrhundert ständig
wechselnden Haarmode gestalten und pflegen.

Das Puderzimmer gehört zu den am längsten genutzten Räume im
Schloß und stammt noch von der zuerst hier stehenden Wasserburg
ab. Beim Bau der barocken Schloßanlage wurde ein großer Teil der
herrschaftlichen Burg in den Neubau integriert. Dazu gehörte auch
der frühere Burgfried, wo sich auch die kleine Kammer befand, die
erst in den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts umgestaltet wurde.
Damit gehört die Puderkammer wohl zu den ältesten Räumen im
Schwetzinger Schloß.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte es noch ausgereicht,
die schlichten Locken der kurfürstlichen Haarpracht in den
Ankleideräumen entsprechend zu bestäuben. Damit erhielten sie
jene zeitlose Blässe, die damals „en vogue“ war. Doch die neue
Mode ließ Haartürme auf den adeligen Köpfen des Landes entstehen,
die nicht selten 80 Zentimeter und mehr erreichten. Man mußte
sich also neue Tricks und Kniffe in der täglichen Toilette
einfallen lassen, um eine gleichmäßige Farbwirkung zu erreichen.

Kurfürstin Elisabeth Augusta nahm in dem neu gestalteten
Zimmerchen, dessen Decke künstlich abgesenkt worden war, unter
einem großen Leinenmantel vor dem Spiegel Platz. Eine Seidenmaske
mit Glaseinsätzen für die Augen hielt sie sich vor das Gesicht.
Dann ging eine Bedienstete mit einem großen Blasebalg daran, den
Puder gegen die Decke des Raumes zu blasen. Der feine Staub
schwebte wieder sanft herab und färbte die Locken einheitlich
weiß und duftig. Doch schon vor dieser letzten Puderschicht war
das Haar abwechselnd mit Unmengen von Pomade und Puder gestaltet
worden.

Der helle Staub, mit dem jung und alt die Haare einzufärben
pflegten, hielt die Locken zugleich rein und locker. Außerdem
verhinderte er, daß die Haare durch die benutzte Pomade
zusammenklebten und somit ihre Zartheit von Wolkentürmen
verloren.

Einfacher Puder war aus Weizenmehl, feinere aus Bohnen oder
Stärkemehl bereitet. Gedörrtes Eichenmoos gab dem Puder, je nach
modischem Geschmack, eine graue Tönung. Mit entsprechenden
Extrakten aus Rosenwasser, Nelken oder Lavendel versehen,
verströmten die Frisuren zudem angenehme Düfte.

Diese Verschwendung von feinstem Weizenmehl rief bald Kritiker
auf den Plan, die an dem modischen „Firlefanz“ kein gutes Haar
ließen. Immerhin verstäubte allein ein Soldat der Kurfürstlichen
Garde Mitte des 18. Jahrhunderts wöchentlich 500 Gramm Mehl.
Schon zu Beginn des Jahrhunderts war die französische
Gesellschaft wegen dieses hohen Verbrauches an Mehl gerade noch
an Unruhen in der Bevölkerung vorbeigekommen. Da das Mehl für das
dringend benötige Brot gebraucht wurde, und mit der Zeit der
Weizenpreis ständig stieg, wurde um 1740 das Pudern der Frisuren
wegen Mehlknappheit zeitweise verboten.
Der Adel hielt aber an der alten Haarzier fest und weicht zur
Färbung des Schopfes sogar auf Gips aus. Besonders bei Regen
sollen dabei die „unmöglichsten Creationen“ entstanden sein …

Doch nicht jedem war es vergönnt, sein Haar zu pudern. Die
Gesellschaft in der Kurpfalz teilte sich in die Stände der
Gemeinen und derer, die gepuderte Frisuren zur Schau tragen
konnten. Ein Blick in die wechselvolle Geschichte zeigt, daß die
Ausformung der Haartracht auch viel über den Stand und den Beruf
des Menschen aussagte. Nur die höchsten Würdenträger zeigten sich
im Zeitalter der Aufklärung noch mit dem altmodischen, höfischen
Luxus der üppig gelockten Perücken. So ließ sich die
gesellschaftliche Stellung eines Mannes in jener Zeit am Schnitt
seiner Perücke ablesen. Je höher seine Position war, desto
wuchtiger, aber auch konservativer war der Schnitt seiner
Haarpracht.

Um 1730 trugen die Frauen auch in Mannheim und Heidelberg ihr
Haar eher kurz, zu kleinen Locken gelegt. Die schlichte
Gestaltung, wie man sie auf den Porträts der Hofdamen im Schloß
wiederfindet, sollte als zarte Schöpfung des aufkommenden
„Goldenen Zeitalters“ die Gesichtszüge lediglich untermalen und
das aparte Minenspiel der Damen sanft zur Geltung bringen. Bei
festlichen Anlässen wie dem Neujahrsball schmückte man sich am
kurfürstlichen Hof noch zusätzlich mitlangen Locken, die in den
Nacken fielen, und steckte sich kleine, verzierte Nadeln ins
Haar.

Nach einem kurzen modischen Ausrutscher in der Jahrhundertmitte,
bei dem man sich als Dame die Haare im Nacken zu Zöpfen flocht
und hochsteckte, wurden die Frisuren durch den Einfluß von Madame
Pompadour wieder betont schlicht und luftig, als wollten sie
einen schwungvollen Anlauf nehmen für ihre künftigen Kapriolen.
Ab 1766 schossen die „Coiffuren extraordinaire“ sprichwörtlich in
die Höhe. Marie Antoinette ist zwar nicht die Erfinderin der
Hochfrisur, wohl aber eine engagierte Wegbereiterin, die den
„wandelnden Meterfünfzig“ auf dem Kopf salonfähig machte.

In ihrer Zeit entstand der mit allerlei Preziosen geschmückte
„pouf au sentiment“. Man schmückte sich mit „fremden Federn“,
ließ Figuren, ja sogar ganze Idyllen en minuature ins wogende
Haarmeer einarbeiten. 1775 hieß es in einem Bericht über eine
höfische Gesellschaft „im Parke zu Schwetzingen“:“Man siehet eine
Dame mit einem Dorfe auf dem Kopf, dort eine mit einem ganzen
Walde, auch welche mit Windmühlen. Daß dergleichen Gebäude sehr
geräumig sind, hat einem Künstler Gelegenheit gegeben, den Werth
einer solchen Zierrath noch durch Mechanik zu erhöhen, er hat
dort, wo es hinpaßt, kleine Orgeln versteckt angebracht“.

Wegen der gewaltigen Haarpracht war das Reisen in der Kutsche
beschwerlich geworden. Die Damen mußten sich in die Karossen
hineinknien oder sogar den Kopf aus dem Fenster halten, um die
Haarpracht nicht zu zerstören. 1776 erhöhte man in London sogar
die Türen der St. Paul’s Cathedral und auch im kurpfälzischen
Hoftheater klagte man über „Sichtverhinderung zur Bühne“.

Auch für den Besuch bei der eher konservativen Großmutter mußte
man sich etwas einfallen lassen. Mit einer Sprungfeder konnte man
für die Dauer des Besuches die Frisur züchtig und damit niedrig
halten. Doch kaum verließ man die Oma, betätigte man einen
Schalter und der „pouf à la bonne maman“ schnellte wieder in die
gewünschte Höhe.

Wie aber entstand nun diese meisterliche Haarkunst? Zunächst
besorgte sich die Dame von Welt ein passendes, elastisches
Unterkissen, das man „toque“ nannte. Es bestand aus Wolle, Werg
und Draht, über das eigenes oder Pferdehaar gezogen wurde. Dann
spannte man das gründlich ausgekämmte, mit Pomade und Puder
versteifte Haupthaar über das eiförmige Kissen. Das Seitenhaar
wurde zu großen Locken gedreht. Hatte das eigene Haar nicht die
erforderliche Länge, wurde es entsprechend ergänzt.

Den Rohstoff für die Perücken lieferten Haarsammler, die von Dorf
zu Dorf in der Kurpfalz zogen und das kostbare Material
aufkauften. Dabei wurde auch vor dem Haar der Toten nicht
zurückgeschreckt. Besonders Frauenhaar galt das Interesse der
Sammler. Es wurde bevorzugt, weil es ein Leben lang unter Hauben
geschützt aufbewahrt wurde. Von Wind und Wetter gegerbtes
Männerhaar war dagegen spröde.

Die Pflege der Frisuren war nicht ganz einfach. Waschen des
Haares war auch im ansonsten so reinlichen Hof der kurpfälzischen
Wittelsbacher nicht üblich. Noch 1789 war Wasser an den meisten
Höfen ein verzichtbares Übel. Der Aufputz blieb oft zwei Wochen
lang unberührt, nicht selten kam zwei Monate lang kein Kamm an
die Haare.

Im Innern des Kopfputzes entstand so bald ein seltsames
Eigenleben. In einer zeitgenössischen Schilderung des höfischen
Lebens ist zu lesen: „Als der Kamm an das natürliche Haar
angesetzt wurde, beobachtete ich Schwärme von Tierchen, die in
alle Richtungen auseinanderliefen, weswegen ich meinen Stuhl ein
wenig vom Tisch abrückte. Andere Zeitgenossen berichten sogar von
Mäusen, die in den hohen Frisuren ihre Nester errichtet hatten
sollen.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts hieß es auch bei den
adeligen Damen wieder „Zurück zur Natur“.

Aus: Schwetzinger Zeitung, rs, 5.2.1996

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Die leeren Weinfässer von Assenheim

30.01.96 (Geschichten & Erzählungen, Landwirtschaft & Forsten)

Das Dorf Assenheim ist als fränkische Gründung im Jahr 777 im
Lorscher Kodex erwähnt. Es gehörte zunächst dem
Benediktinerkloster Weißenburg und stand dann jahrhundertelang
unter der Lehensherrschaft der Grafen von Leiningen. Entlang der
Dorfstraße entwickelte sich Assenheim zu einem typischen
Straßendorf mit Kirche und Rathaus im Zentrum. Östliches
Bebauungsende war der bereits um 1392 erwähnte Limburger
Klosterhof.

Seit der Angliederung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich
im Jahre 1797 gehörte Assenheim zum Kanton Mutterstadt im
Arrondisement Speyer des Departement Tonere (Donnersberg) und
später zum Bezirksamt Ludwigshafen im „Bayerischen Rheinkreis“.

Früher gab es wegen mangelnder chemischer Mittel gegen Schädlinge
viel mehr Mißernten und Krankheiten in den Weinbergen als heute.
Eine solche Mißernte traf im Jahre 1529 auch die Gemeinde
Assenheim. Die Fässer in den Kellern blieben leer, im Wirtshaus
gab es keinen Schluck des edlen Rebensaftes mehr und
Niedergeschlagenheit lastete auf den Gemütern der Assenheimer, da
die Arbeit eines ganzen Jahres jetzt nun ohne Lohn blieb.

Es war Weihnachten geworden und die Assenheimer stapften durch
den tiefen Schnee zur Christmette. Zuvor aber hatten sie nicht
vergessen, im Garten die Obstbäume zu wecken, denn diese durften
die Christmette nicht verschlafen, sonst trugen sie im nächsten
Jahr keine Früchte. So jedenfalls wollte es der Brauch seit
altersher.

Nach der Christmette, als die Assenheimer Wirtsfamilie gerade zu
Bett gehen wollte, klopfte es am großen Hoftor. Eine schlanke,
großgewachsene Frau, das Gesicht mit einem Schleier verhüllt, bat
darum, sich aufwärmen zu dürfen. Sie nahm am Tisch Platz und ließ
sich den ihr angebotenen Hirsebrei schmecken. Sie komme vom
Gebirge, meinte sie, und ihr Ziel sei nicht mehr weit.

Die freundlichen und hilfsbereiten Wirtsleute wollten ihr einen
Umhang und eine Laterne holen, aber als sie in die Stube
zurückkehrten, war die Frau gegangen, ohne im frischen Schnee
eine Spur hinterlassen zu haben. Auf dem Tisch lagen
wunderschöne, rote Blüten, die herrlich nach Wein dufteten. Der
Wirt nahm eine solche Blüte, rieb an deren Unterfläche, und der
Weinduft verbreitete sich schnell in der ganzen Wirtsstube. „Das
sind Weinrosen“, sagte der Wirt feierlich, „wenn sie in der
Christnacht blühen, gibt es im nächsten Jahr eine gute Ernte.“

So geschah es dann auch. Die Fässer des Wirtes reichten kaum aus,
um den Segen des folgenden Jahres zu fassen. Man erinnerte sich
an die Frau im Schleier, aber niemand wußte etwas von ihr und sie
wurde auch nie wieder in Assenheim gesehen.

Aus: Die Rheinpfalz, Rudolf Köstlmaier, 30.1.1996

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Die Kurpfalz als Kriegsschauplatz

20.01.96 (Geschichte allg.)

Ungarn kämpften in der Kurpfalz gegen Frankreich / 60.000 Ungarn der k.u.k.-Monarchie in der Oberrhein-Armee
Ab 1792 griff der französische Revolutionskrieg auch auf das Gebiet der grenznahen Kurpfalz über. Eine scheinbar nicht mehr abreißen wollende Folge kriegerischer Auseinandersetzungen vernichtete Hab und Gut der friedlich lebenden Menschen. Viele deutsche Staaten beteiligten sich mit Truppen am Widerstand. Unter der militärischen Führung Österreichs wurde mit Hilfe der Preußen, Bayern, Hessen, Sachsen und vieler anderer Kleinstaaten die Oberrhein-Armee gebildet, um die revolutionäre Begeisterung mitsamt ihrer kriegerischen Auswirkungen von den deutschen Landen fern zu halten. Allein die Habsburger boten fast 450.000 Soldaten auf, darunter auch etwa 60.000 Ungarn der k.u.k.-Monarchie.
Die Ungarn kämpften fast überall in der Kurpfalz: Sie standen bei Mannheim und wurden aber auch in Weißenburg, Frankenthal, Flomersheim und vor allem an den Stellungen entlang des Rehbaches eingesetzt. Der Marsch der ungarischen Husaren an den Oberrhein führte durch Galizien, Schlesien, Mähren und Böhmen. Im Kriegstagebuch des Obristen Vecsey, dessen 4. Husaren-Regiment in der Kurpfalz viele Gefechte zu durchstehen hatte, ist vermerkt, daß die Ungarn beim Durchzug überall mit Freude empfangen und „auf gar herzlichstes ohne Taler“ bewirtet wurden. Kein Wunder, war die Angst vor den marodierenden Franzosen durch riesengroß. Es sollte bis zum Sommer 1794 dauern, daß endlich die deutsche Abwehrfront vom Rhein durch die Pfalz bis hin nach Saarlouis wirksam wurde. Die vor dem Pfälzerwald liegende Stellung „Schänzel“ verlor aber nach schweren Niederlagen der Preußen in der Vorderpfalz ihre Wirkung als Ost-West-Riegel und mußte aufgegeben werden. Damit hatte man zugleich die gesamte Südpfalz verloren.
Im Laufe der Zeit bildeten sich Einzelinteressen bei den Koalitionsstaaten heraus: Am 9. April 1795 schlossen die Preußen mit Frankreich einen Separatfrieden, wenig später folgten auch die Bayern, Hessen-Kassel und die sächsischen Herzogtümer. Der Rest der Reichstruppen mußte nun mit den Österreichern allein die Rheinfront halten. Die Ungarn lagen in der Nähe von Schifferstadt und hatten den Auftrag, die Rehbach-Linie zu halten. Der schon seit einiger Zeit befestigte Rehbach war immer wieder das Ziel von Angriffen der französischen Revolutionstruppen. Aus einzelnen Berichten der „Rehhütter Chronik“ ist zu entnehmen, daß es an der Rehhütter Mühle, den beiden Zollhäusern und am Bachlauf selbst immer wieder zu Verwüstungen gekommen war.
Als die linksrheinische Seite nicht mehr gehalten werden konnte, wurden die ungarischen Husaren in Sandhofen nördlich von Mannheim einquartiert. Hier gab der Oberleutnant Jozef Szentes, der um das Wohlergehen seiner Landsleute besorgt war, 1794 ein Büchlein in ungarischer Sprache heraus. Unter dem Titel „Litania“ wurden aufbauende und tröstende Worte an die Soldaten aller Konfessionen gerichtet und deckte zugleich alle Bereiche des Glaubenslebens ab. Zusammen mit den k.u.k-Truppen rückten die Ungarn erst Monate später aus Sandhofen ab. Nicht wenige Husaren blieben nach dem befohlenen Rückzug in der Kurpfalz, wo sie trotz aller kriegerischen Auseinandersetzungen die Liebe gefunden hatten.

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Das Magdalenenkloster überm Hasenpfuhl vor Speyer

20.01.96 (Kirchen & Klöster)

„St. Magdalena ist das älteste Frauenkloster in der Stadt Speyer.
Es liegt nördlich des Domes in der Speyerer Vorstadt überm
Hasenpfuhl, welcher ist ein alter Rheinarm, der die Vorstadt von
der Speyerer Altstadt und dem Domhügel trennt. An ihm befand sich
im Mittelalter der Speyerer Stapelplatz“. Dieser Hinweis auf das
Kloster St. Magdalena und seine topographische Darstellung ist in
einem RheinReiseführer nachzulesen, der um die Jahrhundertwende
in Mainz gedruckt worden war.

Die Geschichte des Speyerer DominikanerinnenKlosters reicht
zurück bis ins frühe 13. Jahrhundert. Es ist eine wechselvolle
Geschichte des Nonnenklosters, das ursprünglich dem kleinen Orden
der Reuerinnen (Büßerinnen) angehörte. Erstmals belegt ist das
Kloster St. Maria Magdalena im Jahre 1232. Der Name der
Klosterpatronin St. Magdalena wurde dann beim Wechsel zu den
Dominikanerinnen 1304 beibehalten.

In den Auseinandersetzungen zwischen dem Bischof und der freien
Reichsstadt unterstützten die Nonnen immer wieder die Speyerer
Bürger, was dem Kloster durch eine stattliche Anzahl von
Schenkungen vergolten wurde. Die ständig wachsende Bedeutung des
klösterlichen Lebens überm Hasenpfuhl im ausgehenden Mittelalter
fällt mit dem glanzvollsten Abschnitt der Stadtgeschichte
zusammen.

Das Kloster schloß sich 1462 der ordensinternen Reformbewegung an
und erlebte eine große geistige Blüte. Kurz vor der
„Protestation“ auf dem Reichstag von 1529 und vor der Verlegung
des Reichskammergerichtes befinden sich Stadt und Kloster auf
einem
Höhepunkt. Damals gab es neben den vielen Stiftskirchen,
den Pfarrkirchen, den öffentlichen und privaten Kapellen in der
Reichsstadt auch fünf „Mannsklöster“.

Die Nonnen von St. Magdalena überstanden die Reformation und die
Zerstörung der Freien Reichsstadt 1689 im FranzösischPfälzischen
Erbfolgekrieg. Die teilweise Flucht der Ordensschwestern 1792 und
1793, auch die Säkularisation mit der Versteigerung des
Klosterbesitzes 1802, konnte den Fortbestand des Klosters nicht
unterbrechen. Einige der Nonnen kauften die Klostergebäude zurück
und wohnten darin, bis durch Urkunde vom 1. Dezember 1826 König
Ludwig I. von Bayern die Wiedererrichtung des Klosters überm
Hasenpfuhl genehmigte.

Ein wichtiges Datum im 19. Jahrhundert ist die Gründung eines
Erziehungshauses. Die 1816 gegründete „Lehranstalt für Kinder
weiblichen Geschlechts“ (beider Konfessionen) und die 1829
eröffnete, öffentlich geförderte Mädchenschule fanden in der
Stadt großen Anklang. Schon bald wurde die pädagogische Tätigkeit
der Nonnen unter der Anleitung der Priorinnen des Klosters zu
einem Schwerpunkt klösterlichen Wirkens.

Heute ist St. Magdalena bekannt als Mutterhaus einer
Kongregation, die sich vor allem im Schulbereich und in der
LateinamerikaMission engagiert. Zur Kongregation gehören 86
Schwestern in Deutschland und 78 Schwestern in Lateinamerika
(Stand 1996). Angesehen ist das Kloster aber auch als
Wirkungsstätte der seligen Edith Stein.

Einige Besonderheiten weist das Kloster im Schatten des Domes
allerdings auf: Als einziges der einst zahlreichen
mittelalterlichen Klöster der Rheinpfalz besteht St. Magdalena
bis zum heutigen Tag als klösterliche Gemeinschaft fort. Bewahrt
wurde nicht nur die Kontinuität der Schwesterngemeinschaft,
sondern auch das Klosterarchiv  das einzige ungestört erhaltene
mittelalterliche Klosterarchiv aus der Pfalz. Ungestört heißt, es
ist von Abgabe  und Umordnungsaktionen, wie sie vor allem im 19.
Jahrhundert vorkamen, verschont geblieben.

Zu den Schätzen des Klosterarchivs gehören Schutzbriefe von
Päpsten und Kaisern, Prozeßurkunden und Schenkungen. Besonders
reichlich sind Urkunden zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters.
Die Besitzungen und Einkünfte kamen aus der ganzen Region: von
Frankenthal, Dannstadt und Deidesheim im Norden, Kandel und Landau
im Süden. Auch rechtsrheinisch gab es Besitzungen, so in Walldorf
und Dielheim. Besonders groß waren die Schenkungen aus der Stadt
Speyer.

Die älteste noch erhaltene Urkunde ist datiert im Oktober 1232.
Ein Speyerer Bürger namens Walter Bart schenkte dem Kloster
Einkünfte aus Walldorf (Baden). Unter den vier Siegeln befindet
sich auch das älteste Exemplar des Speyerer Stadtsiegels  das
bis ins 18. Jahrhundert geführt wurde. Das in der Speyerer
Stadtgeschichte beschriebene Stadtsiegel mit dem Speyerer Dom in
Nordansicht und der Madonna mit Kind wurde also schon vor dem
Jahr 1263 verwendet  früher, als alle Historiker bisher
angenommen hatten. Die Übereignung der Einkünfte aus Zehnten,
Wiesen, Zinsen und allen Beträgen, erfolgte mit Zustimmung der
Ehefrau Edelinde und der Kinder. Diese Urkunde enthält eine
interessante Klausel: Bei einem Wegzug aus Speyer würden die
Nonnen neben den anderen Schenkungen des Speyerer Bürgers Bart
auch das Klostergrundstück verlieren.

An den weitgehend unbekannten Archivalien, die seit dem späten
Mittelalter „überm Hasenpfuhl vor Speyer“ innerhalb der
klösterlichen Klausur sorgfältig gepflegt und gehütet worden
sind, läßt sich das Auf und Ab im Wohlstand des Klosters St.
Magdalena verfolgen und belegen. Sie erhellen aber auch eine
reiche mittelalterliche Klosterlandschaft, die im Südwesten
Deutschlands, außer in diesem glücklichen Fall, längst
verschwunden ist.

Aus: Die Rheinpfalz, 20.1.1996, Rudolf Joeckle

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Mit der Ludwigsbahn fing alles an

18.01.96 (Straßen, Fähren & Verkehr)

Als im April 1845 der Ingenieur Paul Denis die Bauarbeiten für
die „Pfälzische Ludwigsbahn“ von Bexbach zur Rheinschanze (beim
heutigen Ludwigshafen) in Angriff nahm, begann auch für das
linksrheinische Bayern die Erschließung durch die Eisenbahn. Das
Industriezeitalter begann. Denis, gebürtiger Franzose und bei
Baubeginn beurlaubter Baurat der pfälzischen Kreisregierung zu
Speyer, hatte schon für die Fertigstellung der ersten deutschen
Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1835 Sorge
getragen. Jetzt wollte er seine zweite Heimat, die Pfalz, mit
Bahnlinien erschließen.

Die bereits 1838 gegründete Pfälzische Ludwigsbahn hatte für den
Bau der Bahnlinie vom Rhein zu den Kohlegruben in Bexbach vom
bayerischen Staat auf 25 Jahre eine vierprozentige Zinsgarantie
erhalten. Ansonsten hatte sich der Staat beim Eisenbahnbau in der
Grenzprovinz jenseits des Rheines nicht engagiert. Als am 11.
Juni 1847 die erste pfälzische Bahn ihren Betrieb aufnahm, nahm
die neue Gesellschaft vorübergehend ihren Sitz in Speyer und
verlegte ihn bei Fertigstellung der ganzen Linie 1849 ins junge
Ludwigshafen. Der „Pfälzischen Ludwigsbahn Gesellschaft“ folgte
die Gründung weiterer Bahngesellschaften.

Für die am 26. November 1855 fertiggestellte Bahnlinie von
Neustadt ins elsässische Weißenburg wurde die „Pfälzische
Maximiliansbahn“ gegründet, für die Linie von Neustadt nach
Dürkheim eine Bahngesellschaft gleichen Namens. Der Bau der Bahn
durch das westpfälzische Alsenztal ins preußische Bad Münster
wurde von der „Nordbahngesellschaft“ geplant, die sich 1869 mit
den anderen in der Pfalz tätigen Eisenbahnen zur „Pfälzischen
Eisenbahn“ zusammenschloß.

Im Jahre 1881 bedienten die als eine der besten deutschen
Eisenbahngesellschaften geltenden „Pfälzischen Eisenbahnen“ 632
Kilometer Bahnstrecke im Personen und Güterverkehr. Bahndirektor
war zu diesem Zeitpunkt Albert von Jäger, der bereits unter Paul
von Denis als Stellvertreter tätig war. Auf ihn folgte Jacob von
Lavale, der auch Chef der Pfälzischen Eisenbahn war, als im Jahre
1908 diese auf den bayerischen Staat übergingen. Insgesamt 907
Kilometer Bahnlinien waren zu diesem Zeitpunkt in der Pfalz in
Betrieb. Betriebsorganisation, Fahrplan und die Abstimmung mit
benachbarten Bahngesellschaften waren die Aufgabe der privaten
Bahngesellschaft, die das Wirtschaftsergebnis als wesentliche
Meßlatte ihrer Entscheidungen hatte.

Nach dem Fusionsgesetz vom 1. Januar 1905 konnte der bayerische
Staat das Besitztum der drei pfälzischen Eisenbahnen gegen
Erstattung der Baukosten erwerben. Die Verhandlungen über das
Ablöseangebot für die Aktionäre zog sich über viele Jahre hin,
bis dann zum 1. Januar 1909 die Pfälzischen Bahnen gegen eine
Erstattung von rund 300 Millionen Mark an den Staat übergingen.

Mit dem Staatsvertrag vom 1. April 1920 wurden die bisherigen
Ländereisenbahnen in der Reichsbahngesellschaft zusammengefaßt,
die in Reichsverwaltung geführt wurde. Aufgrund des
Ermächtigungsgesetzes vom 8. Dezember 1923 wurde die Reichsbahn
als wirtschaftliches Sondervermögen des Reiches geschaffen, wobei
jedoch erst im Sommer 1924 die Umwandlung in ein autonomes
Unternehmen erfolgte. In den ersten Jahren gelang es noch,
Betriebsüberschüsse zu erwirtschaften, doch bald machte der
aufkommende Lastwagenverkehr der Bahn im Güterverkehr schwer zu
schaffen. Organisatorisch war die Bahn formell bis 1937
selbständig, doch im Rahmen der Einführung des Führerprinzips
übernahm der Reichsverkehrsminister die Funktion des
Generaldirektors.

Die Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde auch für die
Eisenbahnen zum Neubeginn, nachdem die ehemalige Deutsche
Reichsbahn in den Besatzungszonen in vier selbständige Teile
zerfallen war. Die deutschen Eisenbahnen in der französischen
Besatzungszone blieben bis 1947 ohne deutsche Spitze, als durch
Staatsvertrag der Länder Baden, RheinlandPfalz und
WürttembergHohenzollern die Betriebsvereinigung der
Südwestdeutschen Eisenbahnen gegründet wurde, deren
Generaldirektion ihren Sitz in Speyer hatte. Als dann zum 31.
Dezember 1951 die Deutsche Bundesbahn gegründet wurde, bedeutete
dies auch das Ende der pfälzischen Eisenbahngeschichte.

Quelle: Die Rheinpfalz, Werner Schreiner, 18.1.1996

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Vivats aus der Kurpfalz

18.01.96 (Geschichte allg.)

In der jüngeren deutschen Geschichte wurde der 18. Januar 1871 zu
einem einschneidenden Ereignis: An diesem Tag wurde im
Spiegelsaal des französischen Prunkschlosses Versailles das
Deutsche Kaiserreich proklamiert. Drei blutige Kriege, unter
anderem der zu diesem Zeitpunkt noch tobende DeutschFranzösische
Krieg, waren nötig, um die nur lose verbundenen Staaten
Deutschlands zusammenzuführen. Es war Reichskanzler Fürst Otto
von Bismarck, dem es vorbehalten war, den preußischen König zum
ersten Kaiser des Deutschen Reiches auszurufen.

Doch damit das „Vivat“ auf den neuen Kaiser Wilhelm I. erschallen
konnte, mußten viele Menschen ihr Leben lassen. Der Krieg von
1870/71 bildete zugleich einen traurigen Höhepunkt in der
sogenannten Erbfeindschaft der Nachbarländer. Auch aus der
Kurpfalz zogen viele Männer aus, „um freudig ihr Blut zu
vergießen und mit Gottes Hilfe glorreich zu siegen“, wie es in
einem Aufruf jener Tage hieß.

Schon seit längerem zeichnete sich der Krieg zwischen den beiden
Nachbarn rechts und links des Rheines ab. „Dieser Krieg mit
Frankreich wird kommen“, prophezeite Reichskanzler Bismarck
bereits 1868. Der Anlaß ergab sich, als Spanien einen neuen König
brauchte und dafür einen entfernten Verwandten des Preußenkönigs
Wilhelm ins Auge faßte. Weil aber die französische Regierung
diesen Plänen heftig widersprach, trat der Hohenzollernprinz von
der Kandidatur zurück. Trotzdem verlangte der französische
Botschafter in Berlin, Graf Benedetti, eine Garantieerklärung,
daß Preußen für immer auf die Anwartschaft verzichte. Der so
bedrängte Monarch lehnte ab, ließ den in seinen Urlaubsort Bad
Ems nachgereisten Diplomaten stehen und telegraphierte den
Sachverhalt in der berühmten „Emser Depesche“ nach Berlin.

Bismarck straffte den Text, um den Wortlaut zu verschärfen, und
übergab die redigierte Fassung an die Presse. Wilhelms Abweisung
klang nun so schroff, daß Frankreich sich brüskiert fühlen mußte.
Innerhalb weniger Tage, am 19. Juli 1870, ging die
Kriegserklärung Frankreichs in Berlin ein. Ein Krieg, der zehn
Monate dauern sollte, hatte begonnen.

Der Aufmarsch der Truppen aus allen Gauen des noch nicht geeinten
Deutschlands verlief schnell und reibungslos. Die preußischen
Planer hatten auf die neue Technik gesetzt, auf die Eisenbahn und
den Telegraphen. Die Truppen sammelten sich in drei Hauptarmeen,
eines dieser drei Heerlager war übrigens bei Altlußheim. Es war
die Armee des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm, die dort
mit Fähren über den Rhein setzte. Von überall kamen die
Heerscharen mit der Eisenbahn angereist. Von den Bahnhöfen in
Mannheim und Heidelberg, aber auch Schwetzingen und Hockenheim
marschierten die Truppen durch die Gemeinden in Richtung
Altlußheim. Überall schlossen sich Kriegsdienstleistende und
Freiwillige an.

„Wir leben in großen Tagen. Vor wenigen Wochen mußten wir dem
frechen Angriff des alten Feindes der Deutschen entgegentreten in
banger Sorge um Haus und Herd, um die Ehre unserer Frauen und um
das höchste Gut, die Zukunft unseres deutschen Vaterlandes.“ So
lautete der propagandistische Text eines Aufrufs Anfang
September. Wieviele dieser „tapferen Helden“, der „treuesten
Söhne unseres deutschen Vaterlandes hingesunken sind auf die
blutige Erde“, ist zumindest für die Kurpfalz unklar.

Sicher ist allerdings, wie hoch die Kriegskosten für die
einzelnen Gemeinden ausfielen. So mußte beispielsweise das damals
964SeelenDorf Brühl 5.000 Gulden aufbringen. Dies war fast
genau so viel, wie wenige Jahre zuvor beim Bau des Rathauses
zu bezahlen waren. Eine nicht ganz einfache Sache für die kleine
Gemeinde im Süden Mannheims. Es mußte eigens ein Kredit
aufgenommen werden, um die Abgabe an die großherzogliche Kasse zu
entrichten.

Großherzog Friedrich I. von Baden war bei der Proklamation des
Kaiserreiches in Versailles zum Sprecher der deutschen Fürsten
ernannt worden. Er stimmte die begeisterten Hochrufe der
Versammlung von Fürsten und Offizieren an. Der deutsche Kaiser
wurde, zehn Tage vor der Übergabe von Paris, mitten im Krieg, an
einem preußischen Gedenktag im früheren Sitz des französischen
Sonnenkönigs gefeiert. Dies kam einer Verhöhnung des Feindes
gleich, die den Graben noch tiefer machte.

Der Friedensschluß vier Monate später bot weiteren Zündstoff und
belastete die deutschfranzösischen Beziehungen auf Jahrzehnte
hinaus. Elsaß und Teile Lothringens fielen ans neue Deutsche
Reich. Außerdem wurden Reperationszahlungen von fünf Millionen
Franken festgelegt, die Deutschland, auch den Gemeinden der
Kurpfalz, kurzzeitig einen Aufschwung, die sogenannten
Gründerjahre, bescherten.

Die Beziehungen zum westlichen Nachbarn waren lange auf Dauer
geschädigt. Es sollte fast 80 Jahre dauern bis sich das
Verhältnis wieder normalisierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurden Freundschaften und partnerschaftliche Beziehungen von
vielen kurpfälzischen Orten mit französischen Städten und
Gemeinden begründet. Sie wurden die Grundlage zur heutigen
deutschfranzösischen Freundschaft. So sind aus den Feinden von
früher heute echte Freunde geworden, die eng miteinander in einem
gemeinsamen Europa leben.

Aus: SZ vom 18.1.1996 nach rs

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Wo der Teufel Schafkopf drosch

11.01.96 (Landschaft & Orte)

Schifferstadt geht auf die Errichtung eines fränkischen
Königshofes im 7. und 8. Jahrhundert zurück. Die Deutung des
Ortsnamens ist noch immer umstritten. Favorisiert wird
mittlerweile aber die Deutung „Sciffestat“ als „Stätte des
Sciffo“, wobei „Sciffo“ als Schöffe, also mit der Gerichtsbarkeit
versehener Verwalter des Königshofes zu verstehen ist.
Eine andere Deutung ist eng mit den Flößern, die früher
„Schiffer“ hießen, eng verbunden. Schließlich wurde über
Jahrhunderte hinweg das Holz aus dem Pfälzerwald über den Rehbach
zum Rhein geflößt.

Auf dem Stadtplan sieht der alte Stadtkern von Schifferstadt wie
ein Dreieck aus. Und dort, in der Kirchenstraße, liegt das alte
Gasthaus „Zur Kanne“. Fast der Kirche gegenüberliegend, spielte
auch dort die alte Sage vom „Teufel in der Kanne“.

Es ist schon viele Jahre her, als an einem kalten, verschneiten
Heiligabend vor der Christmette noch vier Gäste in der „Kanne“
zusammen saßen und anstatt die Christmette in der
gegenüberliegenden St. JakobusKirche zu besuchen, beharrlich und
voller Spielleidenschaft weiter ihren Schafkopf droschen.
Als das lange, feierliche Glockengeläut schon am Verstummen war,
besann sich einer der Spieler, stand schnell auf und ging zur
Christmette. Er ließ sich auch durch das Lamentieren seiner
Mitspieler, zu viert sei Schafkopf schöner als zu dritt und den
Spott, er habe wohl Angst vor seiner resoluten Frau, nicht vom
rechten Wege abbringen.

Doch kaum war der Mann hinausgegangen, kam ein vornehm
gekleideter Fremder herein, setzte sich ohne zu fragen an den
gerade verlassenen Platz und mischte die Karten. Allen war es
recht, daß das Spiel nun weiter gehen konnte, und während die
Orgel und der Gesang aus der nahen Kirche in die „Kanne“
herüberschallten, spielten die vier Männer munter ihren
Schafkopf.

Als einem der Spieler beim Austeilen eine Karte unter den Tisch
fiel, bückte er sich, um die Karte wieder aufzuheben. Der Mann
fuhr aber erschrocken hoch und wurde blaß wie ein Leichentuch. Er
warf die Karten auf den Tisch und schrie zu dem Fremden gewandt
„Du hosch jo Gaulsfieß“. Die Mitspieler wollten sich nun auf den
Pferdefüßigen stürzen, aber der fuhr hoch wie der Blitz und durch
das Fenster zur „Kanne“ hinaus, während ein unerträglicher
Gestank nach Schwefel in der Gaststätte zurückblieb.

Fortan war in der „Kanne“ jedes Jahr in der Weihnachtszeit am
Stammtisch ein unheimliches Klopfen zu hören. Erst nach vielen
Jahren, als man das Kreuz mit dem Hahn vom Dach der
JakobusKirche auf das Dach des Gasthauses gesetzt hatte, soll,
so versichern noch heute die alten Schifferstadter, das Klopfen
am Stammtisch aufgehört haben.

Aus: Rheinpfalz, Rudolf Köstlmaier, 11.1.1996

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Kummer und Not zur Jahreswende 1945/46

23.12.95 (Geschichte allg.)

Ein Jahr ging zu Ende, das einmal in die Geschichte eingehen
würde: Trauer um Millionen von Gefallenen und Toten durch die
Kriegseinwirkungen, Angst um die unzähligen Verschollenen, Sorge
ums tägliche Überleben. Die Angst um das Verhungern wird
gemildert durch das Glück, überhaupt überlebt zu haben.
Wiedersehensfreude und die Hoffnung auf eine bessere Welt prägten
die Gefühle am Jahreswechsel 1945/46 überall in der Kurpfalz.

Nur wenige Zeitungen erschienen zum ersten Silvester nach Ende
des 2. Weltkrieges und auf den wenigen Seiten war immer wieder zu
lesen, daß sich die Menschen „vom Ungeist des Nationalsozialismus
und Militarismus“ zu trennen hätten. In der Rhein-Neckar-Zeitung
forderte der spätere Bundespräsident Theodor Heuss die Leser auf,
daß das „neue Jahr das Volk an der Arbeit sehen“ möge und „die
Grundlagen für eine bessere Zukunft zu schaffen“.

Im „Schwetzinger Morgen“ war von den Wünschen der Bürger zu
lesen: „Gar soviele erhoffen sich endlich Klarheit über das
Schicksal der vielen Vermißten und wünschen ihnen und den bereits
als gefangen ermittelten Soldaten eine baldige, gesunde Heimkehr.
Andere gehen in Richtung des Aufbaues oder der Bedachung halb
zerstörter Häuser. Dazu kommen noch zahlreiche Gedanken und
Hoffnungen bezüglich der Sicherung einer beruflichen Existenz.“
Trotzdem schließt der Verfasser damit, daß „Tränen, Kummer und
Not wohl noch lange unsere ständigen Begleiter sein werden“.

Wer sich nicht dank eigenem Land oder Vieh selbst versorgen
konnte, gute Beziehungen, etwas zum Tauschen oder
Organisationstalent hatte, für den blieb Schmalhans noch lange
Küchenmeister. Daß es bald wenigstens ein bißchen mehr zu essen
geben könnte, ließen Berichte über die Entwicklung der
zugewiesenen Lebensmittelmengen hoffen. So verdoppelte sich etwa
die einem Normalverbraucher über 18 Jahren zustehende Brotmenge
von 5.600 auf 11.450 Gramm im Monat. Die Fleischration
vergrößerte sich auf 440 Gramm  ebenfalls pro Monat.

Lebensmittel waren denn auch am begehrtesten auf dem blühenden
Schwarzmarkt. Und mancher machte auch mit heißer Ware gute
Geschäfte  solange ihn die Ordnungshüter nicht schnappten. Ein
Erfolg des Hockenheimer Landpolizeiposten wurde beispielsweise
Ende Januar 1946 vermeldet. So wurde ein Mann aus der Nähe von
Sinsheim geschnappt, der mit einem Fahrrad und zwei beladenen
Handwagen unterwegs war. In der Nähe des damaligen Bahnhofs
Talhaus versuchte er, allerlei an den Mann und die Frau zu
bringen. Die Polizisten stellten vier geschlachtete Gänse, drei
Hühner, zehn Pfund Zucker, ein Pfund Butter, über 400 Zigaretten,
224 Fingerringe, 36 Schlüsselketten und 12 Paar Damenstrümpfe
sicher. Ein Tag später hingen überall in der Stadt warnende
Flugblätter an den Wänden: „Wer gestohlene Sachen kauft, macht
sich der Hehlerei schuldig!“

Als „Sünde an der Heimat“ wurde in einer anderen Ausgabe des
„Schwetzinger Morgens“ der Holzdiebstahl aus dem nahen Hardtwald
und aus öffentlichen Anlagen angeprangert. Dies galt vor allem
für die Menschen, die immer wieder in den Schwetzinger
Schloßgarten eindrangen und dort „an völlig gesunden Bäumen auf
grobe Art Äste entfernten“.

Als vorbildlich gelobt wurde dagegen eine fürsorgliche Aktion der
örtlichen Gastwirte, deren Gäste nicht  wie sonst üblich  ein
Brikett oder einen Holzscheit mitzubringen brauchten. Sie
besorgten sich gemeinsam Brennholz über das Forstamt im
Hardtwald, damit dem Gast „nicht nur ein gutes Glas Bier oder gar
Glas Wein, sondern auch ein warmes Lokal zur Verfügung steht“.

Ablenkung von den Sorgen bereiteten zu jener Zeit unter anderem
Filme, Konzerte und Theateraufführungen. So freuten sich in
Schwetzingen die Menschen über eine Aufführung von Bernhard Shaws
„Candida“ durch eine Theatertruppe der US-Armee und in Hockenheim
führte ein Laientheater in der „Rose“ zur Fastnachtszeit den
Schwank „Die spanische Fliege“ auf. In Reilingen kam der Erlös
eines nach Dreikönig gezeigten Lustspieles den Kriegsgefangenen
und deren Familien zugute. Nicht nur wegen des guten Zwecks
sprach dieses ein breites Publikum im Saal des „Engels“ an,
sondern wohl auch wegen des Titels  „Arm wie eine Kirchenmaus“.

Geschmuggelter Wein und falsche Leberwurst

Nicht nur an den Festtagen biegen sich bei den meisten Menschen
der heutigen Zeit die Tische unter der Last der Leckereien. Die
Not leidender Menschen  wenn auch manchmal mitten unter uns 
scheint weit entfernt zu sein, man will leben. Im strengen Winter
1946 mit Temperaturen von unter minus 15 Grad, die die Kraichbach
und auch das Wasser im Waschlavoir in der ungeheizten Wohnung
zufrieren ließen, und Schneehöhen, von denen Kinder heute nur
noch erstaunt hören, konnten die meisten Menschen selbst von
einem einfachen Mahl nur träumen. Selbst Fastnacht wurde  wenn
überhaupt  nur bescheiden gefeiert.

Georg Zahn aus Hockenheim hatte ebenso wie zwei seiner Kameraden
das Glück, schon aus der amerikanischen Gefangenschaft
heimgekehrt zu sein. Darauf wollten die jungen Männer natürlich
am liebsten mit einem Glas Wein anstoßen. Wo aber sollte man zu
dieser Zeit in Hockenheim Wein herbekommen? Dank der im
Kriegsgefangenenlager geschlossenen Freundschaft zu einem Winzer
aus Rauenberg sollte es kein Problem sein, an den Wein zu kommen.
Wohl aber der Transport, denn wie die Lebensmittel in den Läden
war auch der Wein von der US-Militärregierung in Weinheim
beschlagnahmt worden.

Die drei Hockenheimer wären keine Hockenheimer gewesen, hätten
sie nicht eine Möglichkeit gefunden, doch noch an den Wein zu
kommen. „Wir haben unserem Freund Arm und Kopf verbunden und ihn
auf eine Trage gelegt“, wußte Oskar Haas die Geschichte immer
wieder lebendig zu erzählen. Da von einem Arzt „Seuchengefahr“
attestiert worden war, gelang es dem Trio, an einen
MilitärSanitätswagen zu kommen, der damals für die
Zivilbevölkerung eingesetzt worden war.

So kam man unbehelligt von den vielen Straßenkontrollen über
Reilingen, Walldorf und Wiesloch nach Rauenberg. Spät in der
Nacht wurden drei Kisten „1941er Mannaberg Riesling“ verladen und
unter dem „Kranken“ versteckt, der nun auf umgekehrtem Weg seine
Reise in das Hockenheimer Krankenhaus antreten sollte. Wiederum
kam man ohne Probleme durch die Sperren, denn vor Krankheiten
oder gar Seuchen hatten die GIs an den Kontrollen eine panische
Angst: „Ein kurzer Blick auf das Arztschreiben genügte und wir
wurden sofort weitergeschickt“. In Hockenheim angekommen, wurden
die Flaschen sofort geöffnet und zur Freude vieler Stammgäste im
„Grünen Baum“ ausgeschenkt.

Das Faible eines reichen bayerischen Molkereibesitzers für den
Wein aus dem Kraichgau, den er während seiner Studienzeit in
Heidelberg kennengelernt hatte, kam dem Reilinger Heinrich Krämer
zugute. Krämer hatte nach seiner Flucht aus einem
Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Innsbruck für einige Zeit
in der Molkerei in Memmingen gearbeitet. Heimgekehrt nach
Reilingen, nahm er Kontakt auf mit einem Winzer in Malsch. Immer
wieder habe er die Reise nach Memmingen angetreten, erinnerte
sich Krämer und erzählte von den überfüllten Zügen: „Die Menschen
hingen wie Trauben sogar draußen auf den Trittbrettern und ich
stand mit 20 Flaschen Wein im Rucksack auf der untersten Stufe.
Den ganzen Weg hatte ich mehr Angst, abzustürzen, als von der
Polizei kontrolliert zu werden“. Für jede Flasche gab es ein
Pfund Butter, die dann teilweise wieder in Mehl oder andere Güter
des täglichen Bedarfs eingetauscht wurde.

Aus nichts etwas einigermaßen Schmackhaftes zu zaubern  das war
die Kochkunst dieser mageren Jahre. Die Not machte auch in
Hockenheim erfinderisch und so reichte man unter der Hand ein
„Geheimrezept“ weiter, wie man ohne Leber oder Fleisch eine
ErsatzLeberwurst herstellen konnte. Dabei schwörte jeder Ort in
der Kurpfalz auf „sein“ Rezept. Es gab zahlreiche Varianten für
falsche Leberwurst, am beliebtesten in der Region um Hockenheim
aber war die „Leberwurst“, die aus einer Mehlschwitze mit Wasser
und etwas Milch hergestellt wurde. In diese Masse wurde Hefe
gegeben und mit Salz, Pfeffer und vor allem viel Majoran gewürzt.
Und das Essen wurde dann zu einer Delikatesse, wenn es dazu
Sauerkraut gab. (og)

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Ein Freudenfest der Lichter

06.12.95 (Brauchtum & Tradition)

Kirrlacher Lichterhaus lockt viele Besucher / Einstimmung auf Weihnachten
Bunter Lichterglanz in der Adventszeit gilt bei jung und alt als die passende Einstimmung auf das nahende Weihnachtsfest. Überall in den Städten und Gemeinden stehen wundervolle Weihnachtsbäume auf Plätzen und vor öffentlichen Einrichtungen. Die Geschäftswelt trägt vielerorts mit vielfältigen Straßenbeleuchtungen zum stimmungsvollen Schmuck bei. Und die unzähligen Fenster der Häuser werden von Jahr zu Jahr mehr geziert von Leuchtern, Lichterketten oder auch rythmischen Lichtorgeln. Der Phantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. Weiterlesen »

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Als der Aderlaß Allheilsmittel war

23.11.95 (Medizin & Hygiene)

Die kalte Jahreszeit ist in den ewigen Wechsel der Jahreszeiten
ebenso eingebunden wie die alljährliche Grippewelle oder andere
„verschnupfte“ Zeiten. Die Wartezimmer der Ärzte sind übervoll,
und jeder Patient kennt die Atmosphäre moderner Praxen und
Kliniken aus eigenen Erfahrungen. Wie muß man sich aber nun die
ärztliche Versorgung der Kurpfälzer zu Zeiten eines Carl Theodors
vorstellen? Wie war es um die ärztliche Versorgung und die
Hygiene des 18. Jahrhunderts bestellt?

Zunächst muß man wissen, daß die Medizin zur damaligen Zeit erst
zur Naturwissenschaft reifte und gerade dabei war, die
metaphysischen Grundlagen der Antike von der
Experimentalphysiologie ablösen zu lassen. Von besonderer
Bedeutung in dieser Zeit war für die Bevölkerung die Entwicklung
der Pockenschutzimpfung. Bekannt waren auch schon die Zeichen
einer Angina pectoris oder einer Herzmuskelentzündung. Syphilis
wurde als eine Art Volksseuche behandelt und den Hodenkrebs
brachte man mit dem Beruf des Schornsteinfegers in Verbindung.

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung lag je nach Geldbeutel
der Patienten und Art der Krankheit in den Händen von Ärzten,
Badern, Apothekern, Barbieren, Feldscherern und allerlei anderen
Scharlatanen sowie selbsternannten Wunderärzten.

Seit 1680 versuchten verschiedene Wissenschaftler eine
Frischwasserversorgung für Mannheim zu entwickeln. Dies war
besonders schwierig, denn die Stadt an Rhein und Neckar war auf
ehemals morastigem Untergrund errichtet worden. Nach ausgiebigen
Studien alter Untersuchungen wollte der Ingenieur Traitteur auf
eigene Kosten mit Unterstützung der kurfürstlichen Schatulle eine
Frischwasserleitung von Leimen und Rohrbach nach Mannheim
verlegen lassen. Er versprach sich und dem Kurfürsten große
Gewinne, aber die kurfürstliche Bürokratie und die Kriegswirren
der damaligen Zeit vereitelten das Vorhaben.

Der Heidelberger Wissenschaftler Franz Anton Mai (1742  1814)
machte sich durch die Verbreitung allgemeinhygienischer
Grundlagen überall einen Namen. Er beriet die kurfürstliche
Regierung in gesundheitspolitischen Fragen und stellte einen
Katalog von Vorsichtsmaßnahmen und Therapiemöglichkeiten bei Ruhr
auf. Bereits 1730 hatte der regierende Kurfürst seiner
Residenzstadt Mannheim ein erstes Spital gestiftet. Die Patienten
wurden von Jesuiten und Kapuzinern betreut. Wegen der hohen
Sterblichkeit stellte man 1762 einen Arzt ein und die Berufung
eines gelernten Apothekers wurde zur Pflicht gemacht.

Finanzieren mußte sich das Spital mit Hilfe der
Spielkartenstempelsteuer, weshalb praktischerweise der
Krankeneinrichtung eine Kartendruckerei angeschlossen wurde.
Hinzu kam zudem eine Militärtuchfabrik und eine
Waisenerziehungsanstalt der Jesuiten.

Zur gleichen Zeit wurde das „Consilium medicum“ der Kurpfalz ins
Leben gerufen, eine Vorläufereinrichtung der heutigen
Gesundheitsämter. Dort taten sechs Geheimräte
(Verwaltungsbeamten) und vier Ärzte ihren Dienst. Ihre Aufgabe
war es, die Mitglieder der Regierung zu beraten und der
Kurpfuscherei in der Kurpfalz ein Ende zu setzen. Aber wie in
jenen Tagen üblich, beschränkte sich die Einrichtung mehr auf das
höfische Leben und verkam mit den Jahren zu einem
Honoratiorenverein.

1754 wurde im Garnisonslazarett im Quadrat F 6 von Prinz
Friedrich von PfalzZweibrücken ein „Collegium
anatomicumchirurgicum electorale palatinum militare““, also eine
anatomischchirurgische Ausbildungsstätte für Feldscherer
(Sanitäter) und Wundärzte, gestiftet. Wegen der Überlastung des
BorromäusSpitals der Jesuiten erlaubte Kurfürst Carl Theodor
1773 die Gründung eines katholischen Bürgerhospitals. Bereits
seit 1739 unterhielt die deutschreformierte Gemeinde ein Armen
und Krankenhaus, die Lutheraner errichteten 1770 ebenfalls ein
Krankenhaus.

Die ambulante Versorgung der armen Bevölkerung in der
Residenzstadt wurde unter anderem durch einen
Wohltätigkeitsverein unterstützt. Die Bevölkerung der vielen
kurpfälzischen Dörfer verspürten jedoch nichts von dieser
Entwicklung. Allein Schwetzingen kam zunächst in den Genuß von
öffentlichen Ambulanzstellen, vor allem dann, wenn der Hofstaat
während des Sommers im Schloß weilte. Andere Städte und Dörfer
hatten dann Glück mit der medizinischen Versorgung, wenn sich
Klöster oder Ordensgemeinschaften darum kümmerten.

Mannheim selbst war bereits 1766 in sechs Bezirke aufgeteilt
worden, wo ein Arzt sowie mehrere Wundärzte die Bevölkerung
kostenlos versorgten. Der Kurfürst bezahlte die Arzneien aus
seiner Privatschatulle und wies die Hofapotheke an, für einen
entsprechenden Vorrat an „Medicin“ zu sorgen. Im BorromäusSpital
wurde zweimal wöchentlich eine Poliklinik eingerichtet und die
jüdische Gemeinde wurde verpflichtet, die bedürftigen
Gemeindemitglieder ebenfalls kostenlos zu behandeln. 1766 wurde
auf Befehl des Kurfürsten zudem eine Hebammenschule gegründet
nachdem Carl Theodors einziger legitimer Sohn im Kindesalter
nach schwerer Geburt verstorben war. Der Schule wurde ein
„Wöchnerinnen-Asyl“ mit zwölf Betten angeschlossen.

Das größte Problem der damaligen Zeit aber war die Hygiene. In
einer Zeit, in der es gerade bei Hofe besonders schick war, sich
zu parfümieren statt zu waschen, wurde die hygienische Aufklärung
zu einer Herausforderung für die Medizin.

Heute kann man als größte und wichtigste Errungenschaft der
vergangenen Jahrhunderte vor allem die sich entwickelnde Hygiene
sehen, denn auf ihr basierend konnte eine fortschrittliche
Medizin auch in der Kurpfalz entwickelt werden.

Quelle: unbekannt

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Auf religiösen Pfaden im Odenwald

23.11.95 (Glaube & Religion, Kirchen & Klöster, Landschaft & Orte)

Frömmigkeit in den vor allem ländlich geprägten Teilen des
östlichen Odenwaldes kam nach außen hin durch die zahlreichen
religiösen Stätten zum Ausdruck. Es waren nicht nur die Klöster
und Kirchen, es waren auch die vielen christlichen Kleinode, wie
Bildstöcke, Kapellen, Steinkreuze und Madonnenstatuen, die
Stationen der Besinnung waren. Diese lebendigen Zeugen
christlicher Kultur und Vergangenheit haben sich bis heute trotz
aller religiösen Reformen im Odenwald sichtbar erhalten.

Wer offenen Auges und Herzens den Odenwald durchstreift, wird
vieles finden, das in ihm ein Lebensbild dieses frommen Völkchens
entstehen läßt. So wird er in der Nähe Michelstadts die
Einhardsbasilika finden, das wohl älteste Gotteshaus des
Odenwaldes. Erbaut wurde es um das Jahr 830 von Einhard, Kaiser
Karl des Großen Berater, Biograph und Baumeister.

Oder er wird inmitten des Barockstädtchens Amorbach das ehemalige
Benediktinerkloster, auch Marienmünster genannt, besuchen, dessen
romantische Türme den Reisenden schon von weitem grüßen.
Sehenswert in dieser Abteikirche sind vor allem die weithin
bekannte und größte Orgel der Gebrüder Stumm (177482), die
Stuckarbeiten des Johann Michael Feichtmayr und die
klassizistische Klosterbibliothek, die bis heute mit all ihren
Kostbarkeiten erhalten ist.

Folgt man auf religiösen Pfaden den Madonnenstatuen und
Kreuzigungsgruppen von teils beachtlicher bildhauerischer
Qualität, den barocken Bildstöcken, Brückenheiligen und
Wegekapellen durch das „Madonnenländchen“, so erwartet den Pilger
in Walldürn die mächtige Wallfahrtskirche zum „Heiligen Blut“,
neu errichtet in den Jahren 1698 bis 1727. Noch bis ins Jahr 1000
hier der Ort Turninu, im Volksmund „Dürn“ genannt. Zu Walldürn
wurde das Städtchen durch jenes geheimnisvolle Geschehen im Jahre
1330, als einem Priester das Mißgeschick widerfuhr, einen
gefüllten Kelch umzustoßen. Auf dem Korporale, dem Kelchtuch,
erschien dort, wo der geweihte Wein auf dem Linnen seine Spuren
hinterließ, das Bild des Gekreuzigten, von elf dornengekrönten
Häuptern umrankt. Das Bekanntwerden dieses Ereignisses machte den
Gnadenort so berühmt, daß er zur bedeutendsten Pilgerstätte des
Odenwaldes wurde.

Nachdem Papst Eugen IV. das Blutwunder in einer päpstlichen Bulle
(Erlaß) 1445 bestätigte, sollen im 15. Jahrhundert jährlich mehr
als 100.000 Menschen nach Walldürn gepilgert sein. In prunkvoll
feierlichen Prozessionen zogen auch in späteren Jahrhunderten
Pilgermassen aus Köln, Mainz, Würzburg, Fulda und auch aus der
Kurpfalz zu Fuß mit Kreuz und Fahnen quer durch den Odenwald.

Gerade an diesen Wegen befinden sich die schönsten
SandsteinWegekreuze und GelübteBildstöcke von meisterhafter
Gestaltung und Ausführung. An des Odenwalds östlicher Grenze, der
Tauber, liegt das ZisterzienserKloster Bronnbach. Es zählt noch
heute zu den bedeutendsten Klosteranlagen Süddeutschlands.
Gegründet wurde Bronnbach als sogenanntes Tochterkloster von
Maulbronn. Sehenswert hier in Bronnbach ist vor allem der rundum
erhaltene romanische Kreuzgang, der Josephssaal, mehrere
Barockaltäre und das wertvolle, holzgeschnitzte Chorgestühl. Der
Gesang der Mönche ist aber längst verklungen.

Interessant und im Odenwald sehr selten sind Friedhöfe (etwa
Schlierbach bei Lindenfels), auf denen Gräber mit Totenbrettern
versehen sind. Diese Totenbretter, auf denen früher die Leichen
aufgebahrt waren, wurden, mit dem Namen des Verstorbenen
beschriftet, über dem Grab als Totenmal errichtet. Von diesem
religiösen Brauch ist man heute völlig abgekommen.

In Zeiten der grassierenden Pest, wie während des 30jährigen
Krieges, in denen ganze Dörfer ausstarben, war oft kein Platz
mehr auf den Kirch und Friedhöfen, so daß die Toten weit
außerhalb der Ortschaften auf sogenannten Pestfriedhöfen
beigesetzt werden mußten. Hier und da sind solche Plätze heute
noch bekannt.

Nicht nur Friedhöfe, auch andere Orte der Stille, wie die
Walpurgiskapelle bei Weschnitz, die Kapelle St. Amorsbrunn bei
Amorbach, die Ruine der Wallfahrtskapelle Lichtenklinger Hof bei
Eitersbach, mitten im Wald gelegen, das St. Martin und
Veitskirchlein bei Mudau oder einfach eine Madonna am Wegesrand
regten auch früher schon zum Nachdenken über Werden und Vergehen
an.

Aus: RNZ, 1995, Herbert Seipel

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Der elegante Schwung von Mannheim

18.11.95 (Städte & Gemeinden, Straßen, Fähren & Verkehr)

Sie war Mannheims erste feste Brücke. Sie war auch die erste
feste Brücke, die über den Neckar geschlagen wurde. Und als die
Kettenbrücke am 15. November 1845 dem Verkehr übergeben wurde, da
war doch tatsächlich ganz Mannheim auf den Beinen. Alle wollten
das Wunderwerk betrachten, wollten in dieser historischen Stunde
dabeisein und mitfeiern.

Auch die Umlandgemeinden feierten damals mit. Denn mehr als 30
Jahre hatte es seit der ersten Anregung gedauert, bis die
Erkenntnis da war, daß jetzt dringend gehandelt werden muß. Ging
es doch um einen dauerhaften Ersatz für die alte Schiffsbrücke,
die in der Fluchtlinie zwischen den Quadraten K 2 und K 3 den
hier hundert Meter breiten Fluß überquerte. Bei jedem Hochwasser
und jedem Eisgang mußte diese schwankende Bohlentrasse abgefahren
werden und noch häufiger repariert werden.

Insgeheim hatten die Mannheimer zwar gehofft, daß mit dem Bau der
MainNeckarBahn die dazu unweigerlich notwendige Neckarbrücke
auf Staatskosten errichtet würde. Dies trat auch ein  nur eben
an der falschen Stelle. Für damalige Begriffe weit im Osten, bei
Ladenburg, entstand die Brücke und führte die von Frankfurt
kommende Bahnlinie über Friedrichsfeld entweder nach Mannheim
oder Heidelberg. „Mannem hinne“, rief dort auf dem Bahnsteig der
Stationsvorsteher mit weithin hallender Stimme.

Nun mußte sich die von Oberbürgermeister Ludwig Jolly geleitete
Stadt ihrer eigenen Kraft besinnen. Finanziell stand es nicht
eben rosig um sie. Doch nicht zuletzt die 1842 erfolgte Neuanlage
des Hauptfriedhofs über dem Neckar und noch mehr der zunehmende
Warenverkehr machten die baldige Verwirklichung der
Brückenbaupläne ratsam.

In den Stadtgeschichtlichen Sammlungen des ReißMuseums sind noch
mehrere originale Kupferstiche und Lithographien aus dieser Zeit
zu sehen, die den imponierenden Bau zum Gegenstand haben. Mit
seinen zwei auf Flußpfeilern stehenden, zinnenbekrönten
Portaltürmen und den elegant durchgeschwungenen Ketten nimmt er
sich höchst eindrucksvoll aus. Die Konstruktion, die technisch an
eine Hängebrücke erinnert, stellte für die Zeit um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine großartige Ingenieurleistung dar.

Ihr Konstrukteur und Erbauer, IngenieurKapitän Wendelstadt, der
in Diensten des Königs von Hannover stand, hatte bei Hameln schon
zuvor eine Kettenbrücke über die Weser gebaut, die nur 108.000
Gulden gekostet hatte. Friedrich Daniel Bassermann war eigens
hingereist und hatte diesen für ihn neuartigen Flußübergang
besichtigt und danach seinen Gemeinderatskollegen den Planer
empfohlen. Wendelstadt legte 1839 für die Neckarbrücke einen
Kostenvorentwurf von 189.000 Gulden vor.

Die Kettenbrücke, mit deren Bau im Frühjahr 1842 begonnen wurde,
kostete wegen verschiedener Änderungen im Endeffekt zwar 372.000
Gulden, was etwa 642.000 Goldmark oder nach heutigem Geld etwa
sechs Millionen Mark entsprach, doch hielt sie bis 1891 den
zunehmenden Belastungen stand. Das Automobil und der steigende
Frachtverkehr machten dann endgültig eine Nachfolgerin, die
Friedrichsbrücke, nötig. Sie erinnerte mit ihren Portalpylonen
und Gitterverspannungen an die elegante Linienführung der alten
Kettenbrücke. Nach ihrer kriegsbedingten Sprengung 1945 folgte im
August 1950 die bislang letzte Version, die Kurpfalzbrücke.

Nach: MM, Hans Weckesser, 18.11.1995

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Die versunkenen Glocken von Wersau

07.11.95 (Burgen & Schlösser, Geschichten & Erzählungen)

Um die ehemalige Burg Wersau in Reilingen ranken sich
viele Geschichten und Ereignisse. Während die meisten
historisch belegbar sind, gehört die seit Generationen
überlieferte Geschichte von den „versunkenen
Schloßglocken“ in die Welt der Sagen und Märchen. Wenn man
die Erzählung aber genau nimmt, hätte sie durchaus so
passieren können …

Dem Schenken von Wersau, adeliger Gefolgsmann der
Pfalzgrafen und Herr über Reilingen und Hockenheim, war
nicht jeder Freier für seine schöne Tochter Edelgard
recht. Und so verschwieg sie ihrem Vater, daß sie
Heinrich, den Sohn des Reilinger Hufschmiedes,
liebgewonnen hatte. Dieser hatte in Heidelberg den Beruf
des Schmieds und Glockengießers erlernt und war nun wieder
nach Hause gekommen, um in der Schmiede des Vaters zu
arbeiten. Da der junge Bursche öfters als für ihn gut war
nach Wersau kam, wurde ihm schließlich der Zutritt zur
Burg verboten. Der Schenk aber gab seine Tochter zur
Erziehung in das Magdalenenkloster nach Speyer.

Für Heinrich war kein Weg zu weit oder der sie trennende
Rhein zu breit. So oft er konnte, half er dem Lußheimer
Fährenmeister bei der Arbeit, um als Lohn eine freie
Überfahrt zu bekommen. Die beiden Liebenden trafen sich
von da an, von den Speyerer Nonnen geduldet, im
Klostergarten. Als der mißtrauische Vater der Tochter den
beiden auf die Schliche kam und überraschend im Garten
auftauchte, konnten die Nonnen gerade noch verhindern, daß
der junge Hufschmied entdeckt wurde.
Der Ritter deutete auf einen wilden Obstbaum und sprach
spöttisch zu Edelgard: „Ich will Dir gern den Burschen zum
Manne geben, wenn dieser Busch Edelobst trägt“.

Das Jahr ging ins Land, dem Frühling und Sommer folgte
wieder ein Herbst. Und siehe, da trug der kleine Baum
herrliche Birnen von der besten Sorte. Der Schenk von
Wersau konnte nun nicht mehr zurück, denn er wollte vor
den Nonnen, die vor Jahresfrist sein Versprechen gehört
hatten, nicht als Lügner dastehen. So stimmte er
schließlich der Hochzeit von Edelgard und Heinrich zu.

Viele Jahre zogen ins Land, Kriege brachten Tod und
Verwüstung. Auch die Burg Wersau wurde zerstört und nicht
mehr aufgebaut. Längst lebten dort nicht mehr die Schenken
von Wersau, sondern ein kurfürstlicher Müller sorgte
dafür, daß die Vorratskammern in der Schwetzinger
Sommerresidenz mit Mehl stets gut gefüllt waren. Die
Burgruine bot ein trauriges Bild und immer wieder nutzte
man sie als Steinbruch.

Nur der alte Friedrich, der im nahen Reilingen eine
Schmiede betrieb, machte allabendlich seinen Gang hinaus
zum zerfallenen Gemäuer. Der Alte wußte, daß die Glocken,
die dereinst sein Vorfahre Heinrich als Dank für seine
gesunden Kinder für den Turm von Wersau gegossenen hatte,
im Burgbrunnen versenkt lagen.

Eines Abends aber erschrak er fürchterlich, denn er hörte
die Glocken aus der Tiefe heraufklingen. Schöner, wie er
vorher nie ein Glockengeläut vernommen hatte. Verzaubert
lauschte der dem hellen Klang und ging erst wieder nach
Hause, als das Geläut verklungen war. Keiner im Dorf
wollte ihm die Geschichte glauben, die er da erzählte.

Erst am anderen Tag, als ein Kurier die Nachricht vom
brennenden Speyer brachte, wußte Friedrich und das ganze
Dorf, was das Geläut der Glocken bedeutet hatte: Ein
letzter Gruß für eine sterbende Stadt. Und tatsächlich,
immer wenn große Brände oder Kriegseinwirkungen die Gegend
heimsuchten, erinnerten sie so an das eigene Schicksal und
man vernahm das Läuten der Glocken aus den Tiefen des
Brunnens.

Längst ist von der Burg Wersau nichts mehr zu sehen und
auch die Schmiede und Glockengießerei gibt es nicht mehr
in Reilingen. Im Keller des über der Ruine erbauten Hauses
aber ist noch heute ein schmaler Spalt unter Bodenplatten
zu finden, der den Blick freigibt auf ein altes
Brunnengewölbe. An einem Dienstag im September 1991, es
war gerade zur nachmittäglichen Kaffeestunde, tönte
plötzlich der Klang von Glocken durchs Haus. Keiner konnte
sich dieses Phänomen erklären.

Nur die versunkenen Glocken von Wersau kannten den Grund
ihres Läutens: Es war der 17. September und im Dorf
brannte die Mannherz-Halle . . . (og)

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Martinstag mit alter Tradition

04.11.95 (Brauchtum & Tradition)

Martini wurde in der Pfalz auch als Fest des neuen Weins gefeiert
Landauf, landab gibt es in der Kurpfalz viele beliebte Traditionen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten aus dem Jahresablauf der Menschen an Rhein und Neckar nicht mehr wegzudenken sind. Zu den populärsten Volksbräuchen zählt vor allem der Martinstag. Seit Generationen ziehen am 11. November die Kinder durch die Straßen oder gehen von Haus zu Haus. Dabei schwenken sie stolz ihre ausgehöhlten Rüben, Kürbis oder Papierlaternen.
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Ein Kurpfälzer als Begründer der experimentellen Psychologie

27.10.95 (Arbeit & Soziales)

Einem echten Kurpfälzer ist es zu verdanken, daß das weltweit
erste psychologische Lehrbuch veröffentlicht wurde. Es war Dr.
Wilhelm Wundt, der an der damals südlichen Peripherie Mannheims
in Neckarau geboren wurde und seine akademische Karriere in
Heidelberg begann, aber an der Universität Leipzig sein „Institut
für experimentelle Psychologie“ gründete. Das Leipziger Institut
entwickelte sich unter seiner Leitung zu einem Mekka für führende
Köpfe dieser neuen Disziplin.

Indes ist über Wilhelm Wundt, der aus der Verbindung von
Physiologie und Philosophie die neue Disziplin der Psychologie
schuf, im Gegensatz etwa zu Sigmund Freud, dem Begründer der
Psychoanalyse, nur wenig bekannt in der Öffentlichkeit.

Zwei große Strömungen  die Naturwissenschaften und die
Philosophie  hat Wundt zusammengeführt und daraus die
Experimentalpsychologie entwickelt. Die drei Wundtschen Kriterien
für das Experiment, Willkürlichkeit, Wiederholbarkeit und
Variierbarkeit, werden noch heute in jedem psychologischen
Lehrbuch zitiert.

Fast 20 Jahre lang war Wilhelm Wundt der Heidelberger Universität
und der Stadtgeschichte verbunden. 1856 hatte er an der Ruperto
Carola zum Dr. med. promoviert und wurde bereits ein Jahr später
als Privatdozent für Physiologie habilitiert. Nach einer
fünfjährigen Assistenzzeit bei dem berühmten Naturforscher
Hermann von Helmholtz wurde er 1864 Professor für Anthropologie
und medizinische Psychologie in Heidelberg und nach einem kurzen
Ausflug in die Politik als Abgeordneter im Badischen Landtag,
1874 Professor für Induktive Philosophie in Zürich. Ein Jahr
später erhielt er dann ein Ruf der Leipziger Universität. Dort
setzte sich die Wandlung vom Physiologen zum Psychologen Wundt
stürmisch fort.

Was weiß man aber von dem Menschen Wilhelm Wundt in der Kurpfalz?
Während des Sommersemesters 1857, kurz nach seiner Habilitierung,
erlitt Wundt eine schwere Lungenerkrankung, unterbrach seine
Lehrtätigkeit und bewarb sich 1858 als Assistent von Hermann von
Helmholtz. Dieser sagte zu. Bis 1863, also in fünf Jahren
Assistentenzeit, hatte Wundt trotz vieler Konditionen, die
Helmholtz ihm aufgebürdet hatte, 50 Artikel und mehr als 2.000
Buchseiten auf seinen Spezialgebieten der physiologischen
Psychologie und der Völkerpsychologie publiziert.

Unter anderem hatte ihm sein Chef für 300 Gulden Jahressalär (das
Existenzminimum für einen Privatdozenten) neben zwei bis drei
Stunden Unterricht in der Woche, auch die Vivisektionen und die
Vorbereitungen aufwendiger Experimente sowie die Vorbereitung
sämtlicher Vorlesungsversuche und den Unterricht in
mikroskopischer Anatomie auferlegt. Das Mikroskopieren
verursachte schließlich auch einen sogenannten Astigmatismus,
eine krankhafte Veränderung der Hornhautkrümmung, der in Leipzig
dann zu seiner vollständigen Erblindung führte.

Zwar hätte Helmholtz‘ Untersuchungen über die Akustik und Wundts
Arbeiten über die physiologische Psychologie eine Zusammenarbeit
nahegelegt, doch tauschten sich die beiden Wissenschaftler
überhaupt nicht aus. Der Grund hierfür ist in der
Sozialgeschichte der Universität und Stadt zu suchen. Noch 1863
empfahl Helmholtz in einem Gutachten seinen Assistenten für die
Stelle eines außerordentlichen Professors und hob dabei seine
hervorragenden Kenntnisse hervor. Seine Befähigung, eine
wissenschaftliche Verbindung der Physiologie der Sinnesorgane und
der Psychologie zu schaffen, bezeichnete er als „das gänzlich
Neue“.

Um so erstaunlicher ist, daß er 1868 in einem Brief moniert,
Wundt würde „in der Politik herumdümpeln und in Arbeiterkreisen
verkehren“, und dies nur, um zu Geld zu kommen. Die politische
Situation in Heidelberg erhellt den Hintergrund des Verdikts.
Helmholtz fand es merkwürdig, daß ein junger Wissenschaftler,
statt an seiner Karriere zu basteln, in die Politik gehen wollte.

In Baden existierte damals die Tradition der liberalen
Intellektuellen, die aktiv in Kommunal und Staatspolitik
eingriffen. Diese Tradition war Helmholtz suspekt. Er selbst war
nicht zuletzt durch die Heirat mit der Tochter des Hauses von
Mohl rasch, möglicherweise wider Willen, in die „verknöcherte
Ordinarienwelt“ integriert worden. Die jungen Privatdozenten und
Professoren, die sich in einem Kreis um Henriette Feuerbach
zusammenfanden, erkannten hingegen die sozialen Probleme der
Bevölkerung und sahen sich bemüßigt zu handeln.

In seinen Vorlesungen über die Menschen und Tierseele, die
Wilhelm Wundt 1864 verfaßte, legte er seine ethnischen Grundlagen
des politischen Engagements fest: Der vierte Stand, also die
Arbeiter und Handwerker, sollte durch Bildung sowie Hilfe zur
Selbsthilfe emanzipiert werden. 1863 hatten deshalb verschiedene
junge Dozenten und Professoren in Heidelberg den
Arbeiterbildungsverein gegründet. Den Arbeitern und Handwerkern
wurde Fortbildung in Rechnen, Schreiben und Englisch angeboten.
Dazu kam ein Freizeitprogramm mit Laientheater und Chor sowie
ziemlich ermüdenden Vorträgen aus Dozentenkreisen. Wundt führte
den Vorsitz und kam rasch in Kontakt mit anderen Zirkeln der
Arbeiterbewegung.

1866 wurde er dann von einem Wahlmännergremium in die Zweite
badische Kammer nach Karlsruhe entsandt. Bereits seit 1863 hatte
er an entscheidenden Reformgesetzen mitgearbeitet. Er setzte sich
unter anderem für neue Schulgesetze, die Gewerbefreiheit und die
Gleichstellung der Juden ein. Ein Gesetz paukte der
Nationalliberale Wundt mit seinen Parteifreunden gar selbst
durch: Die Gleichstellung der akademischen Bürger mit den
„Normalsterblichen“ vor dem Gesetz  und nebenbei auch die
Bestrafung jeden Duellhandels.

Der Krieg zwischen Preußen und Österreich im Jahre 1866, in den
auch Baden hineingezogen wurde, veränderte die politische
Stellung der Heidelberger Intellektuellen. Rasch wandelten sich
die Heidelberger Professoren von Verteidigern des alten Habsburg
zu glühenden Verehrern Bismarcks. Wundt hatte jedoch seine
Stellungnahme in der renommierten „Allgemeinen Augsburger
Zeitung“ dezidiert gegen den „undemokratischen Bismarck“
formuliert  und bezog bald politische Prügel, bis er schließlich
wegen Differenzen mit der Regierung in Karlsruhe sein Mandat
niederlegte.

Das wissenschaftliche Geschäft Wundt gedieh trotzdem. Von 1858
bis 1862 waren sechs Aufsätze über die Theorie der
Sinnewahrnehmung erschienen, die 1862 als Bücher vorlagen. 1863
folgten die zwei Bände über die Menschen und Tierseele. Das
Lehrbuch der Physiologie des Menschen kam in erster Auflage 1865
heraus und das damals weit verbreitete Handbuch der medizinischen
Physik 1867. Helmholtz hat von all diesen Tätigkeiten wenig
erfahren. Wundt lehrte weiterhin die Studenten, die Mikroskope zu
benutzen und bereitete die Experimente vor. 1865 kündigte er dann
seinen Vertrag mit Helmholtz.

Im deutschfranzösischen Krieg 1870 und 1871 arbeiteten die
beiden dann wieder zusammen. Es wurden sogenannte
Hilfslazarettzüge zusammengestellt, die Verwundete von den
Frontlinien nach Heidelberg brachten. Helmholtz, Wundt und andere
fuhren nach Straßburg und brachten französische und deutsche
Soldaten mit, die in einer Reihe von Krankenstationen, darunter
auch der Marstall und das Freimaurerhaus, versorgt wurden. Beide
veranstalteten wiederholt Kolloquien über die effiziente
Behandlung von Kriegsverletzung, und für beide war es die letzte
Berührung mit der medizinischen Praxis.

Als Wundt am 3. August 1870 am Bahnhof auf einen Lazarettzug
wartete, traf die Nachricht der Gefangennahme Napoleons III. in
Heidelberg ein. Wundt zog daraufhin mit einem Trommler durch die
finsteren Gassen der Altstadt und verkündete den Sieg. Das
brachte ihm eine Rüge wegen Ruhestörung ein. Nur ein Jahr später
feierten indessen die Bürger Heidelbergs den Sedantag mit nicht
endenwollendem Patriotismus bis in die späte Nacht.

Wundt wurde 1874 nach Zürich berufen und etablierte sich dann in
Leipzig. 1902 bezog er dann seinen Altersruhesitz in der Plöck.
Dort im Haus Nr. 50, das er auch in vielen Sommermonaten
bewohnte, lebte er dann bis zu seinem Tod. Das Haus wurde
gemeinsam mit dem Nachbarhaus später abgerissen. Nur noch eine
Inschrift an der Betonfassade, die überdies meist von
Müllcontainern umstellt ist, zeugt von der Zeit, die der
Begründer der experimentellen Psychologie in Heidelberg verbracht
hat.

Aus: RNZ, 27.10.1995, Gustav-Adolf Ungerer

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Abriss, Neubau und Probleme mit dem Kandel

19.06.95 (Handel & Handwerk, Kirchen & Klöster)

Der domkapitularische Bauhof in Speyer im 18. Jahrhundert
Im 18. Jahrhundert befand sich der Bauhof des Speyerer Domkapitels auf dem Gelände, auf dem heute das Historische Museum der Pfalz steht. Zuvor lag der Bauhof beim Schlegelhof (heute Domplatz 6, Prot. Landeskirchenarchiv). Er wurde, gleich den anderen Gebäuden, beim Stadtbrand von 1689 eingeäschert. Beim Wiederaufbau der Stadt verlegte das Domkapitel seinen Bauhof an die Große Pfaffengasse. 1774 verfasste der damalige domkapitularische Archivar Joh. Michael Anton Loebel (1712 – 1786) folgende geschichtliche Zusammenstellung über den Bauhof: Weiterlesen »

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Der Erdbebenanzeiger von Mannheim

20.01.95 (Geschichte allg.)

Erdbeben und Erderschütterungen sind in der Rheinebene nicht
unbekannt, entstand die Oberrheinische Tiefebene doch vor
Jahrmillionen durch ein Erdbeben. Der sogenannte „Grabenbruch“
verdankt sein Entstehen somit eine gewaltige Erdschollenbewegung.

Kleine Erdbeben sind auch aus der kurpfälzischen Vergangenheit
bekannt geworden. Bereits die 1763 gegründete Kurpfälzische
Akademie der Wissenschaften befaßte sich in der meteorologischen
Klasse mit solch seltenen und daher um so merkwürdigeren
Phänomenen wie dem Vulkanismus und seinen Begleiterscheinungen.

Doch von den inneren Zusammenhängen von Vulkanausbrüchen und
Erdbeben wußte man damals noch nichts. Man ahnte es allenfalls.
Die weltweit betriebenen, durch den Mannheimer Hofkaplan Johann
Jakob Hemmer in Gang gesetzten Wetterbeobachtungen und
fortlaufenden Aufzeichnungen der Meßwerte sind für die
Witterungsgeschichte des Jahres 1783 „überaus wertvoll“, denn die
Sommermonate boten „allenthalben außerordentlich seltsame
Erscheinungen“. Über der Kurpfalz lag vom 16. Juni bis zum 6.
Oktober 1783 „ein ungewöhnlich starker Nebel von auffälliger
Trockenheit“, wie heute noch in alten Dokumenten zu lesen ist.
Was war geschehen?

Die Sonne habe damals wie rotglühendes Eisen ausgesehen und
konnte an vielen Tagen selbst während der Mittagsstunden mit
ungeschützten Augen betrachtet werden. Seltsame, ungewöhnlich
kräftige Dämmerungserscheinungen am Himmel ängstigten die
Menschen. Schreckensbotschaften über äußerst zahlreiche und
heftige Erdbeben in Tripolis, Kalabrien und Sizilien wurden
verbreitet. Am 18. Mai verspürte man noch in Regensburg die
Ausläufer eines Bebens, ist in einer wissenschaftlichen
Auswertung der „Mannheimer Ephemeriden“, den Aufzeichnungen aller
Wetterfaktoren in weiten Teilen Europas.

Bald erfuhr man mehr: Am 1. Juni setzten auf Island „viele
furchtbare Vulkanausbrüche ein, seit dem 11. Juni warf der Hekla
eine Lavamasse aus, die 9.000 Menschen das Leben kostete. Der
ungewöhnliche „Sommernebel“ des Jahres 1783 war von Norden
gekommen und demnach nichts anderes als Vulkanasche gewesen, die
das Sonnenlicht teilweise ablenkte. Entsprechend streng waren die
Winter 1784 bis 1789. Es gab mehrfach Mißernten und Hungersnot.

In dieser Situation beschäftigte man sich auch in Mannheim mit
der Konstruktion eines ersten brauchbaren Seismometers
(Erdbebenmelders). Ein kurfürstlicher Hofastronom namens König
soll es gewesen sein, der 1784 tatsächlich einen damals
„Sismometer“ genannten Apparat entworfen hatte, den er „aus zwei
verschiedenen Erfindungen zusammenzusetzen gedenket“. Wäre Königs
Erdbewegungsmesser damals „schon verfertiget gewesen, so würde
die am Gestirne gemachte Beobachtung auch durch dieses Instrument
bestätiget seyn“, hieß es in einer Notiz der „Mannheimer Zeitung“
vom 27. November 1784. Die Beobachtung bezog sich auf ein
Erdbeben, das am 17. Oktober des genannten Jahres bei Neapel
verspürt wurde. Da weitere Zeitungsmeldungen oder
wissenschaftliche Abhandlungen fehlen, ist nicht bekannt, ob
Königs Apparat später voll funktionsfähig gewesen ist.

Aus: Mannheimer Morgen, Hans Weckesser, 20.1.1995

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Als die Pfälzer in das bayerische Ständehaus einzogen

12.11.94 (Geschichte allg.)

Mitten im Winter 1819 mußten sie aufbrechen, die zwölf Pfälzer
Deputierten zur ersten Ständeversammlung des Königreiches Bayern,
dem Landtag, wie man bald sagte. Sie hatten einen weiten und
beschwerlichen Weg vor sich in die Haupt und Residenzstadt
München. Einziges Verkehrsmittel war die Königlichbayerische
Post mit ihren wenig komfortablen Kutschen. So brauchten sie zur
Bewältigung der winterlichen Strecke sechs Tage, bis sie sich
schließlich bei der Einweisungskommission im Ständehaus an der
Münchner Prannerstraße melden konnten. Dort, hinter dem heutigen
Hotel Bayerischen Hof, tagte der Bayerische Landtag von 1819 bis
zu seiner Aufhebung 1933 durch die Nationalsozialisten.

Es war zugleich aber eine Fahrt ins Ungewisse, denn ein Parlament
hatte es bisher noch nicht gegeben. Niemand wußte so genau, wie
so etwas funktionieren sollte. Für die Pfälzer war es zudem auch
eine nicht ganz ungefährliche Reise in die Vergangenheit. Eine
Reise zurück in das Feudalzeitalter, das sie seit dem Einmarsch
der französischen Revolutionstruppen 1793 hinter sich gelassen
hatten.

Als der damalige Rheinkreis, den König Ludwig I. zwanzig Jahre
später in Pfalz umbenannte, am 30. April 1816 achte Provinz des
Königreiches Bayern geworden war, da gehörte er mit seinen
revolutionären Institutionen wie Gewerbe, Presse und
Vereinsfreiheit, Trennung der Justiz von Verwaltung und Polizei,
Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen, dem Landrath, das heißt
dem Vorläufer des Bezirkstages, und anderem schon ganz der
modernen Staatenwelt des 19. Jahrhunderts an. Die Pfälzer hatten
ihre Institutionen vehement verteidigt als sie bayerisch wurden,
und der bayerische Staatsminister Montgelas hatte sie ihnen auch
belassen, denn die Pfalz sollte ein Modell für die Entwicklung
des übrigen Bayern sein.

Das wurde ein mühsames, Jahrzehnte dauerndes Ringen und hatte oft
genug für ganz erhebliche Spannungen zwischen der Pfalz und
München gesorgt. Die Abgeordneten der Pfalz waren wegen ihrer
jüngsten Geschichte fast durchweg liberal, teilweise auch
radikaldemokratisch oder gar republikanisch. Temperamentvoll,
wie es nun mal Pfälzer Art ist, und mit geradezu missionarischem
Eifer taten sie ihre Meinung kund, als die Ständeversammlung nach
wochenlangen Formalien und feierlichen Gottesdiensten in allen
Münchner Kirchen endlich ihre erste öffentliche Sitzung begann.
Schnell sorgten sie für Unruhe, und so verwunderte es nicht, daß
der erste Ordnungsruf im bayerischen Parlament am 31. März 1819
einen Pfälzer traf.

Es lag in der Natur der Sache, daß die Verbündeten der Pfälzer
die altbayerischen, besonders aber die fränkischen und
schwäbischen Liberalen waren. Heftiger Widerstand kam von den
Konservativen in der Versammlung, die überdies die erste Kammer,
die der Reichsräte, dominierten und im König sowie in der
Regierung starken Rückhalt besaßen. Zunächst verband noch die
landsmannschaftliche Zugehörigkeit die Abgeordneten miteinander.
Fraktionen und Parteien entwickelten sich erst langsam nach der
Revolution von 1848.

Anders als den Franken war es den Pfälzern gleich zu Beginn
gelungen, in vier Ausschüssen Sekretäre zu stellen. Insgesamt
fielen von 1819 bis 1933 auf die Pfalz 440 Mandate. Wegen
mehrmaliger Wiederwahlen zogen in den 114 Jahren rund 350
Abgeordnete aus der Pfalz in das bayerische Parlament ein 
darunter lediglich zwei Frauen. Zurückblickend läßt sich
feststellen, daß nur wenige Pfälzer in hohe politische Ämter
aufgestiegen sind. Vier Abgeordnete wurden in Zeit der Monarchie
Minister, zwei weitere in der Zeit der Republik. Von diesen
wiederum war Johannes Hoffmann von 1919 bis 1920
erster freigewählter Ministerpräsident des Freistaates Bayern.
Dreimal wurde ein Pfälzer zum Kammer bzw. Landtagspräsidenten
gewählt.

Aus: Rheinpfalz, Hans von Malottki, 12.11.1994

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Die Prinzessin mit dem allzu feurigen Temperament

11.11.94 (Geschichte allg., Personalia)

Am 15. November 1794 starb 70jährig in einem kleinen Schloß in
der Oberpfalz Maria Franziska Dorothea Christine von
Pfalz-Sulzbach, die Mutter des ersten bayerischen Königs Max
Joseph. Ihre Zweibrücker Heimat war zu dieser Zeit von
französischen Revolutionstruppen besetzt. Ihr Sohn, der
regierende Herzog von Pfalz-Zweibrücken, KarlAugust, hatte sich
ins Rechtsrheinische in Sicherheit gebracht. Auch Maria
Franziskas Schwager, der Kurfürst von der Pfalz und Bayerns, Carl
Theodor, verlor seine Besitztümer im Linksrheinischen durch die
Revolution.

Unberührt von der aktuellen Tagespolitik verbrachte die alte Frau
ihre letzten Lebensjahre, doch unvergessen blieb der Skandal, den
sie, die jüngste Schwester der pfälzischen Kurfürstin Elisabeth
Auguste, genau 35 Jahre zuvor am Mannheimer Hof verursacht hatte.
An Maria Franziska statuierte der kurfürstliche Hof ein Exempel
der damals üblichen Doppelmoral. Denn was bei den Männern in
jenen Kreisen gang und gäbe war und stolz zur Schau getragen
wurde, war bei den Damen ein Skandal, den man krampfhaft zu
vertuschen suchte . . .

1724 wurde Maria Franziska als dritte Enkeltochter des Pfälzer
Kurfürsten Karl Philipp geboren. Die Eltern starben früh. Auf der
Doppelhochzeit ihrer beiden Schwestern in Mannheim lernte die
17jährige den gleichaltrigen, gutaussehenden Pfalzgrafen
Friedrich Michael kennen, den Bruder des regierenden Herzogs
Christian von PfalzZweibrücken. Herzig Christian, aber auch die
Erben der Pfalz und Bayerns, sollten später ohne legitime
Nachkommen sterben.

Es waren also Maria Franziskas Nachkommen, die eine reiche
Hinterlassenschaft antraten. 22 Jahre zählte die Prinzessin, als
sie dem Pfalzgrafen ihr Ja-Wort gab. Da hätten zwei Feuer
gefangen, so erzählte der Hofklatsch; zumindest hatte es den
Anschein! Pfalzgraf Friedrich Michael war Generalissimus im
kurpfälzischen Heer seines Schwagers Carl Theodor und bei den
kaiserlichen Habsburgern. Er war selten daheim, ein fürstlicher
Nichtstuer, bequem und genußsüchtig, mit reichlich wenig
Verstand. Dem „schönen Mann“ aber lag die Damenwelt zu Füßen.

Er hatte aber eine Frau bekommen, die zu ihm paßte. Beide hatten
ein feuriges Temperament, ein weiches Herz und schwache
moralische Grundsätze. Überschäumend vor Lebenslust, vergnügungs
und verschwendungssüchtig tanzte Maria Franziska durch den
kurfürstlichen Hof von Mannheim. Fünf Kinder wurden in der Ehe
geboren, darunter der Erbe von PfalzBayern und spätere
bayerische König, Maximilian Joseph.

Als sich ihr Ehemann in anderen Betten vergnügte, tat sich auch
die Prinzessin keinen Zwang mehr an. Aber Friedrich Michael war
nicht der Mann, der sich Hörner aufsetzen ließ. Ein Hoffräulein
als Dauerwachhund mußte der untreuen Gattin auf Schritt und Tritt
folgen. Doch Maria Franziska schüchterte dies nicht ein. Sie
nutzte die nächste Abwesenheit ihres Mannes zu einem intensiven
Techtelmechtel mit einem Schauspieler des Mannheimer Hoftheaters,
das nicht ohne Folgen blieb. Die Pfalzgräfin wurde schwanger. Und
da ihr Gatte zum Zeugungstermin nicht in ihrer Nähe geweilt
hatte, konnte sie ihm das zu erwartende Kind nicht als seines
unterschieben. Übrigens hatte Friedrich Michael schon bei der
Geburt des fünften Kindes, des kleinen Max Josef, Zweifel gehegt,
ob er wirklich der Vater des Knaben sei.

Es folgte ein kompliziertes Versteckspiel, um Maria Franziskas
Zustand zu vertuschen. Ihre Schwester, die Kurfürstin, nahm
zusammen mit Herzog Christian von Zweibrücken die Sache in die
Hand. Im siebten Schwangerschaftsmonat verkündete man dem
kurfürstlichen Hof, die Prinzessin sei schwer erkrankt, Besuche
seien verboten. Nur wenige informierte Dienstboten und der
Hofarzt durften ihr Zimmer betreten, in denen die Schwangere sich
allerdings nicht mehr aufhielt.

Maria Franziska war nämlich heimlich nach Straßburg gebracht
worden. Dort, im Haus von Dr. Johann Fried, Professor für Medizin
und Hebammenkunst, brachte sie im Januar 1760 ein kleines Mädchen
zur Welt. Nachdem sie sich von der Geburt erholt hatte, kehrte
sie in einer Nacht und Nebelaktion wieder zurück nach Mannheim.
Doch die hochherrschaftliche Verwandtschaft wollte die gefallene
Frau nicht mehr am Hofe dulden. Sie zwang Maria Franziska, sich
„aus gesundheitlichen Gründen“ in ein Kloster in Metz
zurückzuziehen. Als Maria Franziska gegen die Lothringer Klausur
rebellierte, wurde sie in einen noch strengeren Orden nach
Luxemburg verfrachtet.

1767 starb ihr Ehemann. Kurfürst Carl Theodor, der selbst mit
seinen Mätressen und den fünf Kindern öffentlich  trotz Ehefrau
 ein harmonisches Familienleben pflegte, mißbilligte die rüde
Behandlung seiner Schwägerin. Er bot der 42jährigen ein Schloß in
der Oberpfalz als Witwensitz an. Dort verbrachte sie still und
zurückgezogen die restlichen Lebensjahre.

Nur zu ihren Kindern pflegte sie einen innigen Kontakt. Denn bei
aller Kritik an ihrem Lebenswandel war sie eine gute und
liebevolle Mutter. Als ihr Lieblingssohn Karl August die
Herrschaft in Zweibrücken erbte, führte er die verheimlichte
Halbschwester unter dem Namen Fräulein von Einsiedel am Hofe ein.
Er stattete sie großzügig mit Einkünften aus und vermählte sie
mit dem Obristen seiner Leibgarde, dem Freiherrn von Montigny.

Aus: Rheinpfalz, Wiltrud Ziegler, 12.11.1994

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Messen und Märkte in Speyer

26.10.94 (Handel & Handwerk, Städte & Gemeinden)

Seit dem frühen Mittelalter, vor allem aber seit dem 11. und 12.
Jahrhundert , wurden anläßlich kirchlicher Festtage an wichtigen
Verkehrsknotenpunkten nach dem Gottesdienst Märkte abgehalten.

Speyer war schon sehr früh ein bedeutendes Handelszentrum,
bestimmt seit dem frühen 7. Jahrhundert, wird doch bereits 614
ein Bischof urkundlich genannt. Zudem existierte vor dem
bischöflichen Bezirk spätestens in der Karolingerzeit ein Markt
und Handelsplatz, dessen ehemalige Lage mit dem östlichen Bereich
der heutigen Maximilianstraße, der Speyerer Hauptstraße,
identisch war. Daß Speyer sehr früh mit einem Marktrecht bedacht
werden mußte, läßt sich daraus schließen, daß der Bischofssitz
eine nicht unwesentliche Menge an Versorgungsgütern für das
tägliche Leben und Wirken benötigte.

Die Messebeschicker standen unter dem Schutz des Königs und der
Kirche. Den Marktplätzen, beziehungsweise den Messeorten, wurden
Messeprivilegien verliehen. Die urkundlich früheste gesicherte
Messe war die dem Warenaustausch dienende Handelsmesse von Saint
Denis (629). Allmählich blühten in ganz Europa die Märkte und die
Messen auf. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhielt
1240 als erste Stadt Frankfurt am Main ein Messeprivileg. Leipzig
folgte 1268 und bekam ein solches Privileg zur Abhaltung einer
Herbstmesse ausgestellt.

Zurück zu Speyer: Es ist heute nicht sicher, ob die Herbstmesse
tatsächlich die älteste von allen Messen in der Domstadt ist. Die
Frühjahrsmesse wird zwar erst im 16. Jahrhundert genannt, aber
die Historiker gehen davon aus, daß diese Messe viel älter sein
dürfte.

Die Einführung der Herbstmesse im Jahre 1245 war für die
Wirtschaftskraft von Speyer von großer Bedeutung. Abgehalten
wurde sie alljährlich am Fest der Apostel Simon und Judas (28.
Oktober) und dauerte 15 Tage. Der Stadtrat der Reichsstadt Speyer
informierte im August 1245 alle Städte im ganzen Reich über diese
neue Messe und erließ den Kaufleuten, die zur Herbstmesse kamen,
den „halben Zoll“. Den Kaufleuten in Utrecht, Trier, Köln und
Worms versprach der Rat noch weitergehendere finanzielle Vorteile
als zusätzlichen Anreiz, damit auch sie an der ersten Herbstmesse
teilnehmen würden. Der Rat konnte somit ein größeres
Einzugsgebiet in seine Planungen einkalkulieren.

Am 20. Mai 1330 stellte Kaiser Ludwig der Bayer, als er in Speyer
weilte, dem Rat eine Urkunde aus, in der die Herbstmesse um fast
zwei Monate  in den Sommer hinein  verlegt wurde. Außerdem
wurde die Messe auf drei Wochen verlängert. Da aber zur gleichen
Zeit in der Region Messen abgehalten wurden, verlegte man den
Handelsmarkt mit Genehmigung Kaiser Friedrichs III. erneut. Nun
begann sie an Michaelis (29. September) und wurde daher
„MichaelisMesse“ genannt. Später, weil diese Regelung sich
wiederum nicht bewährt hatte, verkürzte der Rat die Messe auf
zwei Wochen und legte 1569 den Termin vom 6. bis 20. Oktober
eines Jahres fest.

Diese Zeit deutet bereits auf den Niedergang der wirtschaftlichen
und politischen Bedeutung vieler Städte hin. Auch die Freie
Reichsstadt am Rhein verlor immer mehr an Bedeutung, verlagerte
sich doch die Macht und Wirtschaftsszene immer mehr an die
Küstenregionen Europas. Ausschlaggebend waren für diese
Entwicklungsprozesse auch die Entdeckungsreisen in die „Neue
Welt“. Bezeichnend für den Niedergang Speyers war auch die
Tatsache, daß der letzte Reichstag hier 1570 stattfand.

Nun kamen  wie überliefert ist  Händler zunehmend erst nach der
Messeeröffnung, einige Kaufleute brachen ihre Stände früher als
vorgesehen ab, angemeldete Beschicker fuhren erst gar nicht in
die Domstadt. Wenig begeistert waren hierüber nicht nur die
Käufer, sondern auch der Rat der Stadt. Also beschloß man wieder
eine Verkürzung und eine Verlegung des Geschehens. Die Messe
sollte künftig von Montag vor Allerheiligen bis zum Samstag
danach dauern. Damit fand die Herbstmesse aber zeitgleich mit der
AllerheiligenMesse im benachbarten Worms und dem
SauerkrautMarkt im kurpfälzischen St. Leon statt.

Der Pfälzische Erbfolgekrieg hatte im besonderen der Pfalz den
Garaus gemacht. Die Bürger von Speyer und Worms gingen ab 1700
wieder daran, ihre völlig zerstörten Städte aufzubauen. 1706
einigten sie sich darauf, daß die beiden Herbstmessen
nacheinander abgehalten werden sollen. Somit konnten Wormser und
Speyerer Kaufleute an beiden Messen teilnehmen.

Das Jahr 1811  Speyer war damals französisch  brachte einen
erneuten Einschnitt in die Tradition der Herbstmesse. Gemeinsam
mit der Frühjahrsmesse wurde das HerbstPendant auf drei Tage
verkürzt und in einen Jahrmarkt umgewandelt. Die Tradition der
Waren und Handelsmesse fand damit ein Ende.

Im 19. Jahrhundert wurde die Herbstmesse als Jahrmarkt wieder
ausgebaut, sie wurde wieder zunehmend umfangreicher beschickt,
was zur Folge hatte, daß Schieß, Kunstbuden oder Karussells auf
dem Königsplatz aufgebaut werden mußten, die Verkaufsbuden aber
vorbehaltlich in der Hauptstraße aufgeschlagen wurden. Obwohl die
Geschäftsleute gegen eine erneute Verlängerung der Herbstmesse
eingestellt waren, blieb der Rat der Stadt bei seiner
entsprechenden Entscheidung.

Auch ein Antrag der Protestantischen Kirchen, die Messe schon
wieder zu verlegen, da sie an den herbstlichen Feiertagen die
„Leut von den Gottesdiensten abhalte“ und den Jugendlichen
„Versuchungen böte“, wurde vom Rat verworfen.

Trotz aller Terminverschiebungen, trotz zahlreicher Regengüsse,
kalter Tage, Einsprüchen, Bedenken oder Konkurrenzmessen hat die
Speyerer Herbstmesse nun über 750 Jahre lang durchgestanden und
ist zu einem Bestandteil des Lebens links und rechts des Rheines
geworden.

Aus: Kurpfälzer Anzeiger, 26.10.1994, og

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Politische Faktoren bestimmten das Schicksal der Heidelberger Klöster

20.10.94 (Kirchen & Klöster)

Das Schicksal der Heidelberger Stifte (die Stiftsherren einer
meist größeren Kirche lebten voneinander weitgehend unabhängig in
eigenen Wohnungen) und Klöster (die Mönche leben in einer
Wohngemeinschaft innerhalb des Klosters in einer in sich
geschlossenen Anlage) wurde vor allem durch politische Faktoren
bestimmt. Zunächst litt das kirchliche Leben unter der
intoleranten Religionspolitik der Kurfürsten, die nach der Devise
„cuius regio eius religio“ die Untertanen zwangen, sich zur
Religion des jeweiligen Herrschers zu bekennen (bis etwa 1650).
Zweitens litt man unter dem Wechsel der Fronten während des
Dreißigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges.
Schließlich wurde das kirchliche Leben durch die einseitige
Förderung bestimmter Konfessionen nach 1650 durch Kurfürst Karl
Ludwig und der katholischen Linie von PfalzNeuburg
eingeschränkt.

Unter Kurfürst Friedrich IV. wurde das ehemalige Benediktiner
und schließlich Nonnenkloster Neuburg oberhalb des Neckars bei
Heidelberg seiner Gemahlin Juliane als Witwensitz überschrieben.
Später wird es als Lusthaus im Sinne von Landhaus bezeichnet.
1622 wurde es von kurpfälzischen Truppen gegen Tilly verteidigt.
1648 fielen die Reste von Kloster Neuburg wieder der reformierten
Kirche zu. Unter Kurfürst Karl Ludwig wurden die Klosterbauten
erneuert, 1672 der Kirche ein Turm hinzugefügt und die
Wehrhaftigkeit wiederhergestellt.

Es diente nun als Fräuleinstift, das für die Töchter des
kurpfälzischen Adels bestimmt war. Das ehemalige Kollegiatsstift
wandelte sich bald in eine „Versorgungsanstalt“ für
unverheiratete Frauen. Das Stift Neuburg behielt aber durchweg
seinen religiösen Charakter. Die Sitten waren damals streng: So
durften die Stiftsfräuleins nur in der Begleitung zweier alter
reitenden kurpfälzischen Gardisten zu Spaziergängen aufbrechen.
Es sollte so darauf geachtet werden, daß in den betreffenden
Gegenden keine Studenten den Stiftsfräuleins „gefährlich werden
können“.
Im Gründungsjahr (1672) bewohnten zwölf Damen und drei
Vorsteherinnen das Stift. Auch „Lutherische“ durften in das Stift
der Reformierten aufgenommen werden, sofern sie „Religionsgezänk“
vermieden.

Als die katholische Neuburger Linie des Hauses Wittelsbach die
Kurfürsten stellte, erhoben Benediktiner und Jesuiten Anspruch
auf das Kloster. Nach der Vertreibung der Reformierten wurde die
Stiftskirche am 11. Mai 1698 für den katholischen Gottesdienst
eingeweiht. Das Lusthaus fand um 1700 eine Verwendung als
Armenhaus.

Die Heiliggeistkirche (Baubeginn 1398) inmitten der alten Stadt
Heidelberg gelegen, war die Stiftskirche des ehemaligen
Kollegiatstiftes. Nach der Reformation und dem vorübergehenden
Sieg des Luthertums unter Kurfürst Ludwig VI. erreichten die
Reformierten 1583 die Rückgabe der Heiliggeistkirche. Die
berühmte „Bibliotheca Palatina“ war auf den breit angelegten
Emporen der Kirche untergebracht. Diese wertvolle Büchersammlung
mußte aber 1623, nach der Einnahme Heidelbergs durch Tilly, dem
Vatikan übergeben werden, wo sie noch heute eingelagert ist.

Im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekrieges wurde bei der zweiten
Einnahme der Stadt durch die Franzosen (1693) die gesamte Stadt
ein Opfer der Flammen. Auch der Dachstuhl und Turmhelm der
Stiftskirche wurde zerstört und die Gräber geplündert. Bereits
fünf Jahre später wurde das Dach wiederhergestellt, zusätzlich
erhielt es einen Dachreiter. Der Turm wurde mit einem achteckigen
Dachaufbau und einer Welschen Haube versehen.

1605 wurde der Chor den Katholiken und das Schiff den
Reformierten zugesprochen. Beide Bauteile wurden deshalb 1606
durch eine Mauer voneinander getrennt und erhielten gesonderte
Eingänge. 1719 wurde diese Scheidemauer wieder abgetragen, ein
Jahr später jedoch auf Intervention der Reformierten hin, wieder
errichtet. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse verlegte Kurfürst
Karl Philipp seine Residenz endgültig nach Mannheim, zumal das
Heidelberger Schloß, wie auch die Stadt, im Pfälzischen
Erbfolgekrieg zerstört worden war.

Die Scheidemauer wurde 1886 anläßlich eines Jubiläums nur
vorübergehend entfernt. 1894 war der Chor den Altkatholiken
zugewiesen worden und als diese zu einem Umzug in die
Erlöserkirche bereit waren, konnte man schließlich im Jahre 1936
die Scheidemauer endgültig beseitigen.

Die Kirche St. Georg wiederum war Teil eines Kollegiats der
Zisterzienser, in dem Studenten ihre Wohnungen hatten.
Vorübergehend wurde es als Geschützhaus benutzt, 1685 vollständig
restauriert, aber bereits 1693 durch Brand wieder sehr stark
beschädigt.

Das Franziskanerkloster auf dem heutigen Karlsplatz war bis 1565
eine Lateinschule. Nach der Zerstörung im PfälzischOrléanschen
Erbfolgekrieg wurden 1698 Kirche und Kloster wieder aufgebaut und
im Jahr 1804 jedoch gänzlich abgerissen. Der Dachreiter befindet
sich noch heute auf der evangelischen Kirche in Ziegelhausen.

An das ehemalige Dominikanerkloster erinnert heute nur noch eine
Mauer. Die Kirche stand an der Stelle, wo 1863 der Friedrichsbau,
im Volksmund „Anatomie“ genannt, errichtet wurde.

Das Augustinerkloster war 1552 aufgelöst worden, die Kirche wurde
als theologischer Hörsaal genutzt. Die Gesamtanlage wurde 1693
ebenfalls ein Raub der Flammen.

Das Kapuzinerkloster, gegenüber dem heutigen Kurpfälzischen
Museum an der Heidelberger Hauptstraße gelegen, diente den
Bürgern der Stadt 1693 als Hauptzufluchtsort, wurde später von
den Franziskanern erworben und Mitte des 19. Jahrhunderts
abgerissen.

In Heidelberg gab es aber noch weitere Klöster zur Zeit der
Kurfürsten: Die Karmeliter, das Schwarznonnenkloster der
Augustinerinnen und das Weißnonnenkloster der Dominikanerinnen.

Doch noch einmal zurück zum Stift Neuburg oberhalb des Neckars:
Das ganze Anwesen war 1799 der Universität überlassen worden und
wurde 1804 schließlich an eine Privatperson verkauft. 1825 erwarb
ein „Schwiegerneffe“ Goethes das Kloster. Es wurde ein
gastfreundliches Haus für Künstler der deutschen Romantik.
Alexander von Bernus war der letzte profane Besitzer bevor 1927
die Benediktiner das Anwesen wieder erwarben. 1928 zur Abtei
erhoben, ist es das einzige heute noch bestehende Kloster in
Heidelberg.

Aus: Schwetzinger Zeitung, ra, 20.10.1994

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Ketsch als Spielball zwischen Speyer und Kurpfalz

01.08.94 (Städte & Gemeinden)

Das Dorf Ketsch war bei seiner ersten Erwähnung um 1150 im Besitz
der Bischöfe von Speyer. Zwischen 1159 und 1329 schenkten es
diese dem Kloster Maulbronn, das es wiederum dem Domkapitel
Speyer verkaufte. Ketsch blieb bis 1803 in dessen Besitz. Dadurch
war der Ort zur Exklave geworden  eingeschlossen zwischen Rhein
und den kurpfälzischen Gebieten.

Im Laufe der Herausbildung der Kurpfalz im späten Mittelalter kam
es zu Besitzforderungen der pfalzgräflichen Verwaltung über
Verlandungen, Inselbildungen und Fischgründe. Als die Kurpfalz
1329 die Schirmherrschaft über den von Maulbronn an das
Domkapitel Speyer zurückgefallenen Meierhof Ketsch übernahm,
bezeugten die Pfalzgrafenbrüder Rudolf und Ruprecht, daß sie
vorher keine Besitzrechte dort hatten.

König Ruprecht bestätigte als Pfalzgraf 1408 nochmals die Rechte
des Domkapitels Speyer auf Ketsch und den dortigen Wald.
Gleichzeitig wurde richtiggestellt, daß der Hofmeister und die
kurpfälzischen Amtsleute glaubten, der Wald, die Weide und das
Wasser in der Mark Ketsch gehöre der Kurpfalz. Nach Prüfung alter
Briefe und Kundschaften stellte man aber auf pfalzgräflicher
Seite fest, daß die Bäche und das Wasser dem Stift zu Speyer
zustanden.

In einer Güterbeschreibung der Höfe in Ketsch, die wahrscheinlich
aus dem 15. Jahrhundert stammt, ist ein Salmengrund der Bischöfe
von Speyer am Angelbach angegeben. Darunter war die alte Kraich
zu verstehen, die zu dieser Zeit am Angelwald in den Rhein
mündete. Auch im „Dorssenpfuhl“ im Angelwald hatten die Domherren
das Fischereirecht. Ebenso gehörten die vier „Heckenweiher“ in
der Kreuzwiese den Domherren zu Speyer.

Doch allem Anschein nach muß nach der Schlacht bei Seckenheim im
Jahre 1462 der Einfluß der siegreichen Kurpfalz in diesem Gebiet
größer geworden sein. Friedrich I. übernahm den Schutz über das
Speyerer Hochstift (= weltliche Besitztümer des Bistums Speyer),
womit Einflüsse in Ketsch und Brühl verbunden waren.

Heute erscheint es sonderbar, daß der Rhein zwischen Brühl und
Germersheim bis 1803 fürstbischöflichspeyerisch war und es die
Kurpfalz dennoch zuwege brachte, Vorrechte in Ketsch zu erwirken.
Die Ansprüche auf Anschwemmungen im Rhein brachten Auwälder,
Inseln und Flußstrecken des noch wild dahinfließenden Rheins an
die Kurpfalz. Diese Entwicklung war möglich, weil sich die Grenze
der Kurpfalz seit dem 15. Jahrhundert bis zur Ketschau und zur
westlichen Seite des Karl-Ludwig-Sees vorschob. Der Rheinwald
aber gehörte damals zu Otterstadt.

Bei den Auseinandersetzungen von 1591 zwischen dem Domstift in
Speyer und dem kurpfälzischen Hof in Heidelberg ging es vor allem
um zwei Rheinwörthe  um den oberen und unteren Angelwörth, doch
auch um die Obrigkeit im Dorf, zu dem damals noch der Angelwald
zählte. Das Domkapitel wollte nicht mit der Kurpfalz in
Uneinigkeit verfallen und die Streitfrage in gütlicher
Unterhaltung beilegen. Dies brachte im Februar 1591 folgende
Einigung: Der obere und untere Angelwörth sollten beide,
außerhalb des unteren Wörths, wo die Angelbach mündet, mit
Vorbehalt kurfürstlichpfälzische Wildfuhr bleiben. Andererseits
sollten dem Domkapitel die beiden Salmengründe verbleiben und der
Enten oder Vogelfang sowie alle andere Nutzung zustehen.

Aus: Schwetzinger Zeitung, rf, Sonderbeilage Ketscher
Backfischfest 1994

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Das neue Jahr mit Hörnerklang begegrüßt

27.12.92 (Brauchtum & Tradition, Landschaft & Orte)

Mit den Dilsberger Nachtwächtern durch die Silvesternacht
Die Sturmlaternen stehen blank geputzt auf dem holprigen Straßenpflaster, die selbst in der Dunkelheit blitzenden Hellebarden lehnen griffbereit an der Wand des Torturmes. Zwölf Nachtwächter richten noch ihre Hüte und bürsten die langen Umhänge glatt. Es ist Silvester, der letzte Tag im Jahr. Seit vielen Jahren schon erinnert man sich am 31. Dezember an die alte Tradition der Nachtwächter, die früher hoch oben auf dem Dilsberg ihren Dienst versahen. Heute begrüßen die Dilsberger Nachtwächter das neue Jahr.
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